Heftiger Streit um Umweltschutz und Indigene

Unter dem Vorwand der Entwicklung will eine Bürgerinitiative aus Loreto den staatlichen Schutz der unkontaktierten indigenen Völker abschaffen.

In der peruanischen Amazonas-Region Loreto hat sich eine „Koordination für eine nachhaltige Entwicklung des Regenwaldes“ gegründet. Diese wird von der Regionalregierung unterstützt, deren  Chef Elisban Ochoa Sosa wegen Korruption stark unter Druck steht. Die Betreiber dieser Kampagne verstehen sich als Nichtregierungsorganisation. Einer der führenden Köpfe der Kampagne ist Wilfredo Panduro von der Vereinigung der Ingenieure in Loreto; ein anderer Sprecher ist Christian Zeus Pinasco Montenegro, von dem noch die Rede sein wird.

Diese Bürgerinitiative will die wenigen Schutzmaßnahmen und Gesetze für die indigenen Völker, die in freiwilliger Isolation leben, kippen. Ziel der Aktion ist die Rücknahme des Gesetzes mit der Nummer 28736, das diese isoliert lebenden, sogenannten nicht-kontaktierten Indigenen  (PIACI) schützt. Auch fordern sie, dass Peru das Schutzabkommen für Umweltschützer (Escazú-Abkommen) nicht ratifiziert. Vielleicht, damit ihnen niemand zu sehr auf die Finger schaut, wenn sie bei ihren Zerstörungsmaßnahmen, „Entwicklung“ nennen sie es, indigene  Menschen aus ihren Territorien vertreiben oder töten. Die Argumentation dafür ist ähnlich wie die der spanischen Eroberer und deren Theologen. Sie sagen: Diese Indigenen sind rückständig und stehen der Entwicklung im Wege. Damit es sich ein wenig positiver anhört, sagen sie, dass sie einer nachhaltigen Entwicklung im Wege stehen.

Mannigfaltiger Protest gegen die Initiative

Gegen die Bürgerinitiative aus Loreto haben viele ihre Stimme erhoben:

  • Die staatliche „Defensoría del Pueblo“ (Ombudsstelle) forderte umgehend das peruanische Parlament auf, nichts zu unternehmen, was die Rechte der unkontaktierten indigenen Völker einschränkt. Deren Schutz liege in der staatlichen Verantwortung, festgelegt in peruanischen Gesetzen und internationalen Abkommen. (Servindi, 29.4.22).
  • Das zuständige Kultusministerium (Mincul) forderte ebenfalls umgehend die Regionalregierung von Loreto auf, die bestehenden Schutzmaßnahmen für die betroffenen indigenen Völker voll und ganz einzuhalten.
  • Der Dachverband der indigenen Organisationen, AIDESEP, fordert die Regionalregierung und die Unterzeichner der Kampagne deutlich auf, mit solchen gefährlichen Aktionen sofort aufzuhören, denn solche Vorhaben verursachen die Vertreibung der Indigenen, die Vergiftung des Wassers und Bodens, Erdölaustritte, also Krankheit, Hunger und Tod, und das nur, damit einige Firmenbesitzer reich werden. Außerdem fordert AIDESEP erneut die Regierung von Loreto auf, die ungesetzlich erteilten 47 Konzessionen zur Abholzung des Regenwaldes umgehend zurückzunehmen, weil diese in Umweltschutzzonen (Reservas Indígenas y Territoriales) liegen. (Aidesep, Lima, 28.4.22).
  • Auch der regionale Zusammenschluss der indigenen Völker in der Region Loreto, ORPIO (mit ihren Mitgliedsorganisationen der Awajun, Wampis, Matses, Ticunas, Yagua, Kichwa und Kapanawa) fordern die Regionalregierung dringend auf, die bestehen Schutzgesetze voll umfänglich einzuhalten und so die gesicherten Territorien im Umfang von ca. 19 Millionen Hektar nicht anzutasten, weil in diesem Teil des amazonischen Regenwaldes weltweit die meisten nicht-kontaktierten indigenen Völker leben. (ORPIO, Manifiesto vom 5.5.22).

Auch in der Region Loreto beziehen sich die Gegner des gesetzlichen Schutzes für unkontaktierte indigene Völker auf Gesetzeslücken bzw. Interpretationsmöglichkeiten. Im peruanischen Gesetz für die indigenen Dorfgemeinschaften gibt es den Artikel 11. Dieser erlaubt es den Behörden, einen Teil des gemeinschaftlichen Landes der Dorfgemeinschaft als „Land zum möglichen Forstgebrauch“ zu erteilen (cedido en uso) und dieses später an Dritte zu verkaufen (sprich für Konzessionen zur „legalen Abholzung“ etc.). Die Juristen Christina Gavancho und Juan Carlos Ruiz Molledo vertreten jetzt einige Dorfgemeinschaften, die gegen diesen Artikel geklagt haben, vor dem zuständigen Gericht in der Region Loreto. (Servindi, 20.5.22)

Der Bischof von Iquitos (Vicariato Apostólico de Iquitos) kritisiert die Vorstellungen der Gruppe als Modell der Zerstörung und fordert dazu auf, die Ideen von Papst Franziskus in der Enzyklika „Laudato Si´“ endlich zu übernehmen. (Servindi, 29.5.22)

Zurück zu den Führungspersonen, die die indigenen Völker „vertreibend entwickeln“ wollen: Sie beschimpfen die Umweltschützer und Partnerorganisationen der Indigenen als Naziambientalistas – Nazi-Umweltschützer. Der Sprecher dieser reaktionären Gruppe, Christian Zeus Pinasco Montenegro, der sich gerne mit einem T-Shirt mit dem Aufdruck „No a Escazú“ zeigt (Nein zum Escazu-Abkommen, dem Schutzabkommen für Umweltschützer), hat noch mehr „zu bieten“. Er wurde im Jahr 2018 zu vier Jahren Haft auf Bewährung verurteilt wegen Korruption. Er hat als Stadtrat im nördlichen Küstendistrikt Monsefú Aufträge in Höhe von ca. 2 Millionen verschoben . Davor hat er als Angestellter des Distrikts Maynas (Region Loreto) Aufträge in Höhe von über 48 Millionen Soles an seine Familienmitglieder „vermittelt“ (La Verdad, Iquitos, 2019, und Servindi, 26.5.22). Und er ist Unterstützer des Palmöl-Unternehmens Tamshi, das wegen illegaler Zerstörung von ca. 2.000 Wald mit einer Geldstrafe durch die zuständige Behörde OEFA (Organismo de Evaluación y Fiscalización Ambiental) belegt worden ist. (Servindi.org/02/11/2020)

Die indigenenfeindliche „Koordination für eine Entwicklung des Regenwaldes“ beginnt jetzt, ihren Kandidaten Juan Carlos del Águila C (Fuerza Popular, Fujimori-Partei) für die nächsten Regionalwahlen aufzubauen. Dieser hat in seiner Zeit als Kongressabgeordneter vehement behauptet, dass eine Zustimmung zum Umweltschutzabkommen Escazú Peru die Autonomie nehmen würde, was nicht stimmt.  (Servindi, 24. und 25.5.22).

Herr Präsident, tun sie etwas für die nicht kontaktierten indigenen Völker!

Die Vereinigung der indigenen Völker des peruanischen Regenwaldes (AIDESEP) forderte bei ihrer Großdemonstration am 26.Mai 2022 in Lima anlässlich ihres 42-jährigen Bestehens den peruanischen Präsidenten Castillo auf, sich deutlich und stark für die unkontaktierten indigenen Völker einzusetzen und keinerlei Veränderungen am gültigen Gesetz zum Schutz dieser Völker zuzulassen, weil die Aufweichung der Schutzbestimmungen den Genozid für diese Völker bedeuten würde. (Servindi, 27.5.22).


Heinz Schulze