Billigmilch aus der EU im peruanischen Supermarkt (© Hildegard Willer)

Acht Jahre Freihandelsabkommen der EU mit Kolumbien und Peru

Eine ernüchternde Bilanz

Das Freihandelsabkommen der EU mit Peru und Kolumbien wurde 2012 im Europa-Parlament ratifiziert und ist seit 2013 in Kraft. Bereits nach fünf Jahren ergaben Untersuchungen, dass entgegen entsprechender Vereinbarungen im Abkommen arbeits- und umweltrechtliche Normen in Peru nicht erfüllt wurden. Außerdem hatte sich der Anteil völlig unverarbeiteter Produkte an den Exporten Perus nach Europa nicht vermindert, sondern erhöht. Die Weiterverarbeitung von Rohstoffen ist aber entscheidend für die wirtschaftliche Entwicklung Perus, da sie Wertschöpfung und neue Arbeitsplätze bedeutet.

Auch nach acht Jahren hat Peru viele Verpflichtungen des Abkommens nicht erfüllt.

Arbeitsrechtliche Normen

Der Export nicht traditioneller Agrarprodukte ist angestiegen: Peru gehört zu den zehn größten Produzenten von Agrargütern. Es ist der größte Produzent von Spargel und Quinua und der zweitgrößte von Avocados, Mangos, Blaubeeren und Walnüssen.

Im Agrarexport-Sektor sind aber noch immer internationale Normen für den Arbeitsbereich nicht erfüllt. Zwar hat die formelle Beschäftigung in diesem Bereich zugenommen, die ist aber meist zeitlich befristet und die Arbeitsverhältnisse sind prekär. Die Rechte der Beschäftigten sind beschnitten.

Im Abkommen mit der EU sind eine Reihe von Verpflichtungen enthalten (Titel IX über Handel und nachhaltige Entwicklung) die in Gesetzen und in der Praxis umgesetzt werden müssen.

In Peru gibt es immer noch einen hohen Anteil informeller Beschäftigungsverhältnisse. Es gibt keine Arbeitsgesetzgebung, keine Gewerkschaftsfreiheit und keine Möglichkeit für kollektive Verhandlungen (ILO-Konventionen 87 und 98). Peru hat einen der niedrigsten Mindestlöhne Lateinamerikas.

Umwelt-Normen

Entgegen den Verpflichtungen des Abkommens gab es verschiedene Lockerung von Umwelt-Vorschriften durch den peruanischen Staat, um Investitionen zu erleichtern;

  • Es wurden Genehmigungen erteilt trotz schädlicher Auswirkungen von Unternehmen
  • Gesetze wurden geändert um Rohstoffe unkontrolliert abbauen zu können
  • Umweltverträglichkeitsprüfungen wurden aufgeweicht
  • Indigene Territorien wurden nicht respektiert.

Die EU-Handelskommissarin Malmström hatte sich bereits vor über drei Jahren nach Einreichung einer ausführlichen Beschwerde peruanischer und europäischer NGOs über die fehlende Erfüllung der Versprechen des Abkommens an die peruanische Regierung gewandt:“…Wir sind besonders besorgt über die Defizite bei der wirksamen Umsetzung der IAO-Übereinkommen 87 und 98 über die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechts und des Rechts auf Tarifverhandlungen…“ ..…”… die Vereinfachung der Verwaltungsverfahren in Umweltangelegenheiten darf nicht zu einer Verschlechterung des Umweltschutzes führen. Letzteres stünde nicht im Einklang mit den Bestimmungen des Titels über Handel und nachhaltige Entwicklung”.

Dialog mit der Zivilgesellschaft

Das Abkommen mit der EU sieht einen Mechanismus für die Konsultation und den Dialog mit der Zivilgesellschaft vor (Titel IX, Artikel 281). Die dort vorgesehenen Ausschüsse oder Gruppen können Stellungnahmen und Empfehlungen zur Anwendung abgeben.

Dieser Dialog ist nicht verbindlich, er existiert in Wirklichkeit, den nationalen Mechanismen in Peru, nur auf dem Papier: die vorgesehenen Räume beziehen zwar Akteure der zivilgesellschaftlichen Organisationen ein, es handelt sich aber nicht um rein zivilgesellschaftliche Räume. Es fehlt ihnen an Unabhängigkeit, sie werden durch Regierungsvertreter geleitet, die die Tagesordnung bestimmen und es bisher versäumt haben, die Debatte und den Dialog über das Abkommen zu fördern.

Wie hat sich der Handel verändert?

Bei den Exporten hat es eine Verschiebung gegeben: Der Export von Mineralien hat ab- und der Export von Agrarprodukten hat zugenommen. Es hat also keine Diversifizierung gegeben, der Austausch von Rohstoffen aus Peru und industriellen Fertigprodukten aus Europa ist geblieben.

Perus Handelsüberschuss mit der EU ist von 1.824 Mio. USD im Jahr 2013 auf 1.695 Mio. USD im Jahr 2020 gesunken. Der Trend ist eindeutig.

Die EU ist nach wie vor einer der wichtigsten Handelspartner Perus, wenn auch nicht mehr der wichtigste, wie es vor der Unterzeichnung des Freihandelsabkommens der Fall war.

Billig-Importe aus der EU bringen Kleinbauern in Bedrängnis

Bereits vor über einem Jahr haben wir in InfoPeru Nr. 74 darüber berichtet, dass durch den Freihandelsvertrag zollfreie Landwirtschaftsimporte aus der EU Kleinbauern in Peru verdrängen:

„Mit oder kurz nach Inkrafttreten des Freihandelsvertrags hat sich die Situation für die peruanischen Kleinbetriebe, die für den einheimischen Markt produzieren, durch die großen Importmengen und die fallenden Preise der Importprodukte verschlechtert: es droht durch den Konkurrenzdruck Verschlechterung der Situation bzw. die Verdrängung der Betriebe, die dieselben oder ähnliche Produkte anbauen.“ Nutznießer der Marktöffnung waren die großen Agrarbetriebe. Sie werden auch – im Gegensatz zu den Familienbetrieben- vom peruanischen Staat unterstützt.

Importierte Pommes Frites haben 2018 und 2019 23 Prozent der Menge der auf dem Markt in Lima angebotenen Kartoffeln ausgemacht, das bedeutet eine Verdrängung einheimischer Kartoffelprodukte.

Der Import von Milchpulver und Käse hat ebenfalls negative Auswirkungen auf die bäuerlichen Kleinbetriebe, die Milche und Käse produzieren.

Empfehlungen peruanischer Organisationen (Red Peruana por una Globalización con Equidad – RedGE)

  • Es ist dringend notwendig, die Auswirkungen der Liberalisierung des Handels in unseren Ländern unter Beteiligung der verschiedenen Akteure, einschließlich der Zivilgesellschaft, zu bewerten, um die von uns gewünschte Handelspolitik zu entwickeln.
  • Die Auswirkungen auf unsere Innenpolitik und Souveränität müssen bewertet und berücksichtigt werden, und es müssen Mechanismen zur Beteiligung der Bürger geschaffen werden.
  • Festlegung des von uns gewünschten Handels, der die regionale Integration fördert und nicht die Agenda der transnationalen Interessen für gültig erklärt, indem er ein extraktivistisches Entwicklungsmodell festschreibt, das den Menschenrechten keine Priorität einräumt.
  • Neu verhandeln oder aufkündigen.

Vorhaben europäischer NGOs

Die Plataforma Europa-Peru (PEP), in der die Infostelle Peru mitarbeitet, hat auf ihrer Sitzung am 03.12.21 verschiedene Inzidenz-Aktionen empfohlen, darunter

  • die Fortsetzung des politischen Drucks für die Umsetzung der  Empfehlungen, die als Konsequenz einer Beschwerde peruanischer und europäischer NGOs gegen die peruanische Regierung wegen der fehlenden Erfüllung der Versprechen des Vertrags 1917 formuliert wurden1)
  • die Sichtbarmachung der speziellen Ausbeutungsbedingungen, unter denen Frauen leiden in Tätigkeiten, die mit dem Handel zwischen der EU und Peru stehen (speziell in der Textil- und der Agrarindustrie).

Jimi Merk

Quellen: