An den Demos in Lima sind Menschen aus den südlichen Provinzen Puno, Cusco, Ayacucho, Apurimac ebenso präsent. Für ihre Reise nach Lima haben die Dorfgemeinschaften und die Händler in den Städten gesammelt. Oft kommen die Demonstranten vom Land bei Verwandten in Lima unter. ©Vera Lentz
Proteste in Lima, Februar 2023. ©Vera Lentz

“Wir sind einfach ein Volk, das für seine Rechte demonstriert”

Ana Isabel aus Puno und Arnold aus Cusco berichten, warum sie bis nach Lima gekommen sind, um zu demonstrieren.

Die Proteste gegen die Regierung Boluarte sind schwächer geworden, aber sie dauern an. Mariella Schmidt, die derzeit als Freiwillige in Lima arbeitet, ist beeindruckt vom Engagement der Menschen, die aus den Provinzen nach Lima gekommen sind, um zu protestieren. Sie hat mit vielen Protestierenden gesprochen. Zwei am Telefon geführte Gespräche hat sie mit Unterstützung von Karla Fisch, einer ehemaligen Freiwilligen, für InfoPeru dokumentiert.

 

Ana Isabel Aguilar: „Es fühlt sich an wie eine Diktatur“

Ich bin Ana Isabel Aguilar Marin aus der Region Puno, Provinz Lampa. Dort bin ich regionale Präsidentin der Bauernvereinigung. Meine Landsleute und ich sind zusammen nach Lima gereist, um gegen die Unterdrückung und den Machtmissbrauch des Staates und für unsere Rechte zu protestieren.

Seit dem 7.12. sind wir – vor allem Quechua und Aymara Sprechende – sehr unzufrieden, weil Pedro Castillo, vom Volk gewählt, entführt wurde. Wir fühlen uns vom Staat im Stich gelassen. Die nationale Presse unterstützt ebenfalls den Staat und nicht uns. Es fühlt sich an wie eine Diktatur.

Durch das Protestieren in der Hauptstadt erhoffen wir uns internationale Aufmerksamkeit, und dass wir endlich gehört werden, dass Menschen durch alternative und internationale Presse die Wahrheit erfahren und wir nicht als Kriminelle dargestellt werden, indem  z. B. behauptet wird, wir hätten einen Polizisten verbrannt.

Im Januar dieses Jahres haben wir uns dann zusammengeschlossen um nach Lima zu fahren. Viele Menschen haben uns dafür Geld und Sachspenden mitgegeben, ca. 90.000 Soles sind zusammengekommen. In Lima waren wir dann ungefähr einen Monat, in dem es viele Verletzte oder zu Unrecht Festgenommene gab. Viele wurden dadurch verletzt, dass die Polizei z.B. mit Tränengasbomben direkt auf Körperteile wie den Kopf gezielt hat, was besonders viel Schaden anrichtet.

Ich wünsche mir, dass wir von der internationalen Presse gehört werden, unsere Mitmenschen auf der ganzen Welt uns hören und nicht wegschauen, und dass so Dina Boluarte zurücktritt und Verantwortung für das Handeln ihrer Regierung übernimmt.

Wir sind nämlich keine Terroristen oder Kriminelle. Wir sind einfach nur ein Volk, das für seine Rechte demonstriert und Gerechtigkeit will.

Arnold Aquiles Delgado Meza: „Ich kann nicht mehr wegsehen“

Ich bin Arnold Aquiles Delgado Meza, gelernter Psychologe aus Ollantaytambo in der Region Cusco. Vor drei Monaten kam ich mit einer Gruppe von 31 Personen aus meiner Heimatstadt Ollantaytambo nach Lima. Wir hatten uns seit Dezember 2022 zusammengetan und zuerst vor Ort protestiert und sind dann im Januar mit der Unterstützung unseres Dorfes in die Hauptstadt gereist, um die Proteste unserer Brüder und Schwerstern zu unterstützen.

Ich nehme an der Protestbewegung teil, da ich lange wenig aktiv war, jetzt aber die soziale Ungleichheit und Ungerechtigkeit gesehen habe und nicht mehr wegsehen kann.

In den fast drei Monaten hier in Lima habe ich unfassbar vieles von den Aktivist*innen über soziale Gerechtigkeit gelernt. Mit ihnen zu kämpfen und sie zu unterstützen gibt mir das Gefühl nicht machtlos gegenüber dieser Unterdrückung und Ungerechtigkeit zu sein.

Da ich mich in Ollantaytambo andine Naturheilkunde praktiziere und Psychologie studiert habe, engagiere ich mich in Lima vor allem in der medizinischen und psychologischen Betreuung der Menschen. Viele sind traumatisiert von der Gewalt, den prekären Lebensbedingungen und verletzt durch die Tränengasbomben, die auf die Demonstrant*innen geworfen werden.

Viele von uns kämpfen für und wünschen sich einen transparenten Dialog zwischen Regierung und der Bevölkerung. Ich wünsche mir, dass die Regierung die Rechte und Meinungen der Bevölkerung aus den Provinzen hört und vor allem eine bessere Bildung für alle ermöglicht, die kulturelle Vielfalt Perus anerkennt und den Willen der Bevölkerung repräsentiert. Viele Menschen fordern auch eine strafrechtliche Untersuchung des Vorgehens der Regierung gegen die Demonstrierenden und den Rücktritt von Präsidentin Dina Boluarte.

Für die Zukunft wünsche ich mir mehr Zusammenhalt und Solidarität mit den Aktivist*innen und innerhalb der Gesellschaft. Wir müssen einander unterstützen und Hand in Hand zusammenarbeiten und die Stimmen aller hören und vor allem aufhören uns gegenseitig zu entmenschlichen und weiter zu spalten.

Hierzu kann jeder einzelne auf seine eigene Art und Weise beitragen, zum Beispiel durch das Verbreiten der Informationen über die gewaltsame Repression bei den Protesten gegen die Regierung in Lima und im gesamten Land.

Zusammengestellt und übersetzt von Mariella Schmidt