Kurz gemeldet – Juni 2023

Eine neue Epidemie, Tote im Bergbau, Venezolaner*innen in Peru, Menschenrechtsberichte und rechtsradikale Gruppen in Peru…..

Dengue-Fieber fordert mindestens 121 Todesopfer

Peru weist so viele Dengue-Fälle auf wie seit Jahren nicht mehr. Fast 100 000 bekannte Dengue-Infektionen und 121 Tote  hat das Dengue-Fieber bisher gefordert. Stark betroffen sind die nördlichen Regionen Piura und Lambayeque. Aber auch in Lima ist die Zahl der Dengue-Infizierten mit 20.121 auf dem Höchststand. Grund der Dengue-Epidemie ist zum einen das Hochwasser, das durch den Zyklon  “Yaku” ausgelöst wurde und vor allem  Piura und Lambayeque stark betroffen hat. Zum anderen tragen die erhöhten Temperaturen zur Ausbreitung der Mücke bei, die das Dengue-Fieber überträgt.

Das Dengue-Fieber wird von der Mücke “Aedes Aegypti”  übertragen, die sich vor allem an stehenden Gewässern, Tümpeln oder Regentonnen aufhält und sich wiederum durch Stiche an bereits infizierten Menschen infiziert.  Obwohl 90% der Dengue-Fälle harmlos verlaufen, muss ca. 10% stationär behandelt werden. Weniger als 1% sterben an Blutungen, die durch das Dengue-Fieber ausgelöst werden.

Dem Fieber kann durch Desinfizierung der Mücken, Benutzung von Moskito-Netzen,Beseitigen von offenen Wasserbehältern und rechtzeitiger Flüssigkeitsgabe bei Infizierten vorgebeugt bzw. gemildert werden. Dass das Fieber dennoch so viele Todesopfer fordert, zeigt, wie unvorbereitet das peruanische Gesundheitsweisen auf die Krankheit ist.

Infolge der Klimaerwärmung ist damitzu rechnen, dass sich die Mücke “Aedes Aegypti” auch in Regionen ausbreiten wird, die bisher keine Dengue-Fälle aufwiesen.

Bergbautragödie: 27 Tote nach Brand in Mine von Arequipa

Bei einem Brand in einer Goldmine im Bezirk Yanaquihua, Provinz Condesuyo in der Region Arequipa, sind 27 Arbeiter bei einem Bergbauunfall ums Leben gekommen. Ersten Ermittlungen zufolge breitete sich das durch den Kurzschluss verursachte Feuer schnell auf die Holzsäulen und -balken aus, die die Schachtanlage stützen, und hinderte so die Arbeiter am Verlassen der Anlage. Der Eigentümer des Minenunternehmens Yanaquihua, Esteban Huamaní, begab sich daraufhin zu einem anderthalb Stunden entfernten Polizeiposten, um den Vorfall zu melden und um Hilfe zu bitten. Auf dem Gelände der Mine gibt es keinen Telefonanschluss. Die Rettungskräfte konnten nur noch den Tod von 27 Arbeitern bestätigen. Zwei weitere Personen konnten gerettet werden.

Das Bergbauunternehmen teilte mit, dass die Arbeiter beim Subunternehmer Servivol beschäftigt waren, einem auf Bergbauarbeiten spezialisierten Unternehmen. 175 weitere Arbeiter seien evakuiert worden und außer Gefahr. Angehörige der Opfer machten das Unternehmen für die schlechten Arbeitsbedingungen verantwortlich.

Das Grubenunglück in Arequipa ist nach den Statistiken des Ministeriums für Energie und Bergbau das schwerste in Peru seit dem Jahr 2000. Im Jahr 2021 starben 38 Menschen bei verschiedenen Bergbauunfällen.

Defensoría del Pueblo vom „Fujicerronismus“ erobert

Der Kongress hat in einem fragwürdigen Verfahren Josué Gutiérrez Cóndor, einen Rechtsanwalt und bis vor kurzem Berater von Perú Libre, zum neuen Defensor del Pueblo gewählt. Die staatliche Ombudsstelle Defensoría del Pueblo hat die Aufgabe, die verfassungsmäßigen Rechte zu schützen und die Erfüllung der Pflichten der öffentlichen Verwaltung zu überwachen.

Josué Gutiérrez ist ein Jurist ohne offensichtliche Qualifikationen für das Amt, da er weder akademische Verdienste noch eine Spezialisierung auf Menschenrechte vorweisen kann.

Gutiérrez war Anwalt von Vladimir Cerrón, des Parteivorsitzenden Perú Libre, der wegen Korruption verurteilt wurde. Seine Wahl wurde von Fuerza Popular, Alianza Para el Progreso, Acción Popular und Renovación Popular unterstützt. 88 von 130 Abgeordneten stimmten für ihn.

Das Auswahlverfahren fand ohne öffentliche Ausschreibung statt, die Bewerbungen erfolgten nur auf direkte Einladung der Parlamentsfraktionen.

Die Wahl von Gutiérrez komme einer Eroberung der Ombudsstelle Defensoría del Pueblo durch die Fuerza Popular und Perú Libre gleich, kritisiert das Nachrichtenportal Servindi. Die Allianz der beiden gegensätzlichen Parteien wird auch als „Fujicerronismo“ bezeichnet, in Anspielung auf die beiden Parteivorsitzenden Keiko Fujimori und Vladimir Cerrón.

Die Defensoría del Pueblo  war bisher eine der wenigen öffentlichen Institutionen in Peru, die autonom geblieben ist und für die Verteidigung der Menschenrechte einstand.

Rechtsextreme Gruppen greifen erneut IDL-Reporteros an

Rechtsextreme Gruppen haben am 5. Mai erneut gewaltsam das Gebäude des investigativen Nachrichtendienstes IDL-Reporteros angegriffen. Die Angreifer ließen Bomben platzen, warfen Leuchtraketen und Müllsäcke auf das Gelände. Es war der heftigste von vier Angriffen auf die Institution in den letzten vier Monaten. Er erfolgte zwei Tage, nachdem IDL-Reporteros eine Untersuchung veröffentlicht hatte, mit der eine auf Desinformation basierende Verleumdungskampagne gegen ihren Direktor Gustavo Gorriti und den Direktor der Zeitung La República, Gustavo Mohme, gestoppt wurde.

Der Angriff von mehr als 50 Rechtsextremen aus den Gruppen, die sich selbst „La Resistencia“ (Widerstand), „La Insurgencia“ (Aufstand) und „Los Combatientes“ (Kämpfer) nennen, dauerte anderthalb Stunden. Die Polizei traf erst spät am Ort des Geschehens ein und verhielt sich sehr zurückhaltend.

Die IDL-R sind überzeugt, dass der Angriff  „Ausdruck der mafiösen Reaktion auf die Stärke, Reichweite und Sorgfalt der durchgeführten Untersuchungen“ ist. Sie bekräftigten ihre Entscheidung, ihre investigative Arbeit zu intensivieren und auszuweiten.

Der Berufsverband der Journalist:innen, vertreten durch den Nationalen Journalistenverband (ANP), das Institut für Presse und Gesellschaft (IPYS) und andere, bekundeten nach dem Angriff ihre Solidarität mit der IDL-R. Am 6. Juni fand eine Solidaritäskundgebung statt, zu der verschiedene Gewerkschaften aufgerufen hatten.

Menschenrechtskommission der OAS bekräftigt außergerichtliche Exekutionen

Sie waren nicht die ersten, die das Vorgehen von Polizei und Militär gegen die Proteste vom Dezember 22 – März 2023 mit insgesamt 60 Toten als schwere Menschenrechtsvergehen verurteilten. Amnesty International, Human Rights Watch und einige internationale Medien hatten dies auch getan. Aber mit der Menschenrechtskommission der Organisation Amerikanischer Staaten hat nun auch eine hochoffizielle Stelle die Menschenrechtsvergehen der Regierung Boluarte verurteilt. Anfang Mai gab sie ihren Bericht zu den Vorkommnissen in Peru bekannt und sparte nicht mit harten Worten: Polizei und Militär seien während der Proteste unverhältnismäßig und mit tödlichen Waffen gegen Demonstranten vorgegangen. Die Suche nach den Verantwortlichen müsse unabhängig und zügig geschehen. Ob die peruanische Staatsanwaltschaft dazu willens ist, darf bezweifelt werden. Rechtsextreme Parlamentarier schlugen stattdessen bereits vor, dass sich Peru aus der Menschenrechtscharta der OAS verabschieden soll.

Umweltzerstörung im nationalen Interesse

Das peruanische Parlament macht intensiv mit der Zerstörung des amazonischen Regenwaldes weiter. Im parlamentarischen Verfahren sind einige Gesetze dafür anstehend:

Das bereits bestehende Gesetz für Wald und Fauna (Ley Forestal y de Fauna Silvestre – Gesetz Nr. 29736) so geändert werden, dass Abholzung, Landwirtschaft und illegaler Bergbau erleichtert würde.

Ebenso soll mit einer Änderung des Gesetzes über Nationalparks und andere Schutzgebiete (ANPs) die Ausbeutung von Bodenschätzen, z.B. Erdöl, erleichtert werden.

Schließlich sollen Vertragsabschlüsse über eine stärkere Ausbeutung von Erdöl durch ein weiteres Gesetz als ein Vorhaben von „nationalem Interesse“ angetrieben werden, und zwar für die Unternehmen Petroperú und Perupetro. Perupetro schrieb inzwischen schon 31 Zonen aus, in denen es voraussichtlich Erdöl gibt. Zwei dieser Zonen befinden sich in indigenen Schutzgebieten, 25 im amazonischen Regenwald und 435 befinden sich in Territorien indigener Dorfgemeinschaften.

Ein Gesetzesvorschlag, der die Existenz der sogenannten nicht kontaktierten indigenen Völker betrifft (Gesetz Nr. 3518/2022), wurde vom Kongress nicht weiter diskutiert und vorerst zu den Akten gelegt.  Der Gesetzesvorschlag wollte die Regionalregierungen ermächtigt, alle bisher existierenden Schutzgebiete für indigene Völker infrage zu stellen und den Prozess neu aufzurollen, ob und welche nicht-kontaktierte Indigene (PIACI) es gibt. Entwarnung kann noch nicht gegeben werden, weil die Debatte um den Entwurf im Agrarausschuss noch aussteht.

Anmerkung: Sollten diese Gesetzesvorhaben angenommen werden, wird es wohl für die peruanische Delegation beim kommenden Weltklimagipfel Ende 2023 sehr schwer sein, überhaupt ehrlich zu erklären, welche Klimaschutzmaßnahmen sie noch anzubieten haben.

Venezolaner*innen in Peru

Ungefähr 1,6 Mio. Venezolaner*innen werden bis Ende 2023 in Peru leben. Mehr als 75 % von ihnen wohnen in Lima. Am höchsten ist der Anteil der Venezolaner*innen an der Bevölkerung mit 40,8 % im Distrikt San Martin de Porres, gefolgt von San Juan de Lurigancho mit 32 % und Chorillos mit 31 %. Die Geflüchteten und Migrant*innen aus Venezuela sind in der Mehrheit jung und im arbeitsfähigen Alter und haben ein höheres Bildungsniveau als der Durchschnitt der peruanischen Bevölkerung: Knapp 32 % verfügen über einen Hochschulabschluss. Die Einwanderung aus Venezuela bietet also Chancen für den Arbeitsmarkt, so eine Studie, die u. a. von der Konrad-Adenauer-Stiftung herausgegeben wurde. Hätten der peruanische Staat die Ausbildung der Professionellen aus Venezuela, die jetzt in Peru arbeiten, in Peru finanzieren müssen, wären dies Kosten von 13 Mio. Soles (3,2 Mio. Euro) gewesen.

Quelle: Boletín de la exclusión al reconocimiento, Mai 2023

Fernbeziehung

Eliane Karp, Frau des Ex-Präsidenten Alejandro Toledo (2002-2006) setzte sich nach Israel ab. Ihr Mann ist jetzt einer von drei lebenden peruanischen Expräsidenten, die das Privileg auf „komplette Dauerbetreuung“ haben, sprich in einem peruanischen Gefängnis sitzen (A. Fujimori, A. P. Castillo, A. Toledo und eigentlich auch Ex-Präsident Kuczynski, der seine Strafe aber zu Hause absitzen kann).

  1. Toledo sitzt wegen Korruption in Untersuchungshaft, nachdem die USA ihn der peruanischen Justiz überstellt hat. Der Vorwurf: In seiner Amtszeit soll er 35 Millionen Dollar von der brasilianischen Baufirma Odebrecht erhalten haben, die bei großen Bauprojekten „abfielen. (Wir berichteten ausführlich in den InfoPeru darüber).

Und Frau Karp: Die peruanische Staatsanwaltschaft sieht es als bewiesen an, dass sie das Geld unter anderem über ihre Mutter und ihren Bekannten, den Unternehmer Josef Maiman, auf ein Off-Shore-Konto in Costa Rica deponierte. Frau Karp hielt sich wie ihr Mann in den USA auf, erhielt von einem US-Gericht (Kalifornien)  ihren Reisepass und eine Million Dollar Kautionszahlung für ihren Mann zurück. Sie setzte sich ins Flugzeug und landete am 10.5.23 in Israel, um so der peruanischen Justiz zu entkommen. Sie hat eine Staatsbürgerschaft von Belgien, Israel und Peru.

Peruaner sehen städtische Verschmutzung als Hauptproblem

42% der befragten Peruaner*innen haben in einer Umfrage des Instituto de Estudios Peruanos angegeben, dass die Umweltverschmutzung in den Städten das wichtigste Umweltproblem Perus sei.  54% sagten auch, dass sie durch die Medien nur unzureichend über Umweltangelegenheiten informiert werden und ihr Umweltwissen vor allem aus digitalen Medien beziehen.

zusammengestellt von Heinz Schulze, Hildegard Willer und Annette Brox