Der peruanische Umweltjurist Cesar Ipenza ©privat

“Die EU-Entwaldungsnorm diente als Vorwand”

Cesar Ipenza ist ein peruanischer Umweltjurist und spezialisiert auf Umweltstrafrecht. Hildegard Willer hat mit ihm über das neue Waldgesetz und ein drohende neue Regelung für den Kleinbergbau gesprochen.

 

Was genau ist neu im modifizierten peruanischen Forstgesetzes und warum sind diese Änderungen so gefährlich für den Waldschutz?

Der Wald ist immer beides: Quelle für Holz und landwirtschaftliche Nutzung; und Quelle von ökosystemischen Leistungen, wie Klimaregulierung, CO2-Speicher.  Neu ist, dass bei den Vorgaben zur Zonifizierung – also ob ein Waldstück landwirtschaftlich genutzt werden darf oder geschützt werden muss – das Umweltministerium nicht mehr verbindlich mitreden darf.  Es überwiegt also wieder eine extraktivistische Sicht des  Waldes als Ort der Ausbeutung natürlicher Ressourcen.  Eine weitere Zusatzklausel macht mir Sorgen:  bestimmte, bereits entwaldete Gebiete dürfen ohne weitere Abklärungen den Titel für die landwirtschaftliche Nutzung erhalten. Das ist wie ein Freifahrtschein für diejenigen, die vorher abgeholzt haben, und die nun einfach einen Strich darunter ziehen und nicht mehr belangt werden können. Davon profitieren besonders die großen Investoren in Palmöl-Plantagen.

Eine der Begründungen für die Änderungen im Forstgesetz war, dass damit den kleinen Kaffee- und Kakaoproduzenten geholfen würde, die sonst die Anforderungen für die neue EU-Entwaldungsnorm nicht einhalten könnten. Was sagst Du dazu?

Das geänderte Waldgesetz nutzt den kleinen Produzenten nicht. Denn die EU-Norm verlangt ja, dass die Produzenten per GPS-Daten den genauen Ort ihrer Produktion nachweisen müssen. Per Satellitenfoto kann man genau sehen, ob da Wald gestanden hat oder nicht, und der Produzent damit die EU-Entwaldungsnorm erfüllt oder nicht. Im Gegensatz: das geänderte Waldgesetz könnte zur Folge haben, dass Peru von der Europäischen Union als Hochrisiko-Produzent auf die rote Liste gesetzt wird.

Was die Erlangung der Landtitel angeht: es gibt verschiedene Rechtsformen, die den Besitz nachweisen, nicht nur der Eintrag als Privatland im Kataster.  Kaffee- oder Kakaoproduzenten können auch einen Pachtvertrag mit dem Staat über 40 Jahre abschließen, in dem sie sich zum Waldschutz und zum Anbau im Agroforstsystem verpflichtet.

Für mich ist die Sorge um die kleinen Produzenten und die Erfüllung der EU-Norm nur vorgeschoben. Hinter der Gesetzesänderung stehen die Lobbyisten der großen Agrarfirmen.

Die Gesetzesänderung wurde vom Kongress beschlossen. Kann man die noch rückgängig machen?

Es gibt verschiedene Wege, das Gesetz zu Fall zu bringen. Zum einen sind bereits zwei Gesetzesvorschläge in diese Richtung eingebracht worden im Kongress. Die werden es aber schwer haben, angenommen zu werden. Der andere Weg ist eine Klage beim Verfassungsgericht einzulegen. Mehrere Gremien und Institutionen haben bereits Klage eingereicht. Der Berufsverband („Colegio“) der Soziologen hat eine Klage eingereicht, bei der ich mitgearbeitet habe. Die Argumentation ist, dass das neue Gesetz gegen Artikel 69 der Verfassung verstößt. Dieser Artikel besagt, dass der Staat die nachhaltige Entwicklung Amazoniens mit einer angepassten Gesetzgebung fördert.  Die Klage wurde eingereicht, wurde aber vom Verfassungsgericht noch nicht angenommen. Dies kann einige Zeit dauern, bis es ein Urteil geben wird.

Ein anderer Gesetzesvorschlag, der zur Abstimmung im Kongress ansteht, will die Rechte der kleinen Goldschürfer fördern. Worum geht es da genau?

Goldschürfer, die in die Kategorie „Handwerklicher oder kleiner Bergbau“ fallen, konnten sich in ein staatliches Register einschreiben, und damit ihren Willen zur Formalisierung kundtun. Formalisierung bedeutet Einhaltung der staatlichen Normen, um Kleinbergbau betreiben zu können. Sobald man im Register „Reinfo“ eingeschrieben ist, darf man legal Gold schürfen und verkaufen, auch wenn man die Auflagen noch gar nicht erfüllt. Die Frist für die Einschreibung in „Reinfo“ war immer wieder verlängert worden.

Der neue Gesetzentwurf will das Register nun wieder für 60 resp. 90 Tage öffnen. Das heißt, bisher illegal arbeitende Goldschürfer können deklarieren, dass sie sich formalisieren wollen und werden damit legal. Selbst wenn sie die Umweltauflagen nicht einhalten, können sie dann strafrechtlich nicht mehr verfolgt werden.

Und was ist schlecht daran?

Weil es damit immer so weiter geht: ich fange an Gold zu schürfen, illegal; schreibe mich ein und werde – auf dem Papier – legal.

Die Lösung wäre, dass jemand, der neu anfängt Gold zu schürfen, vorher die Genehmigungen einholt, und bereits die Bewilligung hat, bevor er anfängt zu schürfen.

Richtig wäre auch, wenn der Staat sagen würde, dass es nur eine beschränkte Zahl von legalen Goldschürfern geben kann und nicht jeder, der möchte, dies legal machen kann.

Kann das europäische Ausland da irgendwie Einfluss nehmen?

Beim Gold müssen die Länder achtsam sein, welche Art von Gold in ihr Land gelangt und dort legal verkauft wird.

Beim Waldschutz hat der peruanische Staat große Finanzgeber wie Norwegen, Großbritannien, Deutschland. Die sollten sehr klar ihre Stimme in den Verhandlungen mit dem peruanischen Staat erheben.

 

Hildegard Willer

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert