In Peru wütet erneut El Niño: Die nördlichen Regionen Perus wurden im März von sintflutartigen Regenfällen, Erdrutschen und der Zerstörung durch den Zyklon Yaku heimgesucht.
Mit solch einem Ereignis, welches bisher den Tod von 65 Menschen verantwortet, rechnete kaum jemand – und es sind in den kommenden Wochen weitere Katastrophenereignissen zu erwarten. Vor diesem Hintergrund ist es umso tragischer, dass die Regionalregierungen und Gemeinden in den letzten fünf Jahren im Durchschnitt weniger als 70 % der Haushaltsmittel für Präventions- oder Wiederaufbauarbeiten verwendeten.
Die Einwohner von Tumbes, Piura, Lambayeque, La Libertad und Ancash waren – sechs Jahre nach der Verwüstung der nördlichen Regionen Perus durch El Niño Costero – erneut am stärksten betroffen. Allein in diesen fünf Regionen haben tausende Menschen durch die Regenfälle und Erdrutsche ihre Häuser und Ernten verloren und die öffentlichen und auch die privaten Infrastrukturen sowie Strom- und Wasserversorgung sind stark betroffen.
Weitere schwere Regenfälle zwischen April und Juni 2023 werden vorhergesagt, die Wiederaufbauarbeiten in diesen Gebieten sind aber noch nicht abgeschlossen.
Nach den verheerenden Auswirkungen des El Niño Costero wurden Millionen für den Wiederaufbau bereitgestellt. Eine von OjoPublico durchgeführte Analyse der Ausgaben zwischen 2018 und 2022 zeigt jedoch, dass die Regionalregierungen die für die Notfallprävention bereitgestellten Mittel in den letzten fünf Jahren gerade mal zu 62,3% ausführten.
Ein weiterer schwerer Schlag für die Landwirte
Erneut werden die Existenzgrundlage der Kleinbauern und die Lebensmittelversorgung durch den Zyklon bedroht. Allein in den Tälern von Santa, Lacramarca, Nepeña und anderen in Ancash sind 20.000 Hektar betroffen.
Bereits durch den El Niño Costero im Jahr 2017, der wie in diesem Jahr auch starke Erdrutsche zur Folge hatte, durch die beispielsweise Abschnitte des wichtigen Chineca-Kanals zerstört wurden, kam es zu immensen wirtschaftlichen Verlusten. Die Wiederherstellung des Kanals ebenso wie die Optimierung der Cascajal Drainage, die aufgrund ihrer Enge immer wieder verstopft, werden von der ARCC (Behörde für Wiederaufbau mit Wandel) kaum vorangetrieben – lediglich durch Eigeninitiative der Anwohner*innen werden Reparaturen vorgenommen.
Regionen, die besonders betroffen sind, sind etwa Tumbes (Überschwemmungen von etwa 40 bis 50 Hektar Zitronen- und Bananenplantagen), die Cuenca Bajo Piura (Verluste von 15 bis 20 Tausend Hektar Baumwoll-, Mais und Bohnenplantagen) sowie die Küstentäler der Region La Libertad (mehr als 2500 Hektar Mais, Zuckerrohr, Avocado, Gemüse, Reis und Passionsfrüchte gingen verloren). Die Ernten waren sowohl für den lokalen Markt als auch für den Export ins Ausland (Wassermelonen, Mangos) bestimmt. Das peruanische Zentrum für Sozialstudien (Cepes) schätzt, dass angesichts der starken Regenfälle und des El Niño Costero vor allem Reis- und Mais-Kulturen gefährdet sind, die durch die Regenfälle überschwemmt oder von Schädlingen befallen werden könnten.
Schlechtes Präventionsmanagment
Die bestehende Bewässerungsinfrastruktur kann diesen klimatischen Ereignissen nicht mehr standhalten und muss daher ausgebaut werden. Diese Schäden hätten vermieden werden können, durch rechtzeitige „Projekte zur Abschwächung der Naturgewalten“, so Luis Málaga Linares, Präsident des Landwirtschaftskonvents Conveagro, der für Untersuchungen plädiert. So nutzt beispielsweise die Regionalregierung von Ancash für Präventionsprojekte bisher nur 1,9% des aktuellen Budgets von über 23 Mio. Soles, wie aus dem Portal für wirtschaftliche Transparenz des Wirtschafts- und Finanzministeriums (MEF) hervorgeht. Die vorherigen Jahre zeigten ebenfalls geringe Ausführungsgrade (2019-2022 nur 63%) – diese immer wiederkehrende Tendenz zum wenig vorausschauenden Handeln im Bereich Prävention und Risikomanagement sei auch bei anderen betroffenen Regionalregierungen zu beobachten, erklärte Carla Gavino, Expertin für öffentliches Management.
Die Verzögerung der Sanierungsarbeiten aufgrund des El Niño 2017 führte zu Kritik an der ARCC, die die Mittel für den Wiederaufbau verwaltet – etwa die Nothilfe für die am stärksten betroffenen Küstenregionen im Norden und in der Mitte Perus. Die Soforthilfe wird jedoch auch über den Katastrophenschutzfonds (Fondes) finanziert.
Insgesamt 93,92 % des Fondes-Budgets sind für den „Wiederaufbau mit Wandel“ vorgesehen. Dieser Prozess begann 2017 mit dem Ziel, die Infrastruktur nach den Verwüstungen durch El Niño wiederherzustellen und neue Infrastrukturen für die Prävention der Auswirkungen künftiger Klimakatastrophen aufzubauen.
In den 16 Regionen, in denen der Notstand ausgerufen wurde, wurden allerdings weniger als 80 % ihres Haushalts für die Prävention eingesetzt: Tumbes (36,5%), Huancavelica (38,4%), Huánuco (43,4%), Piura (56,3%), Áncash (57,6%), Ica (59,1%), Arequipa (66,5%), Callao (73,4%) und Lambayeque (79,4%).
Der Hauptkritikpunkt an der ARCC ist, dass nur 9 % der Arbeiten für integrale Risikomanagementlösungen und 1 % für Entwässerungsarbeiten ausgeführt wurden. Die Präventionsmaßnahmen laufen nur schleppend.
Was kommt: El Niño Costero
Die Vorhersagen für die kommenden Tage, Wochen und Jahre lassen kein besseres Szenario erwarten als das, das wir jetzt erleben. Grinia Avalos, stellvertretende Direktorin der Unterabteilung „Klimavorhersage des Nationalen Meteorologischen und Hydrologischen Dienstes von Peru“ (Senamhi), sagte, dass in naher Zukunft mit weiteren extremen Regenfällen im Norden, im zentralen und südlichen Hochland sowie im Amazonasgebiet zu rechnen sei.
Avalos betonte, dass die Niederschläge im Amazonasgebiet nicht mit der Erwärmung des Meeres zusammenhängen, sondern mit dem Einfluss der Feuchtigkeit, die vom Amazonas und vom Atlantik kommt.
Die Vorhersagen von Senamhi decken sich mit den Ankündigungen des multisektoralen Ausschusses, der für die nationale Untersuchung des El-Niño-Phänomens in Peru (Enfen) zuständig ist, wonach zwischen März und April warme Temperaturen herrschen werden, die bis mindestens Juni dieses Jahres zu überdurchschnittlichen Niederschlägen führen werden.
Das Auftreten eines El-Niño-Phänomens sollte auf internationaler Ebene jedoch nicht überraschen, denn am 1. März warnte die Weltorganisation für Meteorologie (WMO), dass es möglich sei, dass dieses Klimaereignis wieder auftritt. Die Institution gab an, dass die Wahrscheinlichkeit des Auftretens zwischen April und Juni bei 15 Prozent, zwischen Mai und Juli bei 35 Prozent und für die Monate Juli und August bei 55 Prozent liegt.
Der fünfte Bericht, der 2014 veröffentlicht wurde, warnte mit Unsicherheit vor der Möglichkeit von Niederschlagsanomalien. Ein Bericht des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (IPCC) vom Februar 2022 kommt zu dem Schluss, dass sich der Wasserkreislauf mit der weiteren Erderwärmung wahrscheinlich intensivieren wird. Das heißt, es wird Perioden mit intensiveren Regenfällen und parallel dazu solche mit intensiverer Trockenheit geben.
Angesichts der unbestreitbaren wissenschaftlichen Belege dafür, dass Naturphänomene wie El Niño und Wirbelstürme wie Yaku in Peru immer häufiger und intensiver auftreten, müssen die Regierungen Reaktions- und Vorbereitungsstrategien für diese Ereignisse entwickeln. Das derzeitige Szenario zeigt jedoch, dass die von den zentralen, regionalen und lokalen Regierungen entwickelten Pläne für Infrastruktur, Flächennutzungsplanung und Risikovorsorge den Faktor Klimakrise bei ihrer Umsetzung nicht berücksichtigen.
Nach Ansicht der befragten Fachleute stellen die Merkmale der Bauwerke und die Städtebauplanung die größten Schwachstellen dar, die Katastrophen wie die jetzigen auslöst. Grinia Avalos von Senamhi erklärte, dass Peru ein Land sei, das aufgrund seiner Topographie, aber vor allem aufgrund der hohen Anfälligkeit und Risikoexposition sehr anfällig für den Klimawandel ist und betont, dass „solange keine wichtigen Entscheidungen zur territorialen Neuordnung getroffen werden, um gemeinsam nach umfassenden Lösungen zu suchen […] es immer Schäden und Verluste geben [wird].”
Ein Appell an die Regierung ist somit, wiederkehrende Katastrophen wie diese zu verhindern, indem die Jahre der Vernachlässigung und Verantwortungslosigkeit im Sinne von stetigem vor sich Hindämmern oder gar Wiederaufbau von Risikogebieten beendet werden und Präventionsmaßnahmen effektiv umgesetzt werden.
Renato Pajuelo in OjoPúblico, 17.3.2023
gekürzte Übersetzung von Svenja Pesch