Die staatseigene Raffinerie in Talara produziert weiterhin fossile Brennstoffe © Andina

Wie steht es um Menschenrechte und Klima in peruanischen Unternehmen?

Die Entwicklungsorganisation der UNO, UNDP, über die Umsetzung von Sorgfalts- und Klimaauflagen in peruanischen Unternehmen. 

 

Der „Nationale Plan für Wirtschaft und Menschenrechte”, der seit 2021 in Peru umgesetzt werden soll, beruht auf drei Leitprinzipien: Anerkennung der bestehenden Verpflichtungen der Staaten, die Menschenrechte und Grundfreiheiten zu achten, zu schützen und umzusetzen; die Rolle der Unternehmen als spezialisierte Organe der Gesellschaft, die besondere Aufgaben wahrnehmen und alle geltenden Gesetze einhalten und die Menschenrechte achten müssen; die Notwendigkeit, dass Rechte und Pflichten mit angemessenen und wirksamen rechtlichen Konsequenzen im Falle der Nichteinhaltung einhergehen.

Daniel Sánchez Velásquez, Koordinator des Projekts der UN-Entwicklungsorganisation UNDP “Wirtschaft und Menschenrechte” in Peru, und James Leslie, technischer Berater für Klimawandel und Ökosysteme des Entwicklungsprogramms der UNPD in Peru, erläuterten im Gespräch mit “OjoPublico” die Umsetzung dieser Fortschritte durch peruanische Unternehmen.

 

In Europa wird beispielsweise darüber diskutiert, die Einhaltung der Menschenrechte in ihrer gesamten Wertschöpfungskette zur Bedingung für Unternehmen zu machen.  Wie beurteilen Sie das Verhältnis zwischen Unternehmen und der Achtung der Menschenrechte in Peru? 

Daniel Sánchez (DS): Peru hat im Jahr 2021 seinen ersten Plan für Wirtschaft und Menschenrechte verabschiedet. Es handelt sich um einen sehr partizipativen Plan. Mehr als 135 Institutionen verschiedener Art – von Unternehmen, Wirtschaftsverbänden, indigenen Völkern, Gewerkschaften und staatlichen Vertretern – haben an seiner Erstellung mitgewirkt. Und das zeigt die Bereitschaft, Fortschritte in der verantwortungsvollen Unternehmensführung zunehmend zu berücksichtigen. Es gibt verschiedene Initiativen von Wirtschaftsverbänden, um ihre Unternehmen zu schulen und Fortschritte bei guten Praktiken in den Beziehungen zu ihren Endverbrauchern, aber auch zu den Gemeinden und der Umwelt, in denen sie tätig sind, zu erzielen.

In welchen Bereichen gibt es mehr Konflikte oder ist es für den Privatsektor schwieriger, diese Rechte einzuhalten?

DS: Die meisten sozialen Konflikte liegen im sozialen und Umweltbereich. Sowohl das Büro des Ombudsmanns als auch das Büro des Premierministers (PCM) sehen die Rohstoffindustrie wie Bergbau, Erdöl, Gas, Holzschlag usw. als Teil dieser Konflikte.

Wie prüft das UNDP die Einhaltung der Grundsätze durch die Unternehmen bzw. wie nimmt es diese Bewertung vor?

DS: Das UNDP hat mit Unterstützung der japanischen Regierung ein Projekt zur Förderung der Sorgfaltspflicht in 17 Ländern ins Leben gerufen, um sicherzustellen, dass mehr Unternehmen zunächst die Leitprinzipien kennenlernen und eine Bewertung ihrer Auswirkungen vornehmen können; aber vor allem, dass sie [die Verletzung] der Rechte, die ihre Tätigkeit potenziell hervorrufen kann, erkennen und diese abmildern.

Und beeinträchtigt oder schwächt die aktuelle politische Krise in Peru, die uns seit mehreren Jahren in Atem hält, die Fortschritte in diesen Bereichen?

DS: Jede Krise hat immer Auswirkungen auf die Aktivitäten, Maßnahmen und Projektziele. Im Allgemeinen haben wir jedoch festgestellt, dass die Arbeit mit den neuen regionalen Behörden gestärkt worden ist.

 

Was schlagen Sie im Rahmen der allgemeinen UNDP-Strategien vor, um die Achtung der Menschenrechte in einem Land wie Peru zu fördern, das einen hohen Grad an Informalität aufweist?

DS: Bei UNDP verfolgen wir im Rahmen des Projekts Wirtschaft und Menschenrechte mehrere Aktionslinien.  Die erste besteht darin, darauf hinzuwirken, dass der Plan als solcher den informellen Sektor in seine Arbeitslinien einbezieht. Deshalb arbeiten wir mit den Handelskammern zusammen, damit sie den Kreis der Unternehmen erweitern können, und zwar nicht nur die großen und mittleren Unternehmen, sondern auch die kleinen. Die Informalität ist wahrscheinlich das Szenario, in dem es die meisten Menschenrechtsverletzungen gibt. Wir sprechen hier nicht nur über Umweltfragen, sondern auch über Arbeitsfragen.

Welche Anreize gibt es für Unternehmen, um die Beteiligung an illegalen Aktivitäten, wie zum Beispiel im Holzsektor, zu verhindern?

DS: Es gibt heute einen internationalen Rechtsrahmen, der verstärkt wird. So gibt es beispielsweise ein Sorgfaltspflichtgesetz, das die deutsche Regierung erlassen hat. Und in der Europäischen Union wird darüber diskutiert, dass jedes Unternehmen, das auf dem europäischen Markt eine Dienstleistung erbringen oder ein Produkt verkaufen möchte, eine Sorgfaltspflicht erfüllen muss. Das bedeutet, dass Unternehmen, die in Europa eine Dienstleistung verkaufen oder erbringen wollen, in ihrer Wertschöpfungskette kein einziges Glied haben dürfen, das gegen ein Menschenrecht verstößt; und wenn dies doch der Fall ist, müssen sie den Schaden mildern, reparieren, entschädigen und beheben, wie es in den Leitprinzipien heißt.

Werden diese Maßnahmen auch in Peru gefördert, oder gibt es Fortschritte bei der Sorgfaltspflicht?

DS: Ja, im Allgemeinen wurden im Rahmen dieses nationalen Plans verschiedene Schulungsmaßnahmen durchgeführt. Verschiedene Institutionen, darunter die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) und das UNDP, haben bei der Entwicklung von Werkzeugen geholfen, die Unternehmen bei der Einhaltung der Sorgfaltspflicht in den Bereichen Agrarexport, Bergbau und Kohlenwasserstoffe unterstützen.
Das Interessanteste ist jedoch, dass seit einigen Monaten an Leitlinien für Klein- und Kleinstunternehmen gearbeitet wird, die als Ratgeber funktionieren sollen. Denn seien wir ganz ehrlich: Ein großes Unternehmen verfügt wahrscheinlich über ein Team, das sich mit Menschenrechtsfragen befassen kann; ein Anwalt, ein Manager, ein ganzer Apparat, der dem Unternehmen in Bezug auf diese Fragen Leitlinien an die Hand geben kann; aber Kleinst- und Kleinunternehmen haben das nicht. Oft ist der Manager derjenige, der sich darum kümmert, der die gesamte Kette ihrer Tätigkeit mit den Nutzern und der Lieferkette durchführt. Wir müssen also eine neue Methodik entwickeln, damit Klein- und Kleinstunternehmen den Anreiz verspüren, die Situation der Informalität oder in manchen Fällen sogar der Illegalität verlassen zu wollen.


Ein weiterer Punkt, der diskutiert wird, ist die Frage, wie wir Investitionen in saubere Energie in Ländern wie Peru anlocken können, die immer noch einen hohen Anteil an fossilen Brennstoffen produzieren.

James Leslie (JL): Wir wissen, dass Peru sich im Rahmen des Pariser Abkommens verpflichtet hat, erneuerbare Energien im Rahmen seiner Klimaherausforderung und seiner national festgelegten Beiträge [NDCs] zu fördern. Der Energiesektor ist einer der Sektoren, die Priorität haben, weil er eine der Hauptquellen für Treibhausgase in Peru ist. Es gibt eine globale Analyse, und es ist offensichtlich, dass der öffentliche Sektor in Peru nicht in der Lage sein wird, die Energiewende allein und unabhängig zu finanzieren; es sind auch private Investitionen erforderlich. Wir müssen also auch an finanziellen Anreizen arbeiten, und zwar von der Zentralbank, den öffentlichen Banken und den Privatbanken.
Gleichzeitig müssen die negativen Subventionen, die die Nutzung nicht erneuerbarer Energien fördern, überprüft werden.

Welche nachhaltigen Kriterien sollten Banken oder Investmentfonds für Investitionen in Unternehmen der fossilen Energiewirtschaft haben?

JL: Ich denke, wir beobachten, dass Finanzinstitute und der Finanzsektor ihre eigenen Rahmen für Sozial- und Umweltstandards entwickeln, und viele private Unternehmen gehen auch Ziele und Verpflichtungen im Rahmen des Pariser Abkommens ein.
Es gibt also einen zunehmenden Trend, dass der Finanzsektor und der Privatsektor auf die Allgemeinen Verpflichtungen zur Energiewende und zu Netto-Null-Emissionen bis 2050 eingehen. Damit wollen sie sicherstellen, dass ihre eigenen Geschäfts- und Finanzoperationen mit den Anforderungen des Pariser Abkommens selbst und den wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Begrenzung des Temperaturanstiegs auf maximal 1,5 °C übereinstimmen.

Aber trotz der Projekte zur Umstellung auf erneuerbare Energien gibt es dennoch Unternehmen in der Branche der fossilen Brennstoffe, gegen die wegen Umweltverschmutzung ermittelt wird und die weiterhin Finanzmittel von Investmentfonds oder Banken erhalten…

JL: Wir sind der Meinung, dass im Finanzsektor – und generell auch im öffentlichen politischen Rahmen – hohe Sozial- und Umweltstandards gefördert werden sollten, damit sie von allen Akteuren eingehalten werden. Dies steht im Einklang mit den Bemühungen, die das Projekt „Wirtschaft und Menschenrechte” in diesem Bereich fördert, und auch mit der Koordinierung der Vereinten Nationen, die ebenfalls ihre eigenen Sozial- und Umweltstandards auf alle Kooperationsprojekte anwenden. Und wir sind der Meinung, dass dieser Rahmen von Sozial- und Umweltstandards relevant ist, sodass andere Akteure – unsere Partner und Nicht-Partner – ihn ebenfalls als Referenz betrachten können.

Gibt es Länder, die mehr Instrumente entwickelt haben, um Investitionen in saubere Energie anstelle von fossilen Brennstoffen zu fördern?

JL: Ja, es sind vor allem die Länder, die über einen ordnungspolitischen Rahmen und einen gestärkten institutionellen Rahmen verfügen, um Investitionen in saubere Energie zu erleichtern. Ich denke, wir können viele Beispiele finden, sowohl in den europäischen Ländern als auch in den Vereinigten Staaten selbst im Rahmen ihres jüngsten Gesetzes zur Wiederherstellung des Gleichgewichts nach dem Kalten Krieg. Es gibt viele Beispiele, aber das Wichtigste ist, dass man von diesen Rahmenbedingungen ausgeht, d. h. von der Planungspolitik und dem rechtlichen Rahmen, und dann beginnt, Finanzmechanismen zu finden, die die öffentliche und private Beteiligung an den Finanzierungsströmen für saubere Energie fördern.

Glauben Sie, dass es möglich ist, Umweltverpflichtungen wie die Verringerung der Produktion fossiler Brennstoffe vor dem Hintergrund einer gestiegenen Ölnachfrage aufgrund des Krieges Russlands gegen die Ukraine zu erreichen?

 JL: Peru hat Maßnahmen zur Erleichterung der Energiewende und einem energiepolitischen Rahmen, der Investitionen erleichtert, Priorität eingeräumt. Aber es gibt immer Spielraum, um einerseits die Investitionen zu erhöhen und gleichzeitig die steigende Nachfrage nach fossilen Brennstoffen zu befriedigen.

Das Land muss also seinen Planungsprozess unter Beteiligung der verschiedenen öffentlichen und privaten Akteure weiter vorantreiben, damit dieser Übergang beschleunigt werden kann, ohne die sozialen und wirtschaftlichen Unterschiede zu vergrößern.

Halten Sie es im Falle Perus also für sinnvoll, weiterhin in fossile Brennstoffe zu investieren?

DS: Abgesehen von der Frage, ob eine Aktivität rentabel ist oder nicht, müssen wir generell darauf achten, dass diese Aktivität in einem Rahmen von Respekt, Vertrauen und vor allem garantierten Rechten entwickelt wird. Denn was einen sozialen Konflikt auslöst, sind oft Faktoren des Misstrauens, Fehlinformationen oder Faktoren, zu denen es keine Perspektive mehr gibt, die mit der Entwicklung, die einige Menschen in diesem Gebiet haben, vereinbar ist. Ich denke, dass wir im Allgemeinen viel mehr Fortschritte machen und die Informalität in diesem Gebiet verringern würden, wenn wir irgendwie an Vertrauen, Information und der Suche nach Kompatibilität arbeiten könnten.

Originalinterview in Spanisch: https://ojo-publico.com/ambiente/pnud-toda-la-cadena-una-empresa-debe-respetar-los-derechos-humanos

 Aus dem Spanischen übersetzt und gekürzt von Svenja Pesch