Der Vorstand der Kukama-Frauen. In der Mitte die Vorsitzende Mariluz Canaquiry (© Gabriel Salazar)

Freude am Marañón und am Titicaca-See

Zwei richterliche Entscheidungen am Amazonas und in den Hochanden bringen den Schutz der Gewässer ein gutes Stück voran.

Am 15. März gab das Provinzgericht von Nauta (Loreto) der Klage der Kukama-Frauen “Huaynakana” statt und erklärte den Fluss Marañón zum Rechtssubjekt. Damit ist der Marañón der erste Fluss Perus, der nun vor Gericht ziehen und auf seine Unversehrtheit klagen. Das Urteil legt auch fest, dass die Indigenenorganisationen als Hüter dieses Rechts walten sollen.

Es ist bereits ein historisches Urteil, das nach jahrelangem juristischen Tauziehen und Kämpfen den indigenen Frauen in Peru recht gab, die für den majestätischen Marañón und seine Zuflüsse Rechte und deren Respektierung einforderten.

Obwohl der Urteilsspruch in erster Instanz in Nauta (Loreto, Peru) erging und nach Anfechtung vor der Zivilkammer in Loreto in zweiter Instanz entschieden und dann ggfs. an das Verfassungsgericht verwiesen werden wird, ist die Entscheidung der ersten Instanz eine Sensation. Und das aus mehreren Gründen.

Der Marañón ist nicht irgendein kleines Fließgewässer in einem idyllischen Fleckchen Erde. Der Marañón ist fast 2.000 Kilometer lang und hydrologisch der Hauptquellfluss des Amazonas.

Das Urteil wurde erstritten von Verband der Kukama-Frauen. Die Anerkennung von Flüssen als lebende Einheiten bedeutet, dass gefährdende Handlungen verhindert oder geahndet werden müssen.

Sie bedeutet einen gewissen Paradigmenwechsel in der Interpretation von „Nützlichem“ und „Wichtigen“. Und, das Urteil bestätigt das elementare Recht der indigenen Völker und allgemein der Zivilgesellschaft auf gesunde Ökosysteme und das Recht auf Schutz von Leib und Leben.

Der Verband Huaynakana Kamatahuara Kana hatte sich trotz aller Widrigkeiten nicht gescheut, 2021 Klage gegen das staatliche Erdölunternehmen Petroperú, das Umweltministerium, die nationale Wasserbehörde (ANA), das Ministerium für Energie und Bergbau, das Ministerium für Agrarentwicklung sowie die Regierung der Region Loreto (GOREL) zu erheben. Der Marañón ist nicht nur für das gesamte Amazonasgebiet, sondern auch für Peru einer der wichtigsten Flüsse und für die Kukama heilig. Er wurde – mit Auswirkungen auf alle Lebewesen – beständig durch Erdölaustritte, Infrastrukturprojekte, illegalen Bergbau und Goldabbau massiv beeinträchtigt.

Damit der Marañon nun wirklich geschützt wird, z.Bsp. vor Erdölaustritten und weiteren Eingriffen, braucht es weitere gesetzliche Vorschriften, deren Umsetzung auch überwacht wird. Die Widerstände sind groß: Es wurde bereits Widerspruch gegen das Gerichtsurteil eingelegt, das nun an die nächsthöhere Instanz verwiesen wird.

Und dennoch ist da Urteil erst mal ein Grund zur Freude. Damit reiht sich auch Peru in die weltweite Bewegung ein, die Ökosysteme, Berge und Flüsse ein eigenes Recht verleiht.

Die Geschichte der Kukama-Frauen, die mit ihrer Initiative, nun Rechtsgeschichte geschrieben haben, können Sie hier nachlesen.

Wer sich über die weltweite Bewegung für die Rechte der Natur in Lateinamerika und Deutschland interessiert, dem sei dieser Artikel aus der Zeitschrift Spektrum empfohlen.

Szene am Titicaca-See ©Yda Ponce

Nur wenige Tage nach dem bahnbrechenden Urteil von Nauta, hat ein Gericht am anderen Ende Perus auf 3800 Meter Höhe, ebenfalls den Schutz der Umwelt verstärkt. Das Provinzgericht von Juliaca (Puno) hat der Regionalregierung von Puno sowie mehreren Ministerien angeordnet, das Ökosystem des Titicaca-Zuflusses Coata zu schützen und zu entkontaminieren. Der Titicaca-See wird vor allem von ungefilterten Abwässern vergiftet.

Seit 2017 kämpfen Bewohnerinnen und Bewohner am Titicacasee (Coata, Huata, Capachica und Caracota) gegen die Verschmutzung des größten Sees Lateinamerikas. Sie werden dabei von Nichtregierungsorganisationen wie dem  IDL (Instituto de Defensa Legal) und aktuell auch vom Centro Bartolomé de las Cascas (Cusco) oder, zur Verbesserung und Partizipation der Frauen durch die Aktion Entwicklung und Selbstbesteuerung, unterstützt. Jetzt zeigen diese Anstrengungen einen ersten Erfolg. Das zuständige Gericht in der südandinen Stadt Juliaca sprach ein wegweisendes Urteil:

– Das Wohnungsministerium muss, zusammen mit der Provinzverwaltung, innerhalb von 30 Tagen die Zulaufflüsse von festen Abfällen reinigen und dafür eine erste Deponie einrichten. Die Krankenhäuser am See dürfen nicht mehr ihren gefährlichen biologischen Feststoffabfall in die Flüsse und im See entsorgen. Die Regierung der Region von Puno muss endlich in den Landkreisen Juliaca, Coata, Huata, Capachica und Caaracota) eine funktionierende Trinkwasserversorgung einrichten und sie muss die gesundheitliche Betreuung der Menschen sicherstellen die den diversen Umweltverschmutzungen ausgesetzt sind.

All das heißt jetzt nicht, dass alles auch von den zuständigen Stellen umgesetzt wird. Aber die Menschen haben jetzt größere Chancen, mit diesem Urteil im Rücken, noch stärker ihre Rechte einzufordern. Es bleibt auch weiterhin das große Problem, dass die Abwässer der umliegenden Goldminen über die Zuflüsse auch in den Titicacasee kommen und diesen vergiften.

Eine Protagonistin aus dieser Gruppe von Umweltschützerinnen ist Juana Mamani, die wir ebenfalls in der Infostelle portraitiert haben.

Auch in Puno, ebenso wie im fernen Loreto, werden die Menschen wachsam sein müssen und sich dafür einsetzen, dass das Recht nicht nur auf dem Papier steht, sondern auch umgesetzt wird. 

Jetzt aber ist erst mal Zeit zu feiern: Herzlichen Glückwunsch den couragierten Frauen und Männern von Nauta und Coata.

Trudi Schulze/Hildegard Willer

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