Editorial InfoPeru 92

Liebe Leserin, lieber Leser,

Das Jahr 2023 geht zu Ende. Es war kein gutes Jahr für die Welt, und auch nicht für Peru. Allerdings aus unterschiedlichen Gründen. Während in Europa der Krieg in der Ukraine und nun der Krieg zwischen Israel und der Hamas große Sorgen bereiten, so sind die Probleme in Peru hausgemacht. In diesem Jahr haben sich Präsidentin Boluarte und der sie dominierende Kongress noch fester an ihre Ämter gekrallt. Die Proteste wurden gewaltsam niedergeschlagen, Polizei und Militär töteten 49  indigene Demonstranten und Passanten. Letztlich blieben die Demonstranten aus Südperu allein mit ihrem Protest. Weder aus Lima noch aus anderen Landesteilen schlossen sich genügend Menschen den Protesten der Puneños und Cusqueños an, um Präsidentin Boluarte und den Kongress zum Rücktritt bzw. zu Neuwahlen zu bewegen. Im Gegenteil: Regierung und Legislative fühlen sich im Amt bestätigt und weigern sich bis heute, Verantwortung für die von Polizei und Militär Getöteten zu übernehmen. Dass über 90% bzw. 85% der Bevölkerung bei Umfragen Exekutive und Legislative ablehnen, scheint sie nicht zu stören.

Ihre Antwort ist die langsame Aushöhlung der wenigen Institutionen Perus, die bisher gut funktionieren: Universitätsreform, Ombudsstelle, Verfassungsgericht, Wahlbehörden, oberstes Justizgremium.

Vieles erinnert an die Zeiten unter Präsident Fujimori, der, zusammen mit seinem Berater Vladimir Montesinos, den Staatsapparat zu seinen Zwecken umfunktionierte.  Von daher ist es nur folgerichtig, dass die Regierung dem Urteil von drei Verfassungsrichtern stante pede nachkam, und den inhaftierten alten Ex-Diktator Fujimori kurz vor Weihnachten freiließ.

Die Bevölkerung erträgt dies alles recht stoisch oder resigniert, weil zum einen die wirtschaftliche Situation Perus schlechter geworden ist. Das peruanische Wirtschaftswunder ist vorbei, und die politische Dauerkrise schreckt nun auch Touristen und potenzielle Investoren ab. Viele Peruanerinnen und Peruaner sind mit ihrem wirtschaftlichen Überleben voll ausgelastet. Zum anderen ist die gewalttätige Repression der Proteste im Gedächtnis geblieben. Viele haben – zu Recht – Angst, offen gegen die Regierung und den Kongress zu protestieren.

Zur allgemein lähmenden Stimmung in Peru passt auch, dass immer mehr junge PeruanerInnen mit guter Ausbildung das Land verlassen und woanders eine Existenz aufbauen wollen.

Analysen der neuen Weltlage betonen oft, dass die ehemaligen Entwicklungsländer des globalen Südens die Gewinner des Machtverlustes des Westens sind und sich nun im Aufwind befinden.  Auf Peru trifft dies bisher nicht zu.

Bei diesen düsteren Aussichten bleibt nur die nie unterzukriegende Hoffnung der Peruanerinnen und Peruaner auf überraschende Wendungen, auch ins Positive: „El Peru es más grande que sus problemas – Peru ist größer als seine Probleme“.

Trotz allem – ich wünsche Ihnen Frohe Festtage und einen Guten Rutsch ins Neue Jahr. Und behalten Sie Ihr Interesse und Ihr Engagement für Peru auch 2024 bei.

Hildegard Willer

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert