Das Aus für Fairtrade-Kaffee aus Peru?

Peruanische Kaffee- und Kakaobauern befürchten, dass sie durch die neue EU-Entwaldungsnorm im Nachteil sind.

Der 1. Januar 2025 wird zu einem Stichdatum für Importfirmen und Produzenten: Importeure müssen nachweisen, dass Kaffee, Kakao, Palmöl, Soja, Holz, Fleisch und Kautschuk, die sie in die Länder der EU einführen, „entwaldungsfrei“ sind, das heißt, dass für ihren Anbau seit 2020 kein Baum mehr gefällt wurde.

Das neue EU-Reglement wird von vielen begrüßt, ist es doch ein wichtiger und richtiger konkreter Schritt hin zu mehr Klimaneutralität. Schließlich ist auch in Peru die Landwirtschaft der größte Vernichter des Regenwaldes, noch vor illegalem Goldbergbau oder Holzschlag.

Doch bei den Kaffee- und Kakaoproduzenten Perus herrscht noch der Schrecken vor und die Zweifel, ob sie die Norm erfüllen werden können.

Perus Kaffee- und Kakaoproduzenten sind traditionell Kleinbauern, die am Ostabhang der Anden bis auf 2300 Metern in Parzellen von ein paar Hektar Kaffee und Kakao anbauen. Viele der Produzenten sind Mitglieder von Genossenschaften, die sich um Vermarktung und Zertifizierung kümmern. Große Kaffee-Haciendas gibt es in Peru nicht.

Auch deshalb ist peruanischer Kaffee und Kakao besonders stark im Fairtrade- und Biokaffee-Segment, denn Fairtrade will ja besonders kleine Produzenten mit dem Direktkauf unterstützen. Wer in Deutschland Fairtrade- oder Biokaffee kauft, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit Kaffee von peruanischen Kleinbauern in der Tasse haben.  Doch damit könnte Schluss sein, wenn am 1.1.2025 die neue Norm greift.

Das zumindest befürchtet Lorenzo Castillo, der Geschäftsführer des Dachverbands der peruanischen Kaffee-Genossenschaften „Junta Nacional de Cafe“.  Denn um nachzuweisen, dass für ihren Kaffee und Kakao kein Baum gefällt wurde, müssen die Bauern ihr Anbaugebiet mittels GPS und Satellitenbildern registrieren und nachweisen. Die Einführung dieser Technologie in Gebieten, in denen es oft noch kein Handynetz gibt, und das Training der Bauern wird einige Zeit und Geld in Anspruch nehmen. Wer soll dafür bezahlen? Lorenzo Castillo befürchtet, dass die sowieso geringen Gewinnmargen dadurch aufgebraucht werden.

Noch mehr aber besorgt ihn ein anderes Nadelöhr. Die EU-Norm besagt, dass die Produkte die landesüblichen Gesetze einhalten müssen. Genau dies tun aber rund 70% der peruanischen Kaffeebauern nicht. Denn sie können keine legalen Landtitel vorweisen, dass ihnen das Land gehört. Selbst wenn sie ihr Land eintragen lassen wollen, könnten sie das nicht. Denn das peruanische Waldgesetz erlaubt keine Landtitulierung auf Waldgebiet. Der Ausweg könnte eine Art Pachtvertrag mit dem Staat sein („cesión de uso“), aber diese Figur ist noch kaum bekannt. Bisher hat in Peru der Staat wenig darauf geachtet, ob das Waldgesetz auch eingehalten wird. Dies könnte sich nun ändern.

Handelt es sich bei der gutgemeinten neuen EU-Norm also um eine Norm, die die großen Produzenten begünstigt und Kleinbauern benachteiligt?

Alexandre Mateus, Handelschef der Delegation der EU in Peru, weist dies nicht von der Hand. Es sei schon möglich, dass diejenigen, die das neue Gesetz geschrieben haben, dabei die großen Sojaplantagen in Indonesien im Sinn hatten und weniger die kleinen Kaffeebauern in Peru.

Er befürchtet dabei gar nicht, dass die Kaffee- und Kakaobauern eventuelle Waldzerstörung vertuschen könnten, sondern im Gegenteil: ohne GPS-Daten können sie auch nicht nachweisen, dass ihr Anbau ohne Waldzerstörung auskommt. Momentan erarbeitet die EU eine Studie über die Folgen der neuen EU-Norm in den peruanischen Produktionsketten. Die Studie soll im August vorliegen und die Grundlagen für die weitere Umsetzung der EU-Norm in Peru sein.

Auch die Importeure in Europa sollen für die Mehrkosten, die der neue Nachweis erfordert, zahlen, meint Mateus. Und nicht zuletzt die Verbraucher*innen in Europa. „Wir werden in Europa in Zukunft mehr für unseren Kaffee und Kakao zahlen müssen“.

Hildegard Willer