Zum zweiten Male wurde der Titicaca-See zum “efährdeten See des Jahres” ernannt. © Heeder Soto Quispe

Kurz gemeldet – Februar 2023

 

Gefährdete Indigene, Initiativen der Zivilgesellschaft und ein erschreckender Bericht zu Menschenrechtsverletzungen.

Erklärung der peruanischen Zivilgesellschaft zur Verteidigung des Lebens und der Demokratie

130 Organisationen der peruanischen Zivilgesellschaft schlagen in einer gemeinsamen Erklärung einen nationalen Plan für Demokratie, Menschenrechte sowie nachhaltige und inklusive Entwicklung als Ausweg aus der politischen Krise vor. Sie fordern ein neues politisches Bündnis, das alle Bürger*innen einschließt.

In der Erklärung wird der Vorwurf erhoben, dass ein “Szenario vom internen Krieg” erzeugt  werde, indem ohne konkrete Beweise Bürger*innen und soziale und Gewerkschaftsführer*innen als “Terrorist*innen“ beschuldigt würden.

Die Situation erfordere eine politische Plattform und eine kurz- und mittelfristige Agenda für das ganze Land. “Dies ist der Weg, um der eindeutig konservativen und autoritären Bedrohung entgegenzutreten und sie abzuwenden. Denn ihr Ziel ist es, ihre eigene ideologische Agenda gegen die allgemeinen Bürgerrechte und ein autoritäres und ausgrenzendes Regime im Dienste der Machthabenden durchzusetzen.”

“Wir verpflichten uns, mit unseren Vorschlägen und Positionen an einem breit angelegten nationalen Dialog teilzunehmen, ausgehend von den verschiedenen Regionen im Land. In Erwartung der Einsetzung einer neuen Regierung wollen wir so einen Konsens über kurz- und mittelfristige Strategien erreichen.”

Die Unterzeichnenden fordern Vertreter*innen der Vereinten Nationen, der Europäischen Union und der Vereinigung amerikanischer Staaten (OAS) zu Aufmerksamkeit und Stellungnahme auf, “um zu verhindern, dass die Stigmatisierung der sozialen Proteste und deren gewaltsamen Unterdrückung sich zuspitzen.“

 

Agrarindustrie und Mennoniten wollen das Forstgesetz schwächen

Die Nachrichtenplattform OjoPúblico hat aufgedeckt, dass es verschiedene Treffen zwischen Kongressabgeordneten, die das peruanische Forstgesetz schwächen wollen, und Organisationen, die enge Beziehungen zur Agrarindustrie pflegen, Mennonitenführern und Organisationen der Kaffeebauern gab.

Zur Enthüllung kam es zu dem Zeitpunkt, als der Kongress einen Gesetzentwurf diskutierte, der den amazonischen Regenwald bedroht. Stimmen aus der Regierung, von Fachleuten sowie von indigenen Völkern, die sich gegen das Gesetzesvorhaben aussprechen, werden ignoriert.

Bekannt geworden ist etwa ein Treffen des Abgeordneten Ilich Fredy López von Acción Popular mit Salvith Ojanama von der Coordinadora por el Desarrollo de Loreto (CDL) im Juli 2022.

Die CDL ist eine Organisation, die sich gegen die Ratifizierung des Escazú-Abkommens ausspricht und die Existenz indigener Völker in der Region Loreto, die in freiwilliger Isolation und in Erstkontakt leben, leugnet.

Ebenso wurde ein Treffen zwischen Beliceño Klassen Jacob und Raúl Lunasco Cabezas, Mitglieder der mennonitischen Kolonie, mit dem Berater der Agrarkommission des Kongresses, Elvis García Torreblanca, zur gleichen Zeit, bekannt. Die Mennoniten sind eine religiöse Organisation, gegen die wegen Abholzung im peruanischen Amazonasgebiet ermittelt wird. Ein weiterer ihrer Anführer traf sich im August mit einem Büromitarbeiter des Kongressabgeordneten Miguel Ángel Ciccia von Renovación Popular, Mitglied des Agrarausschusses, der den Gesetzentwurf vorgelegt hat.

 

Desinformationskampagnen zur Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen

Eine Kampagne falscher Informationen über indigene Völker in Isolation und Erstkontakt (PIACI) wurde von Gruppen mit einem starken wirtschaftlichen Interesse an der Ausbeutung des Amazonas gefördert. Die Kampagne enthält Informationen, die eine Annullierung der offiziellen Anerkennung der PIACI rechtfertigen soll, was die fortschreitende Auslöschung und den Völkermord an der PIACI, einer der am stärksten gefährdeten menschlichen Gruppen auf dem Planeten, bedeuten würde.

Laut AIDESEP (Interethnische Vereinigung für die Entwicklung des peruanischen Regenwaldes) dient dies dem Kongress, Gesetze durchzubringen, die die PIACI bedrohen könnten. Genauer handelt es sich um das Projekt 3518 des Fujimori-Kongressabgeordneten Jorge Morante, das darauf abzielt, regionale Regierungen zu ermächtigen und bestehende indigene Reservate aufzuheben. AIDESEP fordert dazu auf, sich nicht täuschen zu lassen und die Zustimmung zu dem Gesetz nicht zuzulassen.

 

Titicacasee zum 2. Mal „Bedrohter See des Jahres“

Der Titicacasee ist zum zweiten Mal nach 2021 zum „Bedrohten See des Jahres“ erklärt worden. Den Titel vergaben der Global Nature Fund (GNF), eine internationale Stiftung für Umwelt und Natur mit Sitz in Radolfzell, und das Netzwerk „Living Lakes“ mit der Begründung, dass die Umweltbelastung für den See weiter zunehme. Abwässer aus den Städten Puno und Juliaca sowie El Alto (Bolivien), Pestizide aus der Landwirtschaft und Schwermetalle aus teilweise illegalem Bergbau verschmutzen den See. Fische und Frösche sterben, Arten verschwinden. Der See stellt zudem das Trinkwasserreservoir für zwei Millionen Menschen dar. 

Quelle: Badische Zeitung vom 3.2.23

 

Werner Herzog erhält vom ultrarechten Bürgermeister die Ehrenurkunde von Lima

Rafael López Aliaga, der ultrarechte Bürgermeister von Lima, der den Erinnerungsort „Lugar de la Memoria“ frontal angegriffen hat, lobt Werner Herzog als einen der ganz Großen des Weltkinos. Zwei seiner vielen Filme wurden in Peru gedreht. Ob Werner Herzog sich dessen bewusst war, von wem er sich da ehren ließ?

 

Interessenskonflikte beim Sanktionsverfahren gegen den Erdölkonzern Repsol

Die Zeitung La Republica deckt Interessenkonflikte im Rahmen der sieben Sanktionsverfahren gegen den Erdölkonzern Repsol auf, die von der Umweltbehörde OEFA (Organismo de Evaluacion y Fiscalisacion Ambiental) eingeleitet wurden und Geldbußen von mehr als 70 Millionen Soles (16,8 Mio. Euro) nach sich ziehen würde. 

OEFA macht den Erdölkonzern für die ein Jahr zurückliegende Katastrophe des Auslaufens von 11.000 Barrel Öl an der peruanischen Küste verantwortlich.

Nachdem der spanische Konzern im Juli 2022 schon gegen die erste Sanktion über 5 Millionen Soles Berufung eingelegt hatte, wurden auch von den weiteren eingeleiteten Disziplinarverfahren bereits gegen drei Berufung eingelegt. La Republica legt nun offen, dass die technische Sekretärin der TFA (Trade Facilitation Agreement Database), Angélica María García Gilio, die Ehefrau von Adolfo Eugenio Huapaya Venegas, Ingenieur für Arbeitshygiene und Sicherheit von Repsol, ist. Trotz Forderungen seitens OEFA, sie von dem Fall auszuschließen, blieb García in ihrer Funktion. Dieser Interessenkonflikt könne verwaltungsrechtliche bis strafrechtliche Ermittlungen gegen García nach sich ziehen, so der Anwalt der SPDA (Sociedad Peruana de Derecho Ambiental). Nun werden Forderungen laut, die OEFA solle die Geldbußen neu berechnen. Die durch die Ölpest verursachte ökologische und humanitäre Krise betrifft laut Oceana Peru eine halbe Million Peruaner*innen, die mit dem Meeresökosystem verbunden sind.

 

Prüfung der Einhaltung der Menschenrechte: peruanischer Staat darf sich nicht weiter zurückentwickeln

Am 25. Januar wurde der peruanische Staat vom UN-Rat für Menschenrechte untersucht. Bereits bei der letzten UPR 2017 wurden Rückschläge registriert und daher eine Reihe an Forderungen an den peruanischen Staat formuliert, welche nun vorab von Amnesty International geprüft wurden – dabei kam es zu Vorwürfen von systematischen Menschenrechtsverletzungen und zu Forderungen an den peruanischen Staat, zur Bekämpfung der angeführten Vorwürfe nationale Strategien zu entwickeln. Einer der wesentlichen Punkte ist die Gewaltbereitschaft bei Demonstrationen, die durch die zahlreichen Todesfälle im Zusammenhang mit der Unterdrückung sozialer Proteste (45 Zivilisten vom 7. Dezember 2022 bis heute) sichtbar wurde. Eine Aufklärung und zivilrechtliche Bearbeitung der Fälle sei nötig.

Daneben verstärkt sich auch die Gewalt gegen Frauen, wogegen ein spezielles Fahndungssystem zur Verhinderung von Femiziden, sexueller Gewalt und Menschenhandel vom peruanischen Staat implementiert werden müsse.

Zudem kommt es auch im Kontext Migration immer wieder zu struktureller und systemischer Diskriminierung und Rechteverweigerung, vor allem was Menschen venezolanischer Herkunft betrifft. Auch LGBTQ- Rechte werden nicht anerkannt – die gleichgeschlechtliche Ehe ist etwa verboten und es gibt kein Dokument, das etwa die Identität der Transgender-Bevölkerung widerspiegelt. Weitergehend kommt es gerade in jüngerer Zeit zur Aufhebung gewisser Gesetze, die Menschenrechte schützen: Etwa weniger Einschränkung bei der Anwendung von Polizeigewalt oder Änderungen von Materialien für die Sexualaufklärung, welche eine Aufklärung mit einem Gender- und Menschenrechtsansatz gefährden.

Die Prüfung fand am 25. Januar um 9:00 statt und kann hier eingesehen werden. 

 

Gelöschte Erinnerung

Am 5. Januar wurde in Lima im Stadtteil Barranco das politische Wandbild der Landwirtin Máxima Acuña, Umweltschützerin und Aktivistin gegen das Minenprojekt Conga in Cajamarca, unerwartet mit einer dicken Schicht gelber Farbe überzogen.

Die neue Bürgermeisterin von Barranco, Jessica Vargas von der ultrarechten Partei Renovación Popular, beschloss, ihre Bürgermeisterverwaltung auf diese Weise zu beginnen.

 

Amnesty International beklagt tödliche Repression während der Proteste

Am 16. Februar 2023 stellte Amnesty International in Lima die vorläufigen Ergebnisse seiner Recherchen zu den bei den Protesten in Andanhuaylas, Ayacucho und Chinchero ermordeten Menschen dar. Amnesty wirft der Polizei exzessiven Gewalteinsatz  und Menschenrechtsverletzungen vor. Diese können  strafrechtlich geahndet werden muss und politische Verantwortliche zur Rechenschaft gezogen.  80% der Getöteten waren Quechua oder Aymara. Deswegen spricht Amnesty auch von rassistischer Gewalt.

Die vorläufige Ergebnisse der Untersuchungen sind hier zusammengefasst 

 

 

Zusammengestellt von Svenja Pesch, Heinz Schulze Annette Brox, Hildegard Willer