Die politische Dezember-Krise 2023

Im Dezember hat sich die politische Krise in Peru nochmal zugespitzt.

Das Drehbuch der peruanischen Politik hat mehrmals im Dezember unerwartete Wendungen genommen. Zu Weihnachten 2017 gewährte der damalige Präsident Pedro Pablo Kuczynski dem inhaftierten Ex-Präsidenten Alberto Fujimori eine illegale Begnadigung. Es war sein letzter Versuch, seine Amtsenthebung durch einen „parlamentarischen Putsch“ zu verhindern. Im Dezember 2018 fand das Referendum für eine Teilreform der Verfassung statt. Es verschaffte dem amtierenden Präsidenten Martín Vizcarra Legitimität. Und an Silvester 2018 gingen Tausende spontan auf die Straße, um gegen die Entlassung von Staatsanwälten zu demonstrieren, die gegen die Korruption kämpften. Im Dezember 2019 war Präsident Francisco Sagasti erst seit 15 Tagen im Amt. Im Dezember 2022 versuchte Pedro Castillo einen Putsch und landete in Untersuchungshaft. Zum ersten Mal übernahm danach mit Dina Boluarte eine Frau die Präsidentschaft. Einige Tage später begann der „Estallido social“ („Sozialer Ausbruch“). Etwa 70 Leute wurden getötet, davon 49 mit hoher Wahrscheinlichkeit von Polizeikräften.

Das Jahr 2023 verlief nicht anders.

  1. Ende November 2023 wurde bekannt, dass die Leiterin der Staatsanwaltschaft, Patricia Benavides, ein parlamentarisches Komplott gegen eine andere hohe Staatsanwältin führte. Das wissen wir, weil der Berater von Benavides in Untersuchungshaft sitzt und wichtige Informationen für das Strafverfahren gegen seine ehemalige Chefin liefert.
  1. Seit Monaten betreibt eine große Mehrheit von Abgeordneten eine regelrechte Hexenjagd gegen die Junta Nacional de Justicia. Die Junta Nacional de Justicia (JNJ) ist eine unabhängige nationale Behörde und zuständig für die Ernennung von Richter*innen und Staatsanwält*innen. Sie besitzt große Macht im peruanischen Rechtsstaat. Die JNJ ist die Nachfolgerin des Consejo Nacional de la Magistratura, der 2018 wegen Korruption aufgelöst wurde (siehe Willer: Hoffnung gegen Korruption). Tatsächlich spielte die JNJ leider keine entscheidende Rolle gegen Korruption im Justizapparat. Ein Grund für die Hexenjagd ist aber, dass das Parlament keinen Einfluss auf die JNJ ausüben kann (in Vergleich zum Verfassungsgericht oder der Ombudsstelle Defensoría del Pueblo).

Obwohl keine juristischen Gründe dafür vorlagen, unternahm das Parlament, in dem die Staatsanwältin einige Unterstützer*innen hat, im Dezember 2023 seinen letzten Versuch, alle sieben Mitglieder der JNJ abzusetzen –  ohne Erfolg.

  1. Da die JNJ zuständig ist, Sanktionen gegen Staatsanwälte zu verhängen, leitete sie ein Disziplinarverfahren gegen die Oberste Staatsanwältin Patricia Benavides ein und beschloss am 6. Dezember 2023 deren vorläufige Suspendierung. Das war gleichsam ein Erdbeben, dessen Epizentrum in der Staatsanwaltschaft lag und mehrere Teile des politischen Systems betraf, besonders das Parlament, die Medien und die Regierung.

Eine der letzten Maßnahmen von Patricia Benavides war, Präsidentin Dina Boluarte und ihr Team wegen des Mordes an Demonstrierenden beim „Estallido social“ anzuzeigen.

  1. Als ob die politische Krise nicht spannend genug für die Verfasser unseres Drehbuchs wäre, kam dann auch nochmal Alberto Fujimori auf die Bühne. Am 6. Dezember 2023 trat die von Pedro Pablo Kuczynski im Jahr 2018 beschlossene Begnadigung wieder in Kraft. Der Verfassungsgerichtshof urteilte damit faktisch zugunsten Fujimoris gegen das Urteil des Interamerikanischen Gerichtshofes für Menschenrechte im Fall der Morde von Fall Barrios Altos und La Cantuta gegen Peru. Und die Regierung von Dina Boluarte beschloss die Freilassung Fujimoris. So sitzen jetzt im Gefängnis Barbadillo nicht mehr drei, sondern nur noch zwei ehemalige Präsidenten.

Die politische Krise hat Folgen für die Legitimität der peruanischen Institutionen. Laut einer IEP-Umfrage haben das Parlament und die Präsidentin einen neuen Tiefpunkt erreicht: Sie erreichen eine Zustimmungsrate von nur sechs bzw. acht Prozent.

Parlament: 6% (blaue Linie)

©IEP/La Republica

Dina Boluarte als Präsidentin der Exekutive, 8% (blaue Linie)

César Bazán Seminario

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert