Auch Kaffee fällt unter die neue Bestimmung der EU © Andina

Produkte aus dem Amazonas auf dem Prüfstand

Ab 2025 dürfen nur noch Produkte in die EU eingeführt werden, die nachweisen können, dass für ihre Herstellung seit 2020 kein Baum fallen musste. Für manch peruanische Produzenten eine grosse Herausforderung.

 

Europa ist der drittgrößte Handelspartner Perus und einer der wichtigsten Abnehmer Lebensmittel. Ein Großteil dieser Produkte stammt aus einem der empfindlichsten Ökosysteme, das von Abholzung bedroht ist: dem Amazonasgebiet. Der Konsum in Europa verursacht laut offizieller Zahlen der EU etwa 10 % der weltweiten Entwaldung.

Deshalb hat das Europäische Parlament im April eine Verordnung verabschiedet, die sicherstellen soll, dass die von den EU-Ländern importierten Produkte nicht aus Gebieten stammen, in denen Wald abgeholzt wurde. Die importierenden Unternehmen müssen überprüfen, dass ihre nach dem 31. Dezember 2020 erzeugten Waren „nicht aus Entwaldung stammen oder Waldschädigung verursacht haben”.

Die Verordnung gilt für Fleisch, Kakao, Kaffee, Palmöl, Soja, Holz, Gummi, Holzkohle und Papier. Als zusätzliche Anforderung wurde festgelegt, dass diese Produkte in ihrer gesamten Wertschöpfungskette die Achtung der Menschenrechte und der Rechte der indigenen Völker gewährleisten müssen.

Ein großer Teil der peruanischen Produkte stammt aus dem Amazonasgebiet und wird nach Spanien, Frankreich, Deutschland, Italien, in die Niederlande und nach Schweden exportiert.

Wie mehrere Studien belegen, ist die Ausweitung landwirtschaftlicher Flächen im Amazonasgebiet oft mit Entwaldung verbunden. Bei Holzprodukten gibt es nach wie vor große Probleme, ihre legale Herkunft zu garantieren.

2019 und 2020 hat die Entwaldung in Peru ein historisches Ausmaß erreicht, und nach Hochrechnungen des Amazonas-Netzwerks Raisg könnten sich diese Verluste zwischen 2021 und 2025 auf 857.000 Hektar Wald belaufen – eine Fläche, die der doppelten Fläche der Region Tumbes entspricht.

Aramís Castro hat für OjoPúblico die Exportzahlen analysiert und die wichtigsten im Amazonasgebiet tätigen Unternehmen identifiziert. Sie müssen sich jetzt an die europäische Norm anpassen, wenn sie ihre Produkte weiterhin in diese Region exportieren wollen.

Holz, Kaffee und Kakao im Rampenlicht

Der Holzexport ist eines der wichtigsten Geschäfte zwischen dem Amazonasgebiet und Europa. Die Grupo Maderero Amaz S.A.C., seit 2016 tätig, ist das bedeutendste Unternehmen der Branche. Von Januar bis Juni 2022 verdoppelte sie ihre Lieferungen im Vergleich zum gleichen Zeitraum 2021. Die wichtigsten Zielländer waren China, Frankreich und Dänemark. Unter den Lieferanten des Unternehmens ist auch Segundo Santos Montenegro Dávila, der 2021 144 Kubikmetern der vom Aussterben bedrohten Baumart Shihuahuaco lieferte. Die Bäume stammten aus einer Konzession, die 2018 von der Aufsichtsbehörde für Forst- und Wildtierressourcen (Osinfor) verwarnt wurde. Osinfor leitete ein Sanktionsverfahren gegen Montenegro Dávila ein und verhängte eine Geldstrafe für die Entnahme von 57 Kubikmetern.

Grupo Amaz verfügt über eine bis 2026 gültige Zertifizierung des Forest Stewardship Council (FSC), die die Nachhaltigkeit des gesamten von dem Unternehmen gekauften und exportierten Holzes gewährleistet. Bei der Analyse der Lieferantenunterlagen für diesen Bericht wurde jedoch festgestellt, dass einer der Lieferanten von der Forstbehörde beobachtet wurde. Holzhandel wird vor allem in Ucayali betrieben. Hier auch Forestal Cumaru S.R.L. ansässig. Das Unternehmen hat seine Exporte von Januar bis Juni letzten Jahres im Vergleich zu 2021 fast verzehnfacht.

 Auch Forestal Cumaru wird von Segundo Montenegro Dávila beliefert. 106 Kubikmeter Mashonaste-Holz, die das Unternehmen im Oktober 2022 kaufte, stammte aus der gleichen Konzession.

Auf Anfragen von OjoPúblico reagierten beide Unternehmen bisher nicht.

Ein weiteres sensibles Exportprodukt ist Kaffee. Die zweit- und viertgrößten Kaffeeanbaugebiete befinden sich in den Regionen San Martín und Amazonas. Aus diesen Regionen beliefern lokale Erzeuger die wichtigsten Exporteure des Landes, doch sind diese Unternehmen bisher nicht verpflichtet, über die Herkunft ihrer Lieferanten zu berichten.

Marktführer im peruanischen Kaffeesektor ist das Unternehmen Perales Huancaruna S.A.C., das seit 1986 tätig ist und im vergangenen Jahr einen Umsatz von mehr als 210 Mio. US-Dollar erzielte. Perales Huancaruna gibt an, dass es über verschiedene grüne Siegel und andere Nachhaltigkeitszertifikate verfügt, macht aber – auch auf Nachfrage – keine weiteren Angaben zu seinen Lieferanten. 2021 und 2022 beherrschten zehn Unternehmen mit einem Marktanteil von 56,4% den Kaffeeexport.  Bis heute konnten sie nicht garantieren, dass ihre Kaffeebohnen nicht aus Anbaugebieten kommen, für die Regenwald abgeholzt wurde.

Mehrere nationale und internationale Studien haben gezeigt, dass es an mehreren Orten einen Zusammenhang zwischen Abholzung und Kaffeeanbau gibt. In Peru gibt es jedoch keine offiziellen Informationen, um eine transparente Kaffee-Lieferkette zu gewährleisten.

Seit Ende 2019 gibt es ein von PromPerú (staatliche Kommission zur Export- und Tourismusförderung) eingeführtes öffentliches Qualitätssiegel für Exportprodukte. Dieses Dokument garantiert jedoch nicht, dass die Rohstoffe nicht aus der Abholzung stammen. Auf privater Seite stellen das Nationale Kaffeeamt (JNC) und die peruanische Kaffee- und Kakaokammer ein Ursprungszeugnis aus, um zu bescheinigen, dass die von den Erzeugern und Exporteuren angebotene Ernte aus Peru stammt. Doch wie bei anderen Dokumenten wird auch hier die Nachhaltigkeit in der Lieferkette nicht bescheinigt.

Der Geschäftsführer des Nationalen Kaffeeverbandes, Lorenzo Castillo Castillo, erklärt, dass es für seinen Verband, dem 56 Organisationen aus 14 Regionen des Landes angehören, schwierig sei, sicherzustellen, dass der in Peru geerntete Kaffee nicht mit dem Verlust von Wäldern in Verbindung gebracht werden kann, so wie es die EU-Verordnung zu entwaldungsfreien Lieferketten vorschreibt. „Die Verordnung trifft die Kleinerzeuger. Es besteht die Gefahr, dass wir unsere Lieferungen nach Europa nicht erfüllen können“, warnte er.

Castillo Castillo erklärt, dass die peruanische Regierung von den Exporteuren keinen Nachweis über die Herkunft ihrer Produkte verlangt. Der Nationale Agrargesundheitsdienst (Senasa) stellt lediglich ein Pflanzengesundheitszeugnis aus, das die Einfuhrländer zur Vorbeugung und Bekämpfung von Schädlingen und Krankheiten verlangen.

Kaffee exportierende Unternehmen können freiwillig verschiedene unabhängige Siegel wie das Rainforest Alliance- oder das UTZ Certified-Siegel beantragen, die den Schutz von Wildtieren, Ökosystemen, guten landwirtschaftlichen Praktiken sowie die Rechte von Arbeitnehmern und Gemeinschaften unterstützen.

Das dritte wichtige Exportprodukt sind Kakaobohnen. Die Unternehmen Cafetalera Amazónica S.A.C., Sumaqao S.A.C. und Agro San Gerardo E.I.R.L. vereinigten 2021 und 2022 44,2 % der gesamten Kakaoexporte auf sich.

Ucayali ist die Region mit dem höchsten Wachstum des Kakaoanbaus, aber auch eine der am stärksten von der Entwaldung betroffenen. So verzeichnet der Kakaoanbau im Bezirk Campoverde Wachstum, während gleichzeitig die Entwaldung von 891,1 Hektar im Jahr 2020 auf 994,7 Hektar im Jahr 2021 zunahm.

 Ähnlich ist die Situation in den Kakaoanbaugebieten in Juanjui und Tocache, in San Martín, wo sich die Abholzung zwischen 2019 und 2020 verdoppelt hat.

Im Juli 2020 verabschiedete die peruanische Regierung vier Verordnungen, die zusammen garantieren sollen, dass der peruanische Kakao “nachhaltig und rückverfolgbar“ ist. Es gibt jedoch keine öffentlichen Aufzeichnungen darüber, ob die wichtigsten Exporteure diese Maßnahmen umgesetzt haben.

Eduardo Zegarra Méndez, Agrarökonom und leitender Wissenschaftler beim Forschungsinstitut Grade warnt davor, dass die Umstellung der peruanischen Erzeuger auf die neue EU-Verordnung „kompliziert sein [wird], weil ein großer Teil dieser Produkte aus Gebieten stammt, die früher bewaldet waren. Wenn man den Produzenten den Markt abschneidet, sorgt man nur dafür, dass sie verarmen, und die Abholzung wird zunehmen”, sagte er.

Palmöl und Gold unter Verdacht

In der Amazonasregion Ucayali haben in den ersten sechs Monaten des vergangenen Jahres die Ausfuhren von Palmöl die von Holz überholt. Der wichtigste Palmöl-Exporteur ist Sol de Palma. Die wichtigsten Zielländer waren Mexiko, Spanien und Ecuador. Das Unternehmen Grupo Ocho Sur befindet sich seit 2016 im Konflikt mit der Gemeinde Santa Clara de Uchunya, die beklagen, dass auf Gebieten, die sie für sich beanspruchen, Ölpalmen angebaut wurden. Bis heute sind weder Sol de Palma noch Ocho Sur Mitglieder des Runden Tisches für nachhaltiges Palmöl (RSPO), einer Vereinigung, die die Nachhaltigkeit in der Produktionskette von Ölpalmen zertifiziert. Die wichtigsten Palmölproduzenten in Ucayali – Olamsa und Servicios Agrarios de Pucallpa, letzteres gehört zur Gruppe Ocho Sur – geben keine Auskunft über ihre Kunden in Peru, die das Produkt dann exportieren.

In Madre de Dios entfielen in den ersten sechs Monaten des vergangenen Jahres 57 % des Wertes aller Goldexporte aus der Region auf die beiden Unternehmen E&M Company und A&M Gold Metal Trading. E&M Company hat Gold nach Indien, in die Vereinigten Arabischen Emirate und nach Kanada exportiert. Ihr Geschäftsführer, Miguel Zinanyuca Cruz, ist Teil einer Untersuchung der Umweltstaatsanwaltschaft von Madre de Dios wegen des Verbrechens des illegalen Bergbaus. Der Fall befindet sich in der Vorbereitungsphase und reicht bis ins Jahr 2013 zurück. 

Herausforderungen für Peru

Ada Lis Rosell Villavicencio, Leiterin der peruanischen Organisation Solidaridad, weist darauf hin, dass die Anpassung an dieses europäische Gesetz koordinierte Anstrengungen der peruanischen Regierung, des Privatsektors und der Zivilgesellschaft erfordert, um die negativen Auswirkungen auf die nationalen Kleinerzeuger abzumildern. Sonst würden diese möglicherweise zu anderen Produktionstätigkeiten übergehen, die zu einer noch größeren Abholzung führen könnten“.

Die Verordnung sei eine Chance, aber auch riesige Herausforderung. Die peruanischen Gesetze wiesen Lücken auf. Zudem könnten nicht alle Produzenten, die nachhaltig arbeiten, auch nachweisen, dass sie nicht abgeholzt haben.

Obwohl es eine 12-monatige Übergangszeit gibt, in der die Länder nach ihrem Risikoniveau eingestuft werden, müssen Unternehmen, die nach Europa exportieren, jetzt Maßnahmen ergreifen, wie die Bereitstellung detaillierter Informationen über die Produktion und Standorte.

Auf die Frage nach den potenziellen Risiken des Waldverlustes im Zusammenhang mit Exporten aus Amazonien empfahl die ehemalige Umweltministerin Lucia Ruiz Ostoic zu untersuchen, ob der Anbau „ergänzende Maßnahmen“ zur Bekämpfung der Entwaldung erfordert. „Kakao, Kaffee und andere Aktivitäten lassen sich mit dem Bestand von Wald vereinbaren”, sagte sie.

 Die Regierung müsse jedoch zusammen mit den Regionalregierungen die durch den Verlust von Wäldern verwüsteten Gebiete identifizieren und an anderer Stelle kompensieren. Abholzung finde weiterhin statt und bleibe straffrei. Das müsse sich ändern.

 Aramis Castro, OjoPúblico

Gekürzte Übersetzung: Annette Brox

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