Editorial InfoPeru 91

Liebe Leserin, lieber Leser,

In Lima befinden wir uns im Oktober im „mes morado“, dem lila Monat. Er heißt so, weil den ganzen Oktober durch in Lima Prozessionen zu Ehren des „Herrn der Wunder“ (Señor de los Milagros) stattfinden.

Allenthalben ertönen Kirchengesänge aus Lautsprechern, und vor allem in der historischen Altstadt ist kein Durchkommen. Die Straßen sind voll mit Männern in lila Umhängen, die im Wiegeschritt  das wuchtige Bild des „Herrn der Wunder“ auf ihren Schultern durch die Straßen tragen. Frauen in einfachen lila Kleidern und weißen geklöppelten Kopftüchlein huldigen dem Heiligen mit Weihrauch und Gesängen. Es ist eine der größten Volksprozessionen in ganz Lateinamerika und der Inbegriff der Volksreligiosität in der peruanischen Hauptstadt.

Jeder mag hier mit seinem Anliegen oder einem stillen Gelübde mitmachen. Vielleicht denkt einer im Gebet auch an das bevorstehende Klimaphänomen El Niño, das sich für Ende 2023/Anfang 2024 mit voller Wucht ankündigt: dann soll es in Nordperu und eventuell auch in Lima zu Überschwemmungen und Bergrutschen kommen. Im Süden Perus dagegen soll der Regen ausbleiben.

Dabei ist die Situation jetzt schon dramatisch. Bei einem Besuch letzter Woche am Piuray-See in der Nähe der Stadt Cusco erzählte der Vorsteher eines Wassernutzungsverbandes, dass der Wasserstand schon lange nicht mehr so niedrig war. Der Piuray-See versorgt Cusco mit Trinkwasser.

Am Titicaca-See, zwischen Peru und Bolivien gelegen, ist der Wasserstand so niedrig, dass die Ansaugerohre der Wasserwerke im Freien liegen. Bereits jetzt sind die Lebensmittelpreise auf einem Höchststand. Für sehr viele Peruanerinnen und Peruaner wird das Christkind dieses Mal Hunger bringen.

Das ist längst bekannt. Theoretisch müsste sich Peru mit all seinen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln auf die Auswirkungen des Niño vorbereiten. Doch es ist kaum Thema in der Millionenstadt Lima, mitten in der Wüste gelegen, dass diesen Sommer vielleicht für alle – und nicht nur für die Randviertel – Wasser rationiert werden wird. Ganz zu schweigen, wovon die Bauern in den Anden leben sollen, wenn die Ernte ausfällt. Oder wie man sich in Nordperu auf die Überschwemmungen vorbereitet.

Es ist kein Thema bei den Bürgern, und auch keines in der Regierung. Stattdessen bemühen sich Abgeordnete, im Verein mit der Regierung, die wenigen funktionierenden staatlichen Institutionen weiter auszuhöhlen, um sich die eigenen Pfründe zu sichern.

Das hat unsere Geschäftsführerin Annette Brox bei ihrem Besuch bei unseren peruanischen Partnern immer wieder gehört. Ihren Artikel zur politischen Lage und die Fotostrecke ihrer abenteuerlichen Reise zum reichsten Distrikt Perus möchte ich Ihnen zur Lektüre ans Herz legen.

Hildegard Willer

Redakteurin InfoPeru