Solarpanel im peruanischen Regenwald ©MEM

Weniger Wasserkraft – mehr Solarenergie

Statt Wasserkraft kann Solarenergie eine Alternative als Stromquelle auf dem Land werden. Ein Besuch in einem Pilotprojekt in einem Amazonasdorf

Chamiriari ist eine kleine Dorfgemeinschaft mit 80 Familien im zentralen Regenwald Perus. Die Bewohner*innen gehören dem indigenen Volk der Asháninka an. Sie wünschten sich Licht auch abends. Denn die Nähe zum Äquator bedeutet, dass es ab 18 Uhr schlagartig dunkel wird.

Wasserkraft in der Krise

Die vorherrschende Meinung, auch der staatlichen Stellen, ist: Es gibt genug Strom aus Wasserkraft. Dieser wird aus Stauseen und durch Turbinen in Flüssen gewonnen. Aber die Situation verändert sich. Berichte nehmen zu, dass aufgrund zunehmender Trockenzeiten, auch im Amazonas- Regenwald, die vorherrschende Energie aus Wasserkraft, die per Stromleitungen auch in das Amazonasgebiet kommen soll, nicht mehr ausreicht oder zum Teil dort, wie sie vorhanden ist, öfters ausfällt. Selbst in der Provinzhauptstadt Satipo, im zentralen Regenwald, gibt es viele Stromausfälle, weil der dortige Fluss Calhuamayo im Distrikt Llaylla, wo die Anlage zur Stromgewinnung steht, wegen des Wassermangels zu wenig Wasser führt. Der Wassermangel machte sich auch bei der Ernte bemerkbar. So erreichten Kaffeebohnen nur die Größe von Weizenkörnern.

50% der Energie Perus stammt aus Wasserkraft und kommt aus über 200 der dafür gebauten Staudämme. Wo der Strom nicht mehr aus der „Steckdose“ kommt, wird er jetzt vermehrt  mit Dieselaggregaten erzeugt, die extrem klimaschädlich sind. Bisher kommen nur 2.10% der gesamten Energieproduktion in Peru aus Solarenergie. Der Bau der Staudämme war für einige Firmen ( z.B. Odebrecht, Brasilien) sowie für die jeweiligen Regierungverantwortlichen vielverprechend, da hohe Bestechungsgelder abfielen.

Das Versäumnis der peruanischen Regierung, nicht rechtzeitig den Fokus auf Wind- und Solarenergie zu setzen, hat Auswirkungen. Die Strompreise haben sich um 8.5% erhöht.

China dominiert den peruanischen Strommarkt

 

Die Reaktionen der Stromunternehmen sind unterschiedlich: Das chinesische Energieunternehmen China Yangtze Power, Luz del Sur, will aktuell nicht groß ins Energiegeschäft einsteigen, die Situation in Peru sei zu chaotisch und nicht krisenfest.  (1) Das italienische Unternehmen ENEL zog sich deshalb auch aus Peru zurück. Es hat seine Anteile an die chinesische Firma China Southern Power Grad International, ( CSGU), verkauft. Damit erreichen chinesische Firmen einen Anteil von ca. 70% an der Stromgewinnung Perus. (2)

Als Proteste gegen fehlenden Strom im zentralen Regenwald bekannt wurden, kam es in sozialen Netzen  zu Kommentaren wie: Strom, Licht in der Nacht, das passt doch nicht in die indigene Kultur, das macht deren Kultur doch kaputt. Und andere: Hätten sie damals nicht den Bau des Staudamms Pakitzapango im zentralen Regenwald.  verhindert, hätten sie jetzt genug Strom. Kommentare, die zeigen, wie wenig Kenntnisse es über die Bevölkerung des Regenwaldes in Peru gibt. Als ob indigene Dorfgemeinschaften in einer Art Museum leben würden. Zudem wäre der Strom des genannten Staudamms  zu 100% durch den Regenwald nach Brasilien geliefert worden, für die dortige Aluminiumproduktion. (3)

Ein Dorf möchte elektrisches Licht

Zurück zum Dorf Chamiriari und ihrem Wunsch nach elektrischem Licht. Die Bewohner:innen hatten Kontakt zur kleinen lokalen  Asháninka-Nichtregierungsorganisation IMPERITA. Es gab Gespräche, über die Unterschiede von Dieselmotoren und Solarenergie. Speziell mit den Frauen wurde abgeklärt, wohin dann die Lichtquellen leuchten sollen, nämlich zu den Feuerstellen, die nicht im Haus sind. In der Dorfversammlung wurde, ganz im Sinne der sogenannten Vorab-Konsultation (ILO 169) über das ganze Vorhaben abgestimmt. Das bedeutete für Imperita einige Fahrten über schlechte Pisten und einer Fahrzeit von 6-8 Stunden pro Weg.

Dabei ist die Diskussion um einen umweltfreundlichen Zugang zur Energie, speziell zur Beleuchtung in der langen dunklen Nacht, nicht neu. Übliche Lichtquellen sind Holzfeuer, die stinkenden Petroleumlampen, Kerzen oder auch Taschenlampen mit Batterien oder Dieselaggregate. Alles klimaschädlich. BesucherInnen wurden sich der Situation besonders bewusst, wenn sie in der dunklen Nacht aufs Örtchen mussten. Und Aspekte der Beleuchtung wie auch der Nutzung von solarbetriebenen Batterien z.B. zur Trocknung von Obst und anderen Produkten wurden seit Jahren immer wieder von Delegierten der Asháninka bei ihren Besuchen in Deutschland angesprochen. Da der Gebrauch von Handys (bei fehlenden Telefonanschlüssen) ständig zunahm, wurde die Möglichkeit immer wichtiger, das Handy aufzuladen, ohne dafür zu Aufladestationen in die nächste Stadt fahren zu müssen.

Öffentlicher Strom mittels Stromleitungen waren und sind anfällig. Außerdem  bringt er Konflikte ins Dorf, wenn es nur einen gemeinsamen Stromzähler im Dorf gibt.

Wie einigt man sich, wer wie viel verbraucht hat?  Wenn sich die DorfbewohnerInnen nicht einigen, wird die Rechnung nicht bezahlt und der Strom für die ganze Dorfgemeinschaft abgestellt. Vor einigen Jahren waren Solarpaneele oder Solartaschenlampen teuer und die aus China waren von schlechter Qualität. Das hat sich grundlegend geändert. Deshalb ist der Zeitpunkt für klimafreundliche Solarenergie gut, auch für den amazonischen Regenwald Perus.

Das Team von Imperita war, nach den Vorbereitungsgesprächen überzeugt, dass das Vorhaben „Solarenergie zur Verbesserung der Lebensbedingungen“ ein gutes Pilotprojekt in ihrer Region werden konnte. Sie stellten eine konkrete, ausgearbeitete Anfrage an den Arbeitskreis für Gerechte Entwicklung in Schorndorf (bei Stuttgart) und dieser leitete die Anfrage an die Stiftung Entwicklungszusammenarbeit Baden-Württemberg (SEZ) weiter. Nachdem von dieser die finanzielle Zusage vorlag und der Zuschuss überwiesen war, standen zusammen mit dem Eigenanteil des Arbeitskreises 15.935 € zur Verfügung. Das war für das Dorf Chamiriari ein Riesenprojekt und quasi ein Übertritt von der fossilen Energie in die Solarenergie.

Im Juni 2023 begann das Pilotprojekt.

 

 

Pilotprojekt: Solarenergie für das Dorf

Die Dorfgemeinschaft hatte die notwendigen und zugesagten 80 Baumpfosten aus ihrem Wald geschlagen, auf sechs Meter gekürzt, und die Löcher dafür ausgehoben. Imperita hatte, wie versprochen, die Geräte in der Hauptstadt Lima gekauft (mit einer Garantieleistung von fünf Jahren) und dafür gesorgt, dass diese 80 „Pakete“ inkl. 15 Sack Zement für die Standfestigkeit der Lichtmasten angeliefert wurden. Imperita machte eine Gesamtschulung zur Befestigung der LED-Lampen und schulte alle 80 Familien im Gebrauch der neuen Lichtquelle: An-aus – stark – schwach.  Bei dieser Schulung mussten vor allem die jüngeren Frauen und Kinder mitmachen, da sie ja am meisten damit zu tun haben werden. Als Abschluss wurde die Probe gemacht, alles funktionierte zu 100%.

Die Familien waren erleichtert über den Erfolg des Projektes.Jetzt müssen wir nicht mehr mit den Hühnern ins Bett gehen, unsere Kinder können jetzt, wenn es kühler ist, ihre Hausaufgaben machen, jetzt können wir Kinder draußen länger spielen, jetzt fühlen wir uns Frauen sicherer, wenn wir abends rausgehen“. Zudem können die Frauen vor Sonnenaufgang um 3 Uhr in der Früh aufstehen und das Frühstück für die Männer machen, das sie für ihre schwere Arbeit im Wald brauchen. Sie freuen sich alle, die frische Luft am Morgen jetzt ausnützen und der Tageshitze etwas entkommen zu können. Das peruanische Wetteramt warnte im August 2023 vor großer Hitze, bis 35 Grad und sehr starke Strahlenbelastung. „Normal“ sind bis ca. 25 Grad. Auch das ist Klimawandel konkret.

Mit 175 Euro bekommt eine Familie Solarstrom

Die Ausgaben für 80 LED-Solarlampensystem inkl. Solar-Taschenlampen inkl. Fahrtkosten, Koordinierungskosten etc. beliefen sich auf ca. 14.000 € = ca. 175 € pro Familie. Die Stromversorgung durch Electrocentro via Stromleitung hätte mindestens 50-60 € pro Jahr gekostet. Innerhalb von fünf Jahren- solange haben die Solarlampen eine Garantie – wären das mindestens 250 – 300 €. So würde sich dann sogar der Kauf einer neuen Solar-Lichtanlage für die Menschen in Chamiriari lohnen.

Einen Monat nach Gelingen des Projektes, hat der Erfolg Aufsehen bei den Nachbar- Dorfgemeinschaften erregt und den Wunsch nach einer Beleuchtung ohne stinkende Dieselmotoren erweckt.

PS: Die Europäische Union will in den nächsten vier Jahren 45 Milliarden Euro in Lateinamerika und der Karibik ausgeben – für die europäische Energietransformation, innerhalb der Initiative Global Gateway.  Das ist auch eine Antwort auf den großen Einfluss Chinas im Energiebereich. Die mit diesem Geld geplanten Projekte betreffen die Erzeugung von Lithium, grüner Energie und nicht fossiler Energie (Wind und Sonne). Sie sollen zum Teil die energetische Abhängigkeit, auch von China, verringern. Kleinere lokale Projekte sind dabei nicht vorgesehen. (4)

Heinz Schulze

 

(1) Dialogo Chino, 12.5.2023, Lima.

(2) Saly Jobiel, Diálogo Chino. net/es/articulo/65-475.11.5.2023.

(3) Die erfolgreiche Kampagne der dortigen indigenen Organisation CARE zur Verhinderung des Staudammbaus Pakizapango wurde auch aus Spenden vom Arbeitskreis München-Asháninka unterstützt.

(4) La UE estrecha lazos con América Latina en su transición energética, Dialogo China, August 2023).