Was Treptow-Köpenick mit dem Bergbau in Nordperu zu tun hat

 

Von Michael A. Schrick

Eine Städtepartnerschaft mit Peru – ganz schön mutig bei so einer weiten Entfernung! Erfahrungen mit Lateinamerika gab es mit Ausnahme der aus den Zeiten der Solidaritätsbrigaden übriggebliebenen Partnerschaften mit Nicaragua kaum. Die Partnerschaft von Ravensburg mit Huehuetenango in Guatemala lag am Boden und wir hatten keine Ahnung, was auf uns zukam. Andererseits – Köpenick war 1993 eine Verpflichtung mit der Lokalen Agenda 21 eingegangen, als erster Berliner Bezirk. Und die im Kapitel 28 geforderte Zusammenarbeit zwischen Kommunen des Nordens und des Südens war und ist Verpflichtung und Herausforderung. Eine gute Handvoll EnthusiastInnen war auch vorhanden, die Organisationen KATE (Kontaktstelle Umwelt und Entwicklung) und ASA (Arbeits- und Studienaufenthalte in Asien, Afrika, Lateinamerika) halfen uns bei unseren ersten Schritten, der Bezirksbürgermeister war auf unserer Seite und so ging es 1995 mit den ersten Kontakten im Rahmen der geplanten Städtepartnerschaft los.

Über die entwicklungspolitische Organisation KATE war schnell eine mögliche Partnerstadt gefunden, die praktisch niemand in Köpenick kannte: Cajamarca in den nördlichen Anden Perus – schöne Landschaft, 2700 Meter hoch gelegen, Hauptstadt des peruanischen Karnevals, bis auf Milch (Nestlé! Leche Gloria!) keine nennenswerte Industrieproduktion – mehr wussten wir eigentlich nicht. Gleichzeitig bildeten sich in Verwaltung und Zivilgesellschaft Köpenicks Strukturen zur bezirklichen Lokalen Agenda 21 heraus, darunter als institutioneller Rückhalt des Prozesses der Förderverein Lokale Agenda 21 Köpenick. Für die Städtepartnerschaft war von Anfang an klar, dass wir uns als Bestandteil des bezirklichen Agenda-Prozesses verstehen; das ist auch nach der Fusion mit Treptow geblieben und hat bis heute Bestand. 1995 lernten sich auch die beiden damaligen Bürgermeister, Lucho Guerrero aus Cajamarca und Klaus Ulbricht aus Köpenick, im Rahmen des Berliner Weltklimagipfels kennen und stellten fest, dass sich ihre Vorstellungen zu Themen wie kommunaler Umweltschutz, Nord-Süd-Zusammenarbeit, Bürgerbeteiligung und sozialer Verantwortung ziemlich nahe kamen und dass beide längst dabei waren, die Lokalen Agenden in ihrer Provinz und ihrem Bezirk durchzusetzen.

1997 kamen die ersten neugierigen Cajamarquin@s nach Berlin, teilweise im Rahmen des ASA-Programms. Die Besuche wurden wenige Monate später von den ersten InteressentInnen aus Köpenick erwidert. Pionier aus unserer Bezirksverwaltung in Cajamarca war im März 1998 der damalige Umweltamtsleiter, dessen mit Filzstift an die damals noch weiße Wand einer Musikkneipe geschriebene Begeisterung dort heute noch zu sehen ist. Ihm folgte zwei Monate später eine dreiköpfige Delegation aus Verwaltung (Klaus Ulbricht), Kirchen (Uwe Bauer) und Zivilgesellschaft (der Autor), die in kürzester Zeit mit ihren Partnern eine Partnerschaftsvereinbarung aushandelten und begeistert waren von Landschaft und Leuten, von Bürgerbeteiligung und aktiven NGOs.

Schnell war Einigkeit über die ersten gemeinsamen Projekte erzielt. Eine Partnerschaft auf Augenhöhe sollte (und soll) es sein, kein Partnerschaftstourismus der Honoratioren und die Lokale Agenda 21 in Cajamarca und (Treptow-)Köpenick soll vorangebracht werden. Jedes Jahr wurde ein neues ASASchwerpunktthema gefunden, von Praktika im Bereich der Umweltbildung über Sozialprojekte bis zum Ökologischen Fußabdruck. In einer deutsch-peruanischen Konferenz gab es interessante Informationen zum Thema Wasser. Staunend stellten wir fest, dass der Prozess der Bürgerbeteiligung in Cajamarca deutlich fortgeschrittener war als bei uns, sogar einen Bürgerhaushalt gab es, den wir damals erst mühsam in Köpenick durchzusetzen versuchten.

Nach und nach ergaben sich weitere gemeinsame Aktivitäten, etwa der Austausch von Jugendtheatern und Kindergärten, Praktika in den Berliner Wasserbetrieben, in weiteren Einrichtungen der Umweltbildung und in der Provinzverwaltung von Cajamarca, ein Schulaustausch, Sozialpraktika und eine Zusammenarbeit im Bereich Gesundheit und Menschen mit Behinderung, die im Lauf der Zeit mehr und mehr ins Zentrum der Partnerschaft rückte. Wir sind ausgesprochen stolz auf unseren Aktivposten, die pensionierte Köpenicker Amtsärztin Ida Beier, die in mittlerweile fünf Einsätzen maßgeblichen Anteil an der Stärkung der Gesundheitsversorgung der Partnerstadt hatte. Und im August 2012 startet bereits zum vierten Mal eine Abiturientin an einem in die Partnerschaft einbezogenen Gymnasium in Treptow-Köpenick zu einem Freiwilligen Sozialen Jahr im Behindertenprojekt der Asociación Santa Dorotea in Cajamarca.

Mittlerweile ist die Partnerschaft offiziell vierzehn – seit den ersten gemeinsamen Aktivitäten bereits siebzehn – Jahre alt, eine Zeit, in der sich in beiden Partnerstädten viel getan hat. In Cajamarca hat der Goldbergbau der Mine Yanacocha seit dem Beginn der Aktivitäten im Jahre 1994 die wirtschaftliche, soziale und Umweltstruktur der gesamten Region völlig umgekrempelt. Durch Zyanidlaugung werden in der größten Goldmine Lateinamerikas in 40 Kilometer Entfernung vom Stadtzentrum von einem Konsortium aus der Newmont Mining Corporation aus Denver (Colorado), der peruanischen Gesellschaft Buenaventura und mit einem fünfprozentigen Anteil der Weltbanktochter IFC Berge ausgehöhlt.

Die Bevölkerung ist gespalten in diejenigen, die durch einige zusätzliche Arbeitsplätze vom Bergbau profitieren, und diejenigen, die durch den Raubbau an der Natur die Wasserläufe, die Luft, den Boden und den sozialen Frieden bedroht sehen. Die Folgen des schlimmen Unfalls vom 2. Juni 2000, als ein Minen-Lkw auf einer Strecke von 40 Kilometern kilogrammweise Quecksilber verlor, das von der Bevölkerung in Unkenntnis mit bloßen Händen aufgesammelt wurde, sind immer noch nicht ausgestanden. Und an den sozialen Konflikten in und um Cajamarca, in denen es immer wieder Verhaftungen und Verletzte gibt, sind natürlich auch unsere zivilgesellschaftlichen Partner beteiligt.

So war es für mich als Gründungsmitglied der Städtepartnerschaft selbstverständlich, mich bei der Gründung der Kampagne „Bergbau Peru – Reichtum geht, Armut bleibt“ anzuschließen, die die deutsche Öffentlichkeit über die Hintergründe und Folgen des Bergbaus informiert (im Rahmen der ila 356/ Schwerpunkt Peru vorgestellt auf Seite 11). Die Zusammenarbeit mit (kirchlichen) Cajamarca-Partnerschaftsgruppen, einigen Hilfswerken und weiteren im Bereich Bergbau arbeitenden Organisationen sowie den Partnern in Peru befruchtet alle; aus verschiedenen Sichtweisen begleiten wir den Bergbau in den Regionen Perus durch Veranstaltungen, die Erstellung von Broschüren, eine Posterausstellung, die Organisation von Rundreisen und Lobbyarbeit im Bundestag.

Wurde anfangs meine Mitarbeit in der Bergbaukampagne noch eher belächelt und als meine Privatsache erachtet, so beginnt sich das allmählich zu ändern. Wer in Cajamarca gewesen ist (und das waren auch einzelne BezirkspolitikerInnen!), wurde unweigerlich mit dem Goldbergbau konfrontiert. Durch regelmäßige Updates in den halbjährlichen Broschüren der Städtepartnerschaft rückt das Bergbauthema weiter ins Bewusstsein nicht nur der Arbeitsgruppenmitglieder, sondern auch der Bezirksverordnetenversammlung und weiterer politischer Verantwortlicher. Eine vielen von uns bekannte in Cajamarca lebende junge Deutsche hält uns über die Auseinandersetzungen zum Projekt Conga (siehe ila 356) auf dem Laufenden. Auch von den Partnern in Cajamarca erhalten wir besorgte E-Mails mit der Bitte um Unterstützung. Und so kam mehr und mehr der Ursprungsgedanke einer Partnerschaft auf Basis der Agenda 21 hoch: die globale Verantwortung für Mensch, Umwelt und Natur für ein zukunftsfähiges 21. Jahrhundert (und natürlich alle weiteren Jahrhunderte) und für einen partizipativen dialogorientierten Umgang miteinander.

Übrigens hat die Städtepartnerschaft für einige von uns – die Zusammensetzung der Gruppe hat sich natürlich in 17 Jahren geändert – auch persönliche Konsequenzen gehabt: Ein Mitglied der Köpenicker Jugendtheatergruppe und ein Mitglied der Gruppe aus Cajamarca sind mittlerweile verheiratet, leben in Treptow und bringen sich aktiv in die zivilgesellschaftlichen Aktivitäten ein; einer der ersten Freiwilligen aus Cajamarca in Köpenick, ein gewisser Sergio Sánchez, der in meinem Garten schon Fußball gespielt hat, war Umweltdezernent der vorherigen Regionalregierung von Cajamarca und hat den Hauptartikel zum Bergbau-Schwerpunktthema in der letzten Städtepartnerschaftsbroschüre geschrieben.

Natürlich läuft nicht alles perfekt. In Peru werden alle vier Jahre nach den Kommunal- und Regionalwahlen alle Bürgermeister und Verwaltungen ausgetauscht, Wissen und Dokumente werden nur selten mitgenommen, so dass jede Verwaltung wieder bei Null anfängt. So galt es, nach Lucho Guerrero vier weitere Bürgermeister in Cajamarca von der Städtepartnerschaft zu überzeugen und vier Mal die Städtepartnerschaftsakten in der Verwaltung wieder aufzutreiben. Manch einer, der von einem Praktikum in Berlin nach Cajamarca zurückkehrte, fand seinen Schreibtisch in der Verwaltung von jemand anderem besetzt vor.

In Treptow-Köpenick ist die Städtepartnerschaft mittlerweile gut vernetzt: In Partner- und anderen Schulen, in Kindergärten und Senioreneinrichtungen, in Bezirksparlament und -verwaltung, in der Lokalen Agenda 21, Interkulturellen Gärten und Grünen Lernorten sowie im bezirklichen Bündnis für Demokratie und Toleranz pflegen wir einen intensiven Austausch und arbeiten teilweise aktiv mit. Trotz gelegentlicher Probleme ist für uns alle die Städtepartnerschaft auch nach siebzehn Jahren immer noch bereichernd. Wir hoffen auf viele weitere gemeinsame Aktivitäten, mit denen wir unseren Beitrag zu einer zukunftsfähigen Welt 20 Jahre nach Rio und zu gegenseitigem Verstehen leisten wollen.

Homepage: www.staepa-cajamarca.de

Kontakt:

Das ila-Heft 357 mit dem Schwerpunktthema «Städtepartnerschaften» kann – wie alle früheren ila-Ausgaben – zum Preis von 5 € (zuzüglich 0,5 € Porto) über www.ila-web.de bestellt werden.

Quelle: ila 357, Juli / August 2012, Seite 10-11