Zwei Jahre nach der Repsol-Ölpest: nicht bezahlte Bußgeldern und fehlende Sanierungspläne
Am 15. Januar jährte sich zum zweiten Mal der Austritt von fast 12.000 Barrel Rohöl an der peruanischen Küste. Seitdem hat das verantwortliche Unternehmen, die Raffinerie La Pampilla des spanischen Unternehmens Repsol, dem Ministerium für Energie und Bergbau 18 Sanierungspläne vorgelegt. Keiner davon wurde bislang genehmigt. Von den verhängten Bußgeldern in Höhe von fast 110 Mio. Soles (26 Mio. Euro) hat das Unternehmen 89,5 Mio. (21 Mio. Euros) gerichtlich angefochten. Die Strafen wurden verhängt wegen Nichtbeachtung von Umweltauflagen, der Einmischung in die Aufsicht der Kontrollbehörde und für die Verantwortung für den Tod von mehr als 1.800 wild lebenden Tieren. Tausende von Kleinfischern, Händlern und anderen betroffenen Arbeiter*innen warten immer noch auf eine finanzielle Entschädigung durch das Unternehmen.
Vor kurzem hat die gemeinnützigen Organisation Stichting Environment and Fundamental Rights in den Niederlanden – wo das Unternehmen steuerlich registriert ist – Klage gegen Repsol eingereicht, die von 34.000 betroffenen Peruaner*innen unterzeichnet wurde. Die beauftragte Anwaltskanzlei schätzt den Klagewert für Entschädigungszahlungen auf über eine Milliarde Dollar. Die erste Anhörung ist für Juni 2024 festgesetzt. Ein Vertreter der Kanzlei sagte, er hoffe, dass Repsol angesichts der Dauer und Kosten eines Prozesses doch noch eine außergerichtliche Einigung mit den Opfern der Katastrophe anstrebt.
Zustand des Amazonas: Alarm und Hoffnung
Seit 2015 erstellt das Amazonas-Überwachungs-Projekt MAAP (Monitoring the Andean Amazon Project) Berichte über den Zustand des Amazonas-Regenwaldes. Der aktuelle 200. Bericht warnt vor der „sehr ernsten und dringenden” Situation im Amazonasgebiet, das sich zwei Kipppunkten nähert. Der erste ist die befürchtete Umwandlung von Regenwäldern in Trockengebiete (Savannen), der zweite die Umwandlung von einer Kohlenstoffsenke, die den globalen Klimawandel bremst, in eine Kohlenstoffquelle.
Es bestehe jedoch auch Hoffnung, da fast die Hälfte des Amazonas als Schutzgebiete und indigene Territorien ausgewiesen ist, die wesentlich niedrigere Entwaldungsraten aufweisen und in denen der Waldschutz gelingen könne. Außerdem zeigen neue Daten der NASA, dass der Amazonas reichlich Kohlenstoffvorräte beherbergt. Und von 2022 bis 2023 hat der Verlust des Primärwaldes im gesamten Amazonasgebiet, insbesondere in Brasilien und Kolumbien deutlich abgenommen.
Peru ist der drittgrößte Verursacher der Entwaldung im Amazonasgebiet. Eine Ursache ist die schnelle Abholzung durch neue mennonitische Kolonien im zentralen Amazonasgebiet. Und im südlichen Amazonasgebiet ist die Abholzung für den Goldabbau weiterhin eine der Hauptursachen für die Entwaldung, vor allem in indigenen Gemeinden, Pufferzonen von Schutzgebieten und innerhalb des offiziellen Bergbaukorridors. Zwischen 2021 und 2023 wurden fast 24.000 Hektar Wald für den Goldabbau abgeholzt.
Viele Vögel sind noch da
Das würde hiesige Vogelkundlerinnen und Vogelkundler sehr freuen. Im südlichen Andengebiet, in der von Nähe Cuzco und dem Ort Chinchero, liegt auf 3.754 Metern der See Piuray. Hier zählten Mitarbeiter*innen des Instituto Nacional de Investigaciones en Glacieres y Ecosistemas de Montana (INAIGEM) in einer Langzeitstudie 147 verschiedene Vogelarten -von Wasservögeln bis Kolibris. Sie betonen, wie wichtig auch in dieser Andenregion der Schutz des Ökosystems ist. Eine solche Vielfalt bietet eine gute Möglichkeit für einen nachhaltigen Tourismus – solange er nicht zum Massentourismus wird.
Demontage einer der wichtigsten demokratischen Institutionen
Seit dem Amtsantritt von Josué Gutiérrez in der Ombudsstelle Defensoría del Pueblo ist ein Exodus der Mitarbeitenden und eine Demontage der Institution zu beobachten. Zwischen Juni und Dezember 2023 sind sieben Personen zurückgetreten, unter ihnen der Büroleiter von Ayacucho, der während der Proteste im letzten Jahr eine Schlüsselrolle spielte, indem er die Übergriffe der Polizei kritisierte und als Sprachrohr der Familien der Opfer auftrat. Anfang 2024 folgten weitere Kündigungen, u.a. Lissette Vásquez, die eine wesentliche Rolle bei der Begleitung von Betroffenen gespielt hat, deren Gesundheit durch Giftmetallen beeinträchtigt ist, was für fast zehn Millionen Menschen zutrifft.
Ohne ihren neuen Leiter hätte sich die Ombudsstelle vermutlich auch zu den Änderungen des Forstgesetzes geäußert und auf die Rechte der indigenen Völker hingewiesen, so wie sie dies schon bei vielen anderen Anlässen getan hat. Die Ernennung von Josué Gutiérrez war auch deshalb kritisiert worden, da sie möglicherweise im Rahmen eines Austausches von Gefälligkeiten erfolgt ist, in den auch die ehemalige Generalstaatsanwältin verwickelt war.
Eine der wichtigsten Institutionen der angeschlagenen peruanischen Demokratie sei heute nicht mehr wiederzuerkennen, beklagt die Menschenrechtsorganisation CooperAcción.
Gesundheit der Bevölkerung schlechter als vor zehn Jahren
Nach Angaben des Statistikinstitutes INEI istt der Anteil der peruanischen Bevölkerung mit mangelnder medizinischer Versorgung von 33 % im Jahr 2011 auf 37,3 % 2022 gestiegen. Am höchsten war der Anteil mit 55,4 % in der Region Puno, am niedrigsten mit 17,7 % in Tumbes. Frauen sind stärker betroffen als Männer, Ältere mehr als Kinder und Jugendliche, und Indigene mehr als die restliche Bevölkerung. Der Anteil an Menschen mit chronischen Erkrankungen hat von 2011 bis 2022 von 36 auf 42 % zugenommen. Von den über 60Jährigen leiden sogar 80 % an chronischen Gesundheitsproblemen.
(Quelle: Boletín de la exclusión al reconocimiento N. 164)
OECD empfiehlt Steuerreform
Das Jahr 2023 war für Peru wirtschaftlich wenig erfolgreich. Die Prognosen wurden regelmäßig nach unten korrigiert. In ganz Lateinamerika stagnierte nach Aussagen der Weltbank der Rückgang der Armut, während die Ungleichheit zugenommen hat. Für Peru sagt die OECD ein Wirtschaftswachstum von 2,4% in 2024 voraus.
Die verarbeitende Industrie ist 2023 um 6,4% zurückgegangen. Die Regierung setzt auf Investitionen in die Infrastruktur mit PPP-Projekten (Public Private Partnership), eine Steigerung der Kupferproduktion und eine Erholung im Bereich des Tourismus. Die OECD legt auf zwei andere Aspekte wert, an denen die peruanische Regierung kein oder wenig Interesse zeigt: eine Steuerreform, die die öffentlichen Einnahmen erhöht, und einen effektiveren Einsatz der öffentlichen Mittel, um nötige soziale und Infrastruktur-Maßnahmen angehen zu können.
(Giancarlo Castiglione in UNO, 6.1.204)
Waffen der peruanischen Armee in den Händen der Mafia in Ecuador
In den letzten Jahren hat die städtische Gewalt durch Drogenbanden in Ecuador erheblich zugenommen, und sehr oft wurden dabei peruanische Waffen eingesetzt. Eine Untersuchung hat ergeben, dass 52 % der in ganz Ecuador beschlagnahmten Sprengstoffe in Peru hergestellt wurden. In einem Bericht des ecuadorianischen Geheimdienstes heißt es, dass im Oktober 2022 in den südlichen Grenzprovinzen des Landes Waffen (Gewehre) und Munition beschlagnahmt wurden, die vom Unternehmen FAME hergestellt wurden, das die peruanische Nationalpolizei und die peruanische Armee beliefert. Die Nachrichtenplattform OjoPúblico hat aus Geheimdienstdokumenten die Routen des Waffenschmuggels ausführlich analysiert. Die Zusammenarbeit beider Staaten zu Bekämpfung des Waffenschmuggels sei völlig unzureichend.
Rolle rückwärts: Deutschland enthält sich beim EU-Lieferkettengesetz
Alle Proteste und Aktionen haben nichts genutzt: Die FDP hält an ihrer Kehrtwende beim EU-Lieferkettengesetz fest. Im Dezember hatten sich die Europäische Kommission, das Parlament und der Rat auf einen Kompromiss geeinigt. An den Verhandlungen war FDP-Justizminister Marco Buschmann wesentlich beteiligt. Doch im Januar beschloss das FDP-Präsidium, dem Gesetz nun doch nicht zustimmen. Und Bundeskanzler Scholz macht von seiner Richtlinienkompetenz keinen Gebrauch, so dass sich Deutschland bei der Abstimmung im Rat enthalten wird, was einer Ablehnung gleichkommt. „Deutschlands Ablehnung des EU-Lieferkettengesetzes ist ein Armutszeugnis für die Demokratie und für den Menschenrechtsschutz“, kommentiert Michelle Trimborn, Sprecherin der Initiative Lieferkettengesetz.
Eine Recherche der Initiative belegt große inhaltliche Widersprüche zwischen den in den Verhandlungen eingebrachten Positionen und den aktuellen Äußerungen der FDP. Die Initiative Lieferkettengesetz bezeichnete den FDP-Präsidiumsbeschluss daher als „rein wahltaktisches Manöver“.
Quecksilberbelastung: Huancavelica soll Notstandsgebiet werden
Im Städtchen Huancavelica in den peruanischen Zentralanden wurde jahrzehntelang Quecksilber gefördert, das u. a. die Silberproduktion in Potosi (Bolivien) erst ermöglichte. Obwohl die seit der Kolonialzeit ausgebeuteten Quecksilberminen schon längst stillgelegt sind, dauert die Kontamination bis heute an. Verschiedenste Untersuchungen in den letzten Jahren belegen, dass die Quecksilberbelastung in den Lehmziegel-Häusern, aber auch die Belastung durch Arsen, Cadmium und Blei bis heute weit über den erlaubten Standards liegt.
Das oberste Gericht von Huancavelica hat nun angeordnet, dass die Behörden in Huancavelica den Notstand ausrufen und umfassende Maßnahmen zur Sanierung ergreifen müssen. Der Richterspruch erkennt erstmals das zum Teil noch aus der Kolonialzeit stammende Gesundheitsrisiko für die Bewohner Huancavelicas an. Allerdings ist Huancavelica nicht die erste Stadt, in der offiziell der Umwelt-Notstand ausgerufen wurde und in der die Behörden dennoch nicht tätig geworden sind. Es bleibt also abzuwarten, welche Taten auf dieses Urteil folgen.
Kardinal Barreto im Ruhestand – neuer Erzbischof in Huancayo
Kardinal Pedro Barreto, bekannt für sein Engagement für die Umwelt und lange Zeit Gegenspieler des ehemaligen Opus-Dei-Kardinals von Lima, Juan Carlos Cipriani, ist an seinem 80-jährigen Geburtstag in den Ruhestand versetzt worden. Damit nahm Papst Franziskus das Rücktrittsgesuch von Kardinal Barreto an. Kardinäle über 80 Jahren sind von der Papstwahl ausgeschlossen. Die Infostelle Peru wünscht Kardinal Barreto noch viele segensreiche Jahre.
Zum Nachfolger Barretos an der Spitze der Erzdiözese Huancayo ernannte der Vatikan den bisherigen Weihbischof von Huancayo, Luis Alberto Huaman Camayo.
Zusammengestellt von Hildegard Willer, Heinz Schulze und Annette Brox