KLima-Reporteros: „Eine recht gelassene Konferenz“

Frank Schwabe ist  Mitglied des Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit des deutschen Bundestags und Teil einer Delegation von 9 Bundestagsabgeordneten an der COP20 in Lima. Im Vorfeld hatte die Delegation für Aufsehen gesorgt, weil sie von der ecuadorianischen Regierung ausgeladen worden war. KLIma-Reporterinnen Anna Rutz und Marie Ludewig sprachen mit Frank Schwabe  über den Verlauf der Klimakonferenz in Lima und Deutschlands Rolle im weltweiten Klimaschutz.

KLima-Reporteros: Erzählen Sie uns, wie ihr Eindruck von der Stimmung und dem Ablauf der Verhandlungen ist

Frank Schwabe: In der Tat, ist es, trotz aller Schwierigkeiten, die jetzt in der Endphase wieder auftauchen, eine recht gelassene Konferenz. Ich habe den Eindruck, dass man sich jetzt doch weltweit auf einen Mechanismus verständigen kann, der lockerer ist, als er damals in Kopenhagen angelegt wurde. Es ist eben nicht mehr so, dass wir irgendwo beschließen, wie viele Verpflichtungen jedes Land hat und was erfüllt werden muss. Sondern es ist eher ein Mechanismus, der auf einer „kontrollierten Freiwilligkeit“ aufbaut, mit der Hoffnung, dass sich das durch die Wirtschaftsentwicklung automatisch nach oben schraubt. Ich glaube, das Ganze ist im Verfahren deutlich transparenter geworden. Es gab bisher sehr viel gegenseitiges Misstrauen, weil man den Eindruck hatte, man muss viel geheim halten. Das hat das ganze System am Ende sehr belastet.

KLima-Reporteros: Viele Entwicklungsländer fühlen sich nicht dazu verpflichtet sich an den Kosten des Klimawandels zu beteiligen. Was ist Ihre Meinung hierzu?

Frank Schwabe: Das ist ganz spannend, weil Peru am Mittwoch, zusammen mit anderen lateinamerikanischen Ländern, Geld auf den Tisch gelegt hat. Es ist nicht besonders viel, aber symbolische 6 Millionen Dollar und das setzt natürlich andere unter Druck. Zum Beispiel Brasilien, die bisher sagen, dass sie nichts einzahlen wollen.
Ich glaube es ist weiterhin richtig, dass wir unterschiedliche Verantwortungen tragen. Es kann aber auch nicht sein, dass man bestimmte Länder, die eigentlich auch etwas leisten könnten, aus der Verantwortung entlässt. Einem Land wie Saudi Arabien, das sich als Drittweltland ausgibt und Länder wie China, die sich zumindest irgendwie daran beteiligen müssen. Es ist ein Mechanismus zu entwickeln, der diese Länder für die nächsten 30 Jahre nicht weiterhin aus der Verantwortung entlässt.

KLima-Reporteros: Der durchaus legitime Wunsch vieler Entwicklungsländer nach Wachstum, lässt sich nicht immer mit den Klimazielen vereinbaren. Haben Sie Vorschläge für alternative Wachstumsmodelle für diese Länder?

Frank Schwabe: Wichtig ist es, dass aus Lateinamerika selbst die Hinweise kommen, wie ein alternativer Weg aussehen soll und das Ganze in einer demokratischen, offenen Gesellschaft diskutiert werden kann. Das ist gerade das Problem in Ecuador. Dabei geht es nicht darum, dass wir mit dem Zeigefinger auf Ecuador zeigen. Ich verstehe die Problematik. Wobei ich auch darauf hinweise, dass die Rhetorik eine andere ist. Ich begrüße die Debatte über Mutter Erde und Gutes Leben. Es kommen spannende Impulse aus Bolivien und Ecuador. Aber wenn es am Ende um die Erträge aus der Rohstoffförderung geht, zumindest was den Einfluss auf die Umwelt und auf die indigene Bevölkerung angeht, dann unterscheiden sich diese Länder nicht so sehr von den „all so bösen“ kapitalistischen Ländern. Bei Bolivien gibt es schon einen Unterschied, da doch ein größerer Anteil dessen, was erwirtschaftet wird, wirklich für die Bevölkerung genutzt wird. Aber das Extraktivismus-Modell ist das gleiche.

Das ist gerade auch der Konflikt um den Yasuni Nationalpark. Das interessante dabei ist, dass jedenfalls wir deutschen Abgeordneten, unsere Position gar nicht verändert haben. Die deutsche Regierung hat zwischenzeitlich ganz zweifelslos eine unrühmliche Rolle gespielt. Dahinter kann sich aber der ecuadorianische Staat auch nicht verstecken, das wäre zu einfach. Wir haben uns von Anfang an dafür eingesetzt, dass es ein Modell gibt, das dem Schutz des Regenwalds und den Interessen der indigenen Bevölkerung vor Ort gerecht wird. Der Unterschied ist nur, dass mittlerweile die ecuadorianische Regierung ihre Position gewechselt hat und sich die damaligen Gefährten, die gemeinsam für den Regenwaldschutz gekämpft haben, mittlerweile tief verstritten haben.

KLima-Reporteros: Das deutsche Ziel ist bis 2020 40% der Emissionen gegenüber 1990 einzusparen. Angesichts der jetzigen Maßnahmen scheint nur eine Einsparung von 33% erreicht zu werden. Wie soll die entstehende 7%-Lücke geschlossen werden?

Frank Schwabe: Wir haben dieses Ziel gefasst, als wir auf dem Höhepunkt der Klimadebatte waren. Das war 2007, als das Ziel zum ersten Mal auch vom deutschen Bundestag beschlossen wurde. Das damalige Programm war deutlich konkreter, als die heutige Version. Das Problem war nur, dass niemals ein harter Prüfungsmechanismus festgelegt wurde. Es gab eine neue Regierung von 2009 bis 2013, von der ich behaupte, dass sie sich nicht besonders um den Klimaschutz gekümmert hat. Dabei ist das Ziel, zwar gleich geblieben, aber die Zielerreichung ist aus dem Auge verloren gegangen.

Was jetzt gemacht wurde, muss man auch Barbara Hendricks anrechnen. Erst sie hat die Problematik der Zielverfehlung „regierungsamtlich“ gemacht. So war die Regierung gezwungen, mit dem Druck der Klimakonferenz in Lima, sich die Frage zu stellen wie die fünf bis acht Prozentlücke zu schließen ist. Deswegen gibt es jetzt das Klimaaktionsprogramm mit einem Monitoring-Prozess. Da steht viel Schönes drin, aber die Frage ist wieviel davon wirklich erreicht werden kann. Deswegen sollte die Regierung mindestens einmal im Jahr darlegen, ob wir auf dem Pfad der Zielerreichung sind. Falls dies nicht der Fall ist, ist der Bundestag an der Reihe, um entsprechend tätig zu werden.

KLima-Reporteros: Das Ziel der Klimakonferenzen ist es die Überschreitung der 2°C- Grenze zu verhindern. Glauben Sie, dass dies noch einzuhalten ist?

Frank Schwabe: Ich war auch lange pessimistisch bei den ganzen Klimakonferenzen und der allgemeinen Entwicklung. Mittlerweile existiert eine unglaublich Dynamik, die vor ein paar Jahren noch nicht zu spüren war. Jedoch wird nicht die Verpflichtung die Veränderung auslösen, sondern die rasante technologische Entwicklung.
Viele Länder der Welt steigen auf erneuerbare Energien um, zwar nicht aus Liebe zum Klimaschutz oder zu erneuerbaren Energien, sondern weil sie einfach nachrechnen können. Weil für sie die neuinstallierten erneuerbaren Energien günstiger sind als konventionelle Energien.

Auch in Lateinamerika gibt es sehr zukunftsorientierte Länder. Ein Land ist zum Beispiel Uruguay mit einer ganz fortschrittlichen Politik in diesem Bereich. Andere Länder wie Argentinien tun sich schwer und ich glaube auch in Peru könnte es, jenseits der Wasserkraft in den Bereichen Solar und Wind aufgrund der idealen Bedingungen besser laufen. Außerdem wurde in Gesprächen mit der mexikanischen Delegation klar, dass die mexikanische Klimapolitik im Land lange nicht so fortschrittlich ist, wie sie nach außen erscheint. Außenpolitisch spielen sie eine relativ konstruktive Rolle auf Klimaverhandlungen, aber im eigenen Land kommen sie nicht richtig voran. Von der deutschen Energiewende waren die mexikanischen Abgeordneten sehr angetan. Sie waren davon überzeugt, wenn in einem so nördlich gelegenen Land mit wenig Küste wie Deutschland die Energiewende gelingt, dann müsste es in Mexiko auf jeden Fall zu machen sein.

Da gibt es immer mehr Länder, die das begreifen und deswegen werden sie auch ihre Ambitionen in den Klimaverhandlungen automatisch höherlegen. Ob es dann für die 2°C reicht, weiß keiner so genau. Das hängt jetzt natürlich auch von der Dynamik der nächsten 5 bis 10 Jahre ab. Am Ende ist diese Bewegung gar nicht durch Klimaverhandlungen oder durch Emissionshandel möglich geworden, sondern durch die Entwicklung der erneuerbaren Energien in Deutschland.


Das Interview führten Anna Rutz und Marie Ludewig.