Alpakas im Colca-Tal ©Hildegard Willer

Lamas, Alpacas,Vicuñas: Perus Kameltiere

2024 ist das Jahr der Kameliden. In Peru leben fast 100 000 Menschen von der Aufzucht von Alpacas, Lamas und Vicuñas.

    

Nach offiziellen Angaben des peruanischen Ministeriums für landwirtschaftliche Entwicklung und Bewässerung (MIDAGRI) widmen sich in den Hochandengebieten, vor allem in Ayacucho, Arequipa, Apurímac, Cusco, Huancavelica und Puno, mehr als 92.000 Männer und Frauen aus dem ländlichen Raum der Aufzucht südamerikanischer Kameliden.

Dabei handelt es sich hauptsächlich um Alpakas (etwa 4 385 000), was einen Anteil von 80 % dieser Art weltweit ausmacht, sowie 30 % der weltweiten Lamas, 50 % Vikunjas und etwa 1 % der weltweiten Guanakos. Dies ist ein wichtiger Aspekt, den es zu berücksichtigen gilt, und zwar sowohl wegen der bedeutend großen Zahl an eingebundener bäuerlicher Bevölkerung, als auch wegen der Lage in einem besonderen natürlichen Ökosystem in großer Höhe (Páramo), das Nahrung für das Kamelidenvieh bietet. Sein Potenzial für die Wassergewinnung und als Anbieter von Umweltdienstleistungen ist unschätzbar. Nach Angaben von Ojo Público sind rund 160.000 Familien in diesem Sektor tätig, wenn man die verschiedenen Akteure der komplexen Wertschöpfungskette berücksichtigt, die sich hauptsächlich um die Alpakafaser dreht.

Dieses Jahr, 2024, ist das Internationale Jahr der Kameliden. In diesem Rahmen ist es angebracht, insbesondere von peruanischer Seite aus über die Problematik der südamerikanischen Kameliden nachzudenken. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Realität der bäuerlichen Gemeinschaften in den Hochanden, die es aus mehreren Gründen verdient, berücksichtigt zu werden.

Alpaka-Aufzuchtstation im Colca-Tal ©Hildegard Willer

Kamelzüchter*innen sind Kleinbäuer*innen

Erstens gehören die südamerikanischen Kamelzüchterfamilien zu den Männern und Frauen in der bäuerlichen Landwirtschaft, die weiterhin die große Bevölkerung des Landes mit Nahrungsmitteln versorgen. Und das, obwohl sie vernachlässigt werden und die Politik auf nationalem Niveau nicht hinterherkommt, ihre materiellen Lebensbedingungen zu verbessern und der zunehmenden Verschlechterung der natürlichen Produktionskapazität des Bodens und der Bereitstellung angemessener Wasserquellen entgegenzuwirken. Mehr als zwei Millionen ländliche Erzeuger*innen in über 6200 bäuerlichen Gemeinschaften sehen sich in ihrem Recht auf ein menschenwürdiges Leben verletzt. Mehr als 90 % von ihnen leben in den Anden, darunter auch die Gemeinschaften, die sich der Weidewirtschaft und der Aufzucht südamerikanischer Kameliden widmen.

Alpakazüchter*innen verdienen kaum etwas

Im speziellen Fall der Alpaka-Gemeinschaften, der wichtigsten Spezies für südamerikanische Kamelidenzucht in Peru, ist die Realität ähnlich und sogar noch schwieriger. Die Bemühungen um die Bewirtschaftung dieser Tiere, die eine einheimische genetische Ressource darstellen und in einem komplexen Ökosystem der Hochanden gezüchtet werden, führen zu äußerst unfairen Handelsbedingungen. Die Wertschöpfungskette von Kleidungsstücken, die aus Alpakafasern hergestellt werden, zeigt, wie wenig Rücksicht auf die bäuerlichen Familien genommen wird. Die nach einem Jahr Zucht erzielten produktiven Erträge belaufen sich auf nicht mehr als 5 Pfund Fasern pro Tier, was einem durchschnittlichen wirtschaftlichen Einkommen von etwa 75 Soles, etwa 17 Euro pro Jahr, entspricht. Das bedeutet, dass eine Familienherde von etwa 100 Tieren im günstigsten Fall etwa 7500 Soles oder 1700 Euro pro Jahr einbringt (625 Soles oder 150 Euro pro Monat). In diesem Zusammenhang sind eine Reihe negativer Faktoren zu berücksichtigen, wie z. B. vorzeitige Sterblichkeit, geringe Qualität und Quantität der Fasern aufgrund von Futtermittel- oder Gesundheitsmängeln oder genetischer Verschlechterung, Preisschwankungen und der Art der Marktnachfrage. In vielen Fällen wird die Fasergewinnung oder Schur alle zwei Jahre durchgeführt, was den wirtschaftlichen Nutzen um die Hälfte reduziert.

Den Wert schöpfen die Händler ab

Zweitens ist die Situation der Alpaka-Züchterfamilien ein deutliches Beispiel für die ungerechte internationale Wertschöpfungskette, die für die verschiedenen landwirtschaftlichen Produkte entsteht. Nach Angaben von Ojo Público exportiert Peru Alpakafasern im Wert von etwa 200 Millionen US-Dollar, die von einigen wenigen Unternehmen mit Sitz in Arequipa monopolisiert werden. Von dieser Gesamtsumme erhalten die Alpaka-Züchterfamilien, die das erste Glied in dieser millionenschweren Produktionskette sind, nicht mehr als 10 % der Gesamteinnahmen, und zwar im Rahmen eines unverhältnismäßigen und völlig ungerechten Tauschsystems. Dessen größte Nutznießer sind die Zwischenhändler (Aufkäufer, Lagerhalter, Einzel- und Großhändler), große, mittlere und kleine Unternehmen der Textilindustrie, Kunsthandwerker und Textilhersteller sowie in- und ausländische Vermarktungsagenten sind, die alle von einer Handvoll monopolistischer Konzerne geführt werden.

Klimawandel macht sich bemerkbar

Die Alpakazüchterfamilien sind auch von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen, die sie anfälliger für klimatische Phänomene in den Ökosystemen der Hochanden machen (etwa Frost, Schneefall, Hagelstürme, Dürren), mit denen daraus resultierenden Schäden für das Leben von Mensch und Tier und für die Wirtschaft der ohnehin schon verarmten und anfälligen Landbevölkerung. Der Rückgang der Feuchtgebiete als Wasserpuffer und der Weideflächen für die Ernährung sind die dramatischsten Indikatoren für die Auswirkungen des Klimas. Sie müssen mit Strategien zur Wiederherstellung der Ökosysteme der Hochanden angegangen werden.

Kamelidenzüchter fordern staatliche Unterstützung

Die auf die Aufzucht südamerikanischer Kameliden spezialisierten Gemeinschaften haben klare Forderungen formuliert, die nach wie vor unzureichend berücksichtigt werden. Sie reichen von der Stärkung ihrer Erzeugerorganisationen, fairen Preisen für die Fasern, dem Ausschluss von Zwischenhändlern, technischer und sanitärer Hilfe und verbesserten Schutzmechanismen für die Tiere, wie der Anpassung an den Klimawandel, bis hin zu einer besseren Grundversorgung der Bevölkerung, einschließlich angemessener Wohnungen und einer besseren Straßen- und Internetanbindung.

Dies sind vielfältige, gerechte und sachdienliche Forderungen, denen gegenüber der Staat sich nicht verpflichtet sieht, und sie daher nicht zu erfüllen gedenkt, obwohl dieser wichtige Teil der Bauerngemeinschaft im Laufe der Zeit nicht nur seine Produktionsfähigkeit, sondern auch seine kulturelle Widerstandsfähigkeit – einerseits als soliden Identitätsfaktor und andererseits bei der Schaffung von Lebensgrundlagen – bewiesen hat. Diese ermöglicht es ihnen, sich als Hüter und Verwalter dieser komplexen Ökosysteme der Hochanden zu erhalten. 

Alpakafleisch kann man essen

Die Diversifizierung der Nutzungsmöglichkeiten von Kameliden ist ein weiterer Aspekt, der im Rahmen der Möglichkeiten zur Verbesserung des Lebensunterhalts der Männer und Frauen, die diese uralte Tätigkeit ausüben, berücksichtigt und gelöst werden muss. Es sind nicht nur die Fasern für den Export, sondern auch das Fleisch für den menschlichen Verzehr, das zur Ernährungssouveränität beiträgt, und die Verarbeitung von Häuten für die Leder- und Kunsthandwerksproduktion, um nur einige Nutzungsmöglichkeiten zu nennen. All dies ist Teil dieser fairen Forderungen, die verschiedene rechtliche, infrastrukturelle, kapazitätsbezogene und vermarktungstechnische Bedingungen erfordern, unterstützt durch öffentliche Maßnahmen, die die Bedeutung des Sektors fördern.

Es sind vor allem Alpakazüchterinnen

Außerdem ist es erwähnenswert, dass die Alpakaproduktion hauptsächlich von Frauen betrieben wird. Nach Angaben von peruanischen Landwirtschaftsministeriums werden 60 % der Viehzucht (Zucht, Weidehaltung, Klassifizierung, Einstufung, Verkaufsverhandlungen usw.) von Frauen durchgeführt. Darüber hinaus übernehmen sie die traditionellen Aufgaben im Haushalt und bei der Kinderbetreuung, ohne dass diese Beiträge zum Gemeinschaftsleben in einem Kontext offensichtlicher machistischer und patriarchalischer Beziehungen anerkannt werden. Die Rückgewinnung der südamerikanischen Kameliden-Zuchtgemeinschaften setzt vor allem die Wertschätzung und Anerkennung der Rolle der Bäuerinnen voraus, die zu verschiedenen Vorteilen und Verbesserungen ihrer Lebens- und Arbeitsbedingungen sowie zu einer stärkeren Beteiligung der Frauen an den Entscheidungsprozessen in dem Gebiet führen.

Netzwerke über verschiedene Klimazonen hinweg

Zuletzt sollten die Probleme der Alpaka-Gemeinschaften in eine Perspektive des Regierens und der territorialen Entwicklung eingebettet werden, die nicht nur die hochandinen Ökosysteme der Weidewirtschaft und der Kamelzucht berücksichtigt, in denen so gut wie keine Landwirtschaft betrieben wird. Die anderen Höhen- oder ökologischen Ebenen, mit denen sie interagieren, müssen einbezogen werden, indem sie größere Prozesse der Artikulation, des Austauschs und des gegenseitigen Nutzens fördert. Damit werden die menschlichen Kapazitäten und die Nutzung der natürlichen Ressourcen, die jedes Gebiet besitzt, gestärkt, wie es vor der Kolonialzeit der Fall war. Das bedeutet, dass die bäuerlichen Viehzucht- und Landwirtschaftsgemeinschaften, die ländlichen Erzeuger-, Jugend- und Frauenorganisationen, die kommunalen Behörden und andere Organisationen sowie die Produktions- und Dienstleistungssektoren ihre Kräfte bündeln und demokratische, integrative und gerechte Entscheidungen über die Bewirtschaftung der verschiedenen Ökosysteme, die ihr Gebiet ausmachen, treffen.

Schließlich sollten die Menschen, die sich seit jeher um die Pflege und Bewirtschaftung dieser wertvollen und und für Peru so typischen Tierbestände kümmern, mehr Anerkennung erfahren. Es wäre auch angebracht,, dass die Hochandengemeinschaften, die südamerikanische Kameliden züchten, zum kulturellen Erbe der Nation erklärt werden. Und dass die Alpacas, Lamas und Vicunhas als Teil der einheimischen Biodiversität, vom Staat geschützt werden, ebenso die Menschen, die sich um sie ekümmern.

Carlos Herz Sáenz

Übersetzung: Svenja Pesch

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