Wie gut sind deutsche Unternehmen in Peru auf das Lieferkettengesetz vorbereitet?

Die NRO Equidad hat sieben in Peru tätige deutsche Unternehmen daraufhin angeschaut, ob sie die Anforderungen des neuen Lieferkettengesetzes erfüllen.

 

Am 1. Januar 2023 trat das Lieferkettengesetz[1] größtenteils in Kraft. Damit entstehen weitere menschenrechtsbezogene und umweltbezogene Verpflichtungen für deutsche Unternehmen in Peru.  Kurz nach dem Inkrafttreten der neuen Regelung stellt sich die Frage, wie gut die in Peru tätigen deutschen Unternehmen darauf vorbereitet sind.

Gemäß dem Lieferkettengesetz müssen Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten seit Januar 2023 und Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten ab Januar 2024 in ihren Lieferketten menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten in angemessener Weise beachten.

Bericht zur Situation der Menschenrechte von Peru EQUIDAD

Zur aktuellen Situation der Menschenrechte u.a. in den Unternehmen Monsanto-Bayer, Heinz-Glas, Artesco, Faber Castell, Aurubis und Siemens hat die Nicht-Regierungsorganisation Peru EQUIDAD am 8. November einen Bericht öffentlich präsentiert.[2] Der Bericht zeigt ein gemischtes Bild, insbesondere im Hinblick auf Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer*innen und deren Freiheit, Gewerkschaften zu bilden (Koalitionsfreiheit). Während der Pressekonferenz am 8. November 2022 berichteten zudem Gewerkschaftsvertreter*innen von Monsanto von ihren Erfahrungen und forderten die deutschen Unternehmen dazu auf, ihre Arbeitsweisen dem Lieferkettengesetz entsprechend anzupassen.

Dem Bericht zufolge, welcher in erster Linie auf Interviews mit Gewerkschaftsmitgliedern und öffentlich zugänglichen Informationen beruht, bestehen insbesondere drei große Herausforderungen: Erstens mangele es an einem angemessenen Dialog zwischen Unternehmen und Arbeitnehmer*innen. Der Bericht beschreibt ein oft gewerkschaftsfeindliches Klima. Zweitens fehle es in einem der untersuchten Unternehmen insgesamt an einem Sorgfaltspflichtenverfahren. Drittens mangele es an Transparenz, so dass sich die Einhaltung der Standards durch die Zivilgesellschaft nur schwer überprüfen lasse.

Von den sieben genannten Unternehmen (Monsanto-Bayer, Heinz-Glas, Artesco, Faber Castell, Aurubis und Siemens) hatte sich laut EQUIDAD allein Heinz-Glas bereit erklärt, sich mit EQUIDAD zu treffen und über die Umsetzung von Sorgfaltspflichten zu sprechen.  Laut EQUIDAD sollen Aurubis und Siemens die Anfrage beantwortet haben, von Monsanto-Bayer, Artesco und Faber Castell hätten sie jedoch keine Antwort erhalten. Auf Bitte um Stellungnahme der Infostelle Peru an Monsanto-Bayer, Heinz-Glas, Artesco, Faber Castel und Siemens hat bisher nur Faber Castell geantwortet. In Bezug auf die Kupferraffinerie Aurubis in Hamburg haben die  Kampagne Bergbau Peru, der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre und die Infostelle Peru eine Anfrage im Zusammenhang mit der Hauptversammlung der Aktionär*innen am 16. Februar gestellt. Sollten weitere Antworten kommen, wird die Infostelle darüber berichten.

Der aktuelle Stand der Umsetzung von Sorgfaltspflichtverfahren

Laut der Deutsch-Peruanischen Industrie- und Handelskammer sind von der Regelung rund 200 Unternehmen in Peru betroffen. Allerdings erscheint diese Zahl hoch gegriffen. Die Regelung bindet in Deutschland erst einmal nur ca. 900 Unternehmen und ab 2024 etwa 4800 Unternehmen.[3]

 

Laut EQUIDAD hatten zu dem Zeitpunkt noch nicht alle untersuchten deutschen Unternehmen in Peru ein entsprechendes Sorgfaltspflichtenverfahren. Siemens schien nach Ansicht von EQUIDAD das Unternehmen zu sein, das am besten auf die neuen Vorschriften vorbereitet ist. Die Firma Heinz-Glas z.B., ein Familienunternehmen aus dem oberfränkischen Kleintettau und weltweit führender Hersteller von Parfümflakons aus Glas, hatte noch kein Verfahren zur Durchführung von Risikoanalysen, Präventions- und Abhilfemaßnahmen in Peru.

Bezüglich Aurubis sei nicht klar, ob das bestehende Sorgfaltspflichtenverfahren auch in Peru umgesetzt würde. Sowohl Monsanto-Bayer (Human Rights Policy[4]) als auch Aurubis (Human Rights Commitment[5]) verpflichten sich in separaten Dokumenten zur Einhaltung bestimmter menschenrechtlicher Standards. Monsanto-Bayer gibt beim peruanischen Wirtschafts- und Finanzministerium an, ein Beschwerdeverfahren im Bereich Menschenrechte zu haben; dieses sieht allerdings keinen zeitlichen Rahmen vor, wann solche Beschwerden seitens Bayer beantwortet werden müssen.[6]

Zwischen gewerkschaftsfeindlichen Praktiken und Dialog

Besorgniserregend erscheint die Situation der Gewerkschaften in Peru. EQUIDAD wies auf gewerkschaftsfeindliche Praktiken hin, welche von Schikanen bis hin zu Anreizen für die Kündigung von Gewerkschaftsmitgliedern reichten.

Das neue Sorgfaltspflichtgesetz verpflichtet deutsche Unternehmen u.a. auch dazu, mögliche Verletzungen der Koalitionsfreiheit in der Lieferkette zu beenden. Die Koalitionsfreiheit ist zudem ein durch die UN-Menschenrechtserklärung[7] und den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte[8] geschütztes Menschenrecht.

Das Lieferkettengesetz dürfte deutsche Unternehmen in Peru darüber hinaus auch dazu verpflichten, einen angemessenen Dialog mit Arbeitnehmer*innen zu pflegen. Dies ist zwar nicht ausdrücklich im Gesetz geregelt. Die Anwendung des Lieferkettengesetzes orientiert sich jedoch an den UN-Leitprinzipien zu Wirtschaft und Menschenrechten.[9] Diese sehen vor, dass Unternehmen menschenrechtliche Risiken im Rahmen von Konsultationen von potenziell betroffenen Gruppen ermitteln und bewerten.[10] Auch im Rahmen von außergerichtlichen Beschwerdeverfahren setzen die UN-Leitprinzipien auf einen Dialog zwischen betroffenen Gruppen.[11]

Die Schilderungen der Gewerkschaftsvertreter*innen bei der von EQUIDAD anberaumten Pressekonferenz deuteten allerdings darauf hin, dass ein solcher – notwendiger – vertrauensvoller Dialog eine der größeren Herausforderung bei der Umsetzung des Lieferkettengesetzes werden könnte.

Mangelnde Transparenz

Das Lieferkettengesetz und die UN-Leitprinzipien zu Wirtschaft und Menschenrechten verpflichten zwar nicht zur Offenlegung der Lieferkette, sondern respektieren gängige Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Unternehmen. Trotzdem können Betroffene und Zivilgesellschaft nur bei genügend Transparenz über die Lieferanten auf mögliche Missstände hinweisen und so Unternehmen bei einer Risikoanalyse unterstützen.

Das Problem betonte EQUIDAD beispielsweise im Hinblick auf Aurubis, dem zweitgrößten Kupferhersteller der Welt mit Sitz in Hamburg. Laut dem letzten Nachhaltigkeitsbericht stammen 16% des Kupfers aus Peru.[12] Jedoch mangelt es an öffentlichen Informationen zu der genauen Lieferkette, insbesondere aus welchen Minen Aurubis das Kupfer erhält.[13] Gerade im Zusammenhang mit Kupferminen kommt es oft zu erheblichen Umweltbelastungen und Gesundheitsgefährdung der Bevölkerung, etwa durch Schwermetalle.[14] Umso wichtiger ist es, auf mögliche Menschenrechtsverletzungen hinzuweisen und auf entsprechende Akteure zugehen zu können. Auch die Kampagne Bergbau Peru weist gemeinsam mit dem Dachverband Kritische Aktionärinnen und Aktionäre in einer aktuellen Pressemeldung auf fehlende Transparenz hin.

 

Weitergehende Regelung bald auf EU-Ebene?

Gleichzeitig wird mit Spannung eine verbindliche Regelung auf EU-Ebene erwartet, welche weitere Unternehmen in Peru binden würde. Schließlich hatte im Februar 2022 die Europäische Kommission einen Vorschlag über eine Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit veröffentlicht (CSDDD).[15] Über die genaue Reichweite der Verpflichtungen wird derzeit mit dem Ziel verhandelt, das EU-Lieferkettengesetz noch in diesem Jahr zu verabschieden.[16]

Anna Kohte

 

Anmerkungen:

[1] Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten vom 16. Juli 2021. Abrufbar auf <http://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl&jumpTo=bgbl121s2959.pdf>. Zuletzt abgerufen am 9.1.2023.

[2] Der Bericht ist auf folgender Seite abrufbar: <https://equidad.pe/publicacion/derechos-humanos-debida-diligencia-y-cadenas-de-suministros-de-empresas-alemanas-que-operan-en-el-peru/>. Zuletzt abgerufen am 28.11.2022.

[3] Nach Angaben des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, abrufbar auf <https://www.bmz.de/de/themen/lieferkettengesetz>. Zuletzt abgerufen ab 28.11.2022.

[4] Abrufbar auf <www.bayer.com/sites/default/files/2020-04/bayer-human-rights-policy.pdf>. Zuletzt abgerufen ab 28.11.2022.

[5] Abrufbar auf <https://aurubis.com/dam/jcr:1d7b73c0-4a54-4b96-8825-46d68635e126/aurubis_human-rights-commitment_2021_03.pdf>. Zuletzt abgerufen ab 28.11.2022.

[6] Reporte de Sostenibilidad Corporativa Bayer S.A. 2021 <www.smv.gob.pe/ConsultasP8/temp/FichaRS_41_20220318132358.pdf>. Zuletzt abgerufen ab 28.11.2022.

[7] Artikel 23 Abs. 4 UN-Menschenrechtserklärung vom 10. Dezember 1948.

[8] Artikel 22 Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19. Dezember 1966.

[9] Bundestags-Drucksache 19/28649, Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten, abrufbar auf <https://dserver.bundestag.de/btd/19/286/1928649.pdf>. Zuletzt abgerufen ab 28.11.2022.

[10] Auch § 4 Abs. 4 des Lieferkettengesetzes sieht ähnliches vor: “Das Unternehmen hat bei der Errichtung und Umsetzung seines Risikomanagementsystems die Interessen seiner Beschäftigten, der Beschäftigten innerhalb seiner Lieferketten und derjenigen, die in sonstiger Weise durch das wirtschaftliche Handeln des Unternehmens oder durch das wirtschaftliche Handeln eines Unternehmens in seinen Lieferketten in einer geschützten Rechtsposition unmittelbar betroffen sein können, angemessen zu berücksichtigen.”

[11] Ich danke Claudia Müller-Hoff für viele hilfreiche Anmerkungen, insb. zur Rechtslage.

[12] Aurubis AG, Sustainability KPI Update 2020/21, S. 3. Abrufbar auf <https://aurubis.com/en/dam/jcr:59b691bb-b4e4-4e74-b561-70812451531c/Aurubis_Sustainability%20KPI%20Update_20_21.pdf>. Zuletzt abgerufen ab 28.11.2022.

[13] Siehe dazu bereits “Hauptversammlung bei Aurubis: Aus welchen Minen kommt das nach Deutschland importierte Kupfer?“, Kampagne „Bergbau Perú – Reichtum geht, Armut bleibt”, 10. Februar 2021, abrufbar auf <www.kampagne-bergwerk-peru.de/aktuelles/hauptversammlung-bei-aurubis-aus-welchen-minen-kommt-das-nach-deutschland-importierte-kupfer/>. Zuletzt abgerufen ab 28.11.2022.

[14] Siehe z.B. Sophia Boddenberg, Deutschlandfunk Kultur, Der Hohe Preis für unser Kabel, 17. Januar 2023, abrufbar auf www.deutschlandfunkkultur.de/hoher-preis-fuer-unsere-leitungen-100.html. Zuletzt abgerufen am 27. Januar 2023.

[15] Europäische Kommission, Proposal for a Directive on Corporate Sustainability Due Diligence and Annex vom 23. Februar 2022, abrufbar auf <https://ec.europa.eu/info/publications/proposal-directive-corporate-sustainable-due-diligence-and-annex_de>. Zuletzt abgerufen ab 28.11.2022.

[16] Euractiv, EU member states fight over scope of due diligence directive, János Allenbach-Ammann, <www.euractiv.com/section/economy-jobs/news/eu-member-states-fight-over-scope-of-due-diligence-directive/>. Zuletzt abgerufen am 28.11.2022; CSR, Lieferketten-Gesetzesinitiative der EU

<www.csr-in-deutschland.de/DE/Wirtschaft-Menschenrechte/Europa/Lieferketten-Gesetzesinitiative-in-der-EU/lieferketten-gesetzesinitiative-der-eu.htmlxo>. Zuletzt abgerufen am 27.01.2023.