Am 11. Januar hat der peruanische Kongress ein neues Forst- und Wildtiergesetz verabschiedet. Mit dem Gesetz – so die einhellige Einschätzung von Umwelt- und Menschenrechtsexpert*innen – wird der weiteren Abholzung des Regenwalds Vorschub geleistet. Die Rechte der betroffenen indigenen Völker werden bedroht.
Wald leichter in landwirtschaftliche Fläche umwandeln
Das neue Forstgesetz legt fest, dass für eine Landnutzungsänderung, also für die Umwandlung von Wald in landwirtschaftliche Fläche, zukünftig weder Bodenanalysen noch Umweltverträglichkeitsprüfungen und auch keine Vorabkonsultation der betroffenen indigenen Bevölkerung mehr verpflichtend sind. Bisher durften Waldflächen als nationales Naturerbe ohne die Bodenklassifizierung nicht in Privateigentum übergehen. Diese grundlegende Hürde fällt jetzt weg. Die Zuständigkeit geht vom Umwelt- an das Landwirtschaftsministerium über.
In den letzten 30 Jahren wurden in Peru schätzungsweise 11 Mio. Hektar Wald in agroindustrielle Monokulturen umgewandelt, so die peruanische Umweltanwältin Lucila Pautrat. Mit dem Waldgesetz werden nun Verstöße gegen das bisher geltende Waldgesetz formal bestätigt und straffrei gemacht. Davon profitieren vor allem die großen Agrarunternehmen, die sich große Flächen oft ohne ordentliche Genehmigung aneignen und Landhandel betreiben, und kriminelle Vereine, die sich Land illegal aneignen.
Es gibt rund 10.000 Fälle von Straftaten in Bezug auf den Waldschutz, schätzt das Umweltministerium. Mindestens 3.000 davon laufen Gefahr, mit dem neuen Gesetz im Nachhinein für rechtmäßig erklärt zu werden. Nicht nur die jahrelangen Ermittlungen und Prozesse und deren Kosten waren damit nutzlos, es gibt auch keine Chance auf Wiedergutmachung oder Geldstrafen mehr.
Das Gesetz erhöht auch die Rechtsunsicherheit und die Gefahren für 710 indigene Gemeinden, die noch keine Titel erhalten haben und deren Gebiete unter dem Druck von Siedler*innen, Unternehmen und illegalen Akteuren stehen, warnt die Nationale Menschenrechtskoordination CNDDHH.
Ein verfassungswidriges Gesetz
Die Umweltanwältin Lucila Pautrat hat eine Verfassungsklage gegen den Präsidenten und den Vizepräsidenten des Kongresses eingereicht. Denn Artikel 66 der peruanischen Verfassung definiert Wälder, Waldflächen und Böden als natürliche Ressourcen und nationales Naturerbe. Deshalb könnten sie nicht als Privateigentum behandelt, sondern nur mit staatlichen Konzessionen vergeben werden, so wie andere natürlichen Ressourcen wie Mineralien oder Erdöl auch. Das Gesetz verstoße nicht nur gegen die Verfassung, sondern auch gegen das Recht auf Vorabkonsultation der indigenen Gemeinden. Es „ist nicht nur ein Angriff auf alle Wälder in Peru, sondern es schafft auch einen Zustand der Straffreiheit für alle Gesetzesverstöße, Forst- und Umweltverbrechen“, so Lucila Pautrat.
Bei der COP 15 im Jahr 2010 hat sich Peru verpflichtet, die Entwaldung bis 2021 zu stoppen. Die Entwaldung hat seither jedoch im Gegenteil immer größere Ausmaße angenommen. Peru verstoße gegen seine internationalen Verpflichtungen zum Wald- und Klimaschutz und erhalte gleichzeitig Geld aus der Entwicklungszusammenarbeit genau zu diesem Zweck, kritisiert Lucila Pautrat.
Auch die Menschenrechtsorganisation IDL (Instituto de Defensa Legal), die Bischöfliche Sozialkommission CEAS und die Jurist*innen César Ipenza Peralta und Patricia Torres Muñoz haben gemeinsam eine Verfassungsklage eingereicht. Sie sehen verschiedene Verfassungsgrundsätze verletzt, u.a. den Schutz der biologischen Vielfalt, die nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen und die soziale Rechtsstaatlichkeit.
Seit langem geplant
Pläne zur Änderung des Forstgesetzes gab es schon länger, der erste Anlauf war Ende 2021. Im Juli 2022 war schon einmal ein neues Gesetz vom Kongress verabschiedet worden. Damals intervenierte jedoch die Regierung, da mehrere Beamte warnten, dass Peru mit diesem Gesetz gegen bestehende Handelsverträge mit den USA und der EU verstoße. Im März 2023 gab es einen neuen Anlauf, der aber nicht die nötige Mehrheit erhielt. Neun Monate später, im Dezember 2023, wurde der Gesetzesvorschlag erneut eingebracht und vom Kongress ohne weitere Beratungen und ohne die Berücksichtigung fachlicher Stellungnahmen angenommen. Der Geschäftsführer der Forstbehörde SERFOR hatte in einem internen Schreiben Regierungsvertreter gewarnt, dass das Gesetz sich negativ auf die Klimaverpflichtungen Perus auswirke und „mögliche Risiken der Entwaldung“ berge. Dennoch äußerte sich das Landwirtschaftsministerium nicht öffentlich zum Gesetzesvorhaben. Ebenso wenig wie das Umweltministerium, das bisher für die Stellungnahmen und Umweltverträglichkeitsprüfungen, die jetzt abgeschafft wurden, zuständig war.
Wer sich für die Gesetzesänderung stark machte
Im Gesetzgebungsverfahren gab es mehrere Unregelmäßigkeiten. Insbesondere wurde die Verpflichtung zur Vorab-Konsultation ignoriert, die für alle Vorhaben gilt, die indigene Völker betreffen. Dies trifft zweifellos auf das neue Forstgesetz zu. Außerdem hatten zwei Kongressabgeordnete Eingaben gemacht, die in der Plenarsitzung hätten behandelt werden müssen und die der Parlamentspräsident schlicht und einfach ignorierte. Das hohe Tempo und die Unregelmäßigkeiten im Gesetzesverfahren zeigten, „dass hinter diesen Entscheidungen legale und illegale wirtschaftliche Kräfte stehen, die mehr Gewicht haben als die Einhaltung nationaler und internationaler Abkommen”, erklärt die CNDDHH.
Tatsächlich hatten sich im Vorfeld mehrere Unternehmensverbände für die Gesetzesänderung stark gemacht. Der mächtige Unternehmerverband Confiep (Confederación Nacional de Instituciones Empresariales Privadas) hatte dem Präsidenten des Kongresses geschrieben, und die Vereinigung der Exportunternehmen Adex (Asociación de Exportadores), die Industriegesellschaft SNI (Sociedad Nacional de Industrias) und die Vereinigung der Kaffeeproduzenten JNC (Junta Nacional del Café) hatten eine öffentliche Erklärung abgegeben.
Das neue Gesetz und die EU-Entwaldungsnorm
Die Befürworter*innen argumentieren, das Gesetz begünstige arme Kleinbäuerinnen und Kleinbauern im Rahmen der EU-Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten. Kleinerzeuger sollen formalisiert werden, damit sie Zugang zu internationalen Märkten erhalten, die entwaldungsfreie Produkte verlangen. Tatsächlich aber werden es die Landwirte noch schwerer haben, prognostiziert Jurist César Ipenza. Er erwartet, dass Peru auf die rote Liste der Länder gesetzt wird, die die Mindestvoraussetzungen nicht erfüllen. Auch die Freihandelsabkommen mit den USA und der EU würden betroffen, wenn internationale Standards nicht eingehalten werden.
Kritik von allen Seiten
Der Protest gegen das Gesetz ist breit: Schon im Dezember 2023 hatten 70 zivilgesellschaftliche Organisationen in einem Brief an die EU vor dem Gesetz gewarnt, da es gegen internationale Verpflichtungen zum Klima- und Waldschutz verstoße und damit auch den Freihandelsvertrag zwischen der EU und Peru in Frage stelle. Die indigene Dachverband AIDESEP, die autonomen Regierung der Awajún und sogar die peruanischen Regionalregierungen kritisieren das Gesetz. Auch die katholischen Bischöfe im Amazonasgebiet und peruanische Bischofskonferenz haben vor den Folgen gewarnt. Das Gesetz begünstige die Abholzung des Amazonas und gefährde ernsthaft seinen Bestand.
Ende Januar gab es öffentliche Proteste vor dem Kongressgebäude.
Und die Botschaften von Deutschland, Großbritannien, Kanada und Norwegen haben in einer gemeinsamen Erklärung ihre Sorge über die „möglichen Auswirkungen“ zum Ausdruck gebracht. Die Länder haben mit Peru eine „Gemeinsame Absichtserklärung“ zum Klima- und Regenwaldschutz unterzeichnet, in deren Rahmen erhebliche finanzielle Mittel fließen. Sie hoffen auf Gespräche mit der peruanischen Regierung darüber, „wie sich diese Gesetzesänderungen auf Initiativen zum Schutz und zur nachhaltigen Nutzung des Waldes sowie auf die Rechte der indigenen Völker auswirken würden“, heißt es in der Erklärung.
Schließlich hat sich auch der UN-Sonderberichterstatter für indigene Völker Francisco Calí Tzay sehr kritisch zu den Gesetzesänderungen geäußert. Auch er warnt davor, dass die neuen Regelungen „Straffreiheit für Verbrechen wie illegalen Holzeinschlag, Abholzung und Nutzungsänderung bewirken, was den Kampf gegen die Entwaldung schwächen und die aktuelle Klimakrise verschärfen würde”. Diese Reformen ignorierten, „dass die Enteignung von Land die treibende Kraft hinter der Gewalt gegen indigene Führer ist und einen Rückzug des Staates in ländlichen Gebieten bedeutet”.
Annette Brox
Siehe auch das Interview mit dem Umweltjuristen Cesar Ipenza in diesem InfoPeru.