Weltklimakonferenz 2015: From Peru to Paris to the World

 

Vom 30.11.-11.12. 2015 fand in Paris die 21. Weltklimakonferenz (COP 21)  statt – Elke Falley-Rothkopf hat dort die Anliegen der indigenen Völker des Amazonasgebietes begleitet.

Die Pariser Weltklimakonferenz  wurde 2014 im Rahmen der COP 20 in Lima und im Laufe des Jahres mit Vorverhandlungen (den sog. SBSTA und ADP-meetings) in Bonn vorbereitet. Von der Informationsstelle Peru war Elke Falley-Rothkopf bei diesen Verhandlungen im Rahmen ihrer technischen Unterstützung der indigenen Dachverbände Amazoniens, COICA und AIDESEP,  dabei. Diese Unterstützung geht zurück auf eine Vereinbarung der Nichtregierungsorganisation INFOE mit dem Dachverband der indigenen Organisationen Amazoniens, der COICA, in dem wiederum der peruanische Dachverband der indigenen Organisationen AIDESEP  des peruanischen Amazonasgebietes organisiert ist.

Während es für INFOE darum ging, mit der von indigenen Repräsentanten selbst gewünschten Unterstützung der COICA und AIDESEPS, weltweit indigene Rechte einzufordern und auf die Bedeutung des Beitrags indigener Völker für den Waldklimaschutz hinzuweisen, war für die Informationsstelle Peru gerade auch interessant zu sehen, wie der peruanische Indigenenverband AIDESEP seine umfangreiche Arbeit im Rahmen der COP in Lima fortgesetzt hat und sich einbringen konnte.

Elke Falley-Rothkopf nahm daher bereits bei den vom United Nations Development Program (UNDP)organisierten Vorbereitungsverhandlungen und dem weltweiten indigenen Caucus am 29.11.2015 teil. Im Rahmen dieser Verhandlungen beschlossen die indigenen RepräsentantInnen des globalen Caucus die Strategien für die Verhandlungen sowie die folgenden Hauptforderungen an die Vertragsstaaten:

1. Die Respektierung der Menschenrechte einschließlich der Rechte indigener Völker bei den Politiken und Aktivitäten zu Klimwandel, d.h.
• ein maximales Erwärmungsziel von 1,5° C, möglichst sogar darunter
• alle INCDs, d.h. vorgesehene nationale Beiträge der einzelnen Vertragsstaaten, sollen die Partizipation indigener Völker an allen relevanten Prozessen sowie die Sicherstellung ihrer kollektiven Rechte an den Territorien vorsehen
• gerechte Teilhabe indigener Völker an den Geldern für Klimawandel-Aktivitäten
2. Die Anerkennung von traditionellem indigenen Wissen und ihren positiven Beiträgen für Adaptations- und Mitigationsprozesse sowie die Anerkennung der traditionellen Lebenformen, z.B. durch
• Einrichtung eines Beratungsgremiums aus indigenen Experten
• Einrichtung einer technischen Arbeitsgruppe zu traditionellem indigenen Wissen
3. Die Sicherung voller und effektiver Partizipation indigener Völker auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene an Prozessen und Programmen in Bezug zum Klimawandel
• Finanzielle Unterstützung über gemeinschaftliche Fonds muss auch die Entschädigung für bereits aufgrund des Klimawandels geschädigte oder verlorene Gebiete, Ressourcen und Lebensgrundlagen indigener Völker beinhalten.
4. Direkter Zugang zu Klimafonds für indigene Völker aus Industrie- und Entwicklungsländern über ihre Vertretungsorganisationen
• Die Vertragsstaaten sollen den Organisationen indigener Völker die Teilnahme als aktive Beobachter im Vorstand des Green Climate Funds ermöglichen.

Bei all dem war wesentlich, dass der Terminus „indigene Völker“ im verbindlichen Haupttext des Abkommens und nicht bloß in der Präambel festgehalten sein sollte.

Indigene Anliegen im offiziellen Peru-Pavillon

Zusammen mit INFOE und der COICA stellte AIDESEP beim Side Event am 1.12. und beim Side Event im Deutschen Pavillion am 3.12. die weltweite Bedeutung und Gefährdung der indigenen Territorien in Peru und im übrigen Amazonien dar (z.B. durch die rasante Ausbreitung der Palmölplantagen in jüngster Zeit neben den bereits sattsam bekannten übrigen Treibern der Entwaldung, zu denen die Erdöl- und sonstige Rohstoffexploration, Infrastrukturmaßnahmen wie IIRSA, Landnahme durch Siedler usw. gehören). Sie zeigten aber auch ein eigenes Konzept zur selbstverwalteten Finanzierung indigener Gemeinschaften für den Waldklimaschutz, den Fondo Indígena Amazonía Viva para la Humanidad (FIA) und den alternativen Vorschlag zum Waldschutz, REDD+ Indígena Amazónico, basierend auf den Lebensplänen (Planes de Vida Plena) der einzelnen indigenen Gemeinschaften auf.

Tatsächlich ließ sich u.a. an den Inhalten und der Zahl der im peruanischen Pavillion auf dem offiziellen Gelände durchgeführten Veranstaltungen ablesen, dass der indigene Dachverband Perus in der Zusammenarbeit mit dem peruanischen Umweltministerium einen großen Schritt hin zu der Anerkennung indigenen traditionellen Wissens für Mitigations- und Adaptationsmaßnahmen im Klimaschutz und die finanzielle Berücksichtigung indigener Gemeinschaften in solchen Maßnahmen getan hat. Die Titulierung und Sicherung der indigenen Territorien bleibt auch hier die oberste Priorität und während sich das peruanische Umweltministerium sichtbar offen für die indigenen Beiträge zeigt, ist es leider kein Geheimnis, dass andere, einflussreichere Ministerien wie das Bergbau-Ministerium in Peru wirtschaftliche Interessen durchzusetzen suchen, die im Widerspruch zu den Ergebnissen und Zielen der peruanischen (und weltweiten) Klimapolitik stehen.

Klimapolitik in den Anden: Peruaner verklagt RWE

Was die Bergbauproblematik betrifft, wurde in Paris sowohl auf dem offiziellen Verhandlungsgelände als auch in der öffentlich zugänglichen Climate Generations Area, wo sich der indigene Pavillion befand, eine Initiative von Germanwatch vorgestellt. Im Rahmen derselben wurde erstmalig ein weltweit agierender deutscher Energieriese von dem Peruaner Saúl Luciano vor einem deutschen Gericht verklagt, eine Entschädigungssumme in Höhe des Anteils an der Verursachung des Klimawandels an die lokale Bevölkerung in Huaraz zu zahlen, die durch die schmelzenden Gletscher in ihrer Existenz bedroht ist. Dies wäre ein sehr wichtiger Präzedenzfall auch für die Klimaschutzpolitik, wenn die verursachenden Unternehmen aus der ersten Welt in ihren Heimatländern zur Rechenschaft gezogen würden.

Kilometerlange Menschenkette

Es ist weithin bekannt, welche großen wirtschaftlichen und politischen Interessen gegen eine allzu ambitionierte Beschlussfassung für das Nachfolgeprotokoll zu Kyoto standen und ihnen spielten die verschärften sicherheitspolitischen Umstände in Paris zu, mit denen Kundgebungen der Zivilgesellschaft eingeschränkt wurden und die auch durch Programmänderungen und Unwägbarkeiten die Teilnahme an den offiziellen Verhandlungen erschwerten. Dennoch wurde zum Abschluss der COP am 12. Dezember in Paris eine kilometerlange Menschenkette gebildet und in zwei Schweigeminuten der Opfer des Klimawandels gedacht, während vor dem Auftakt am 29. November 20.000 Paar Schuhe auf den Platz der Republik aufgestellt worden waren – anstelle der verbotenen Demonstration. Auch fuhr im Rahmen der Aktion „Paddle to Paris“, wenn auch in abgewandelter, den Umständen angepasster Form, ein gemietetes Boot mit indigenen Vertretern und Unterstützern auf der Seine entlang, um auf die Bedeutung indigener Territorien und den Schutz indigener Rechte aufmerksam zu machen.

Nach all den widrigen Umständen wurde die Verabschiedung des global verbindlichen Klima¬vertrages auf der COP 21 als bemerkenswertes diplomatisches Ereignis in den Medien gefeiert. Obwohl Länder wie Saudi Arabien und die USA dem zunächst entgegen standen, hat man sich bei dem Abkommen – das am 22. April in New York allerdings von den Staaten noch unterzeichnet werden muss – auf die Begrenzung der Erderwärmung deutlich unter 2°C (gegenüber dem vorindistruiellen Niveau) geeinigt und festgehalten, dass 1,5° angestrebt werden. Das Abkommen enthält jedoch auch Hintertüren z.B. für fossile Energien, wenn es z.B. gelingen sollte, durch Techniken wie BECCS (Bioenergy with Carbon Capture and Storage) Treibhausgase wieder aus der Luft zu „entfernen“. Eine gefährliche, noch gar nicht ausgereifte technische Trickserei, die von der notwendigen und zügigen Transformation insbesondere der Verursacher-Staaten ablenken kann und deshalb unbedingt im Auge zu behalten ist. Weitaus weniger kostspielige und bereits existierende Klimaschutzmaßnahmen wie der Schutz indigener Territorien sind weiterhin nicht im Fokus der Vertragsstaaten, wenn auch zumindest in der Präambel indigene Rechte sowie auch traditionelles indigenes Wissen erwähnt sind. Dass der Begriff Menschenrechte aus Artikel 2 des operativen Teils des Abkommens wieder gestrichen wurde und auch indigene Rechte nicht darin aufgenommen wurden, ist ein sehr frustrierender, wenn auch nicht überraschender Aspekt. Sehr wichtig wird es nun sein, die Weichenstellung bei den einzelnen Vertragsstaaten wie Deutschland und Peru hin zur Transformation, zur Verbesserung der Energieeffizienz zu beobachten und zu begleiten sowie auf den Schutz indigener Rechte in Klimaschutzmaßnahmen zu bestehen.

Der Schutz der Menschen- und indigenen Rechte spielen auch in anderen internationalen Abkommen wie zu den Sustainable Development Goals SDG eine große Rolle und es wird eine wichtige Aufgabe sein, ihre Einklagbarkeit sowie die Ahndung von Verstößen gegen Vereinbarungen aus dem Klimaschutzabkommen durchzusetzen. Immerhin verfolgt das deutsche BMZ einen menschenrechtsbasierten Ansatz.

Waldschutzabkommen zwischen Deutschland, Norwegen und Peru

In diesem Zusammenhang wird es eine Aufgabe sein, Perus AIDESEP bei der Sicherung indigener Rechte und Territorien im Rahmen des Waldschutzabkommens zwischen Norwegen, Deutschland und Peru zu unterstützen. Insbesondere ist auf die Gefahren der Entwaldung in Zusammenhang mit der dramatischen Ausbreitung der Palmöl-Plantagen aufmerksam zu machen und diese zu vermeiden zu helfen, damit sich das Ziel des Waldschutzes im trilateralen Abkommen erfüllen kann.

Für die deutsche Öffentlichkeit, die EZ und die Politik muss deutlich werden, warum die marginalsierten indigenen Gebiete und Völker von großer Bedeutung für den Schutz vor dem Klimawandel sind: Bei der Betrachtung von entsprechenden Landkarten und Luftbildern wird deutlich, dass Peru im Vergleich zu seinem Nachbarn Brasilien noch eine relativ niedrige Entwaldungsrate im Amazonastiefland verzeichnet, gleichzeitig einen sehr großen flächenmäßigen Anteil an den megadiversen Urwäldern Amazoniens hat und die Gebiete, wo indigene Völker ihren traditionellen Wirtschaftsformen nachgehen, jene sind, in denen die Wälder noch intakt sind. Hier konnten AIDESEP und seine regionalen Verbände wie FENAMAD in Paris auch aufzeigen, wie mithilfe von Luftaufnahmen von Drohnen, die den indigenen Gemeinschaften mit vergleichsweise geringem Kostenaufwand zur Verfügung gestellt wurden und die sie nunmehr selbst bedienen, das Eindringen von illegalen Holzfällern in ihre Territorien per Übertragung per Internet vor den oftmals Tagesreisen entfernt liegenden entsprechenden Behörden nachgewiesen werden kann. Diese Behörden können somit wesentlich zeitnaher und dadurch effektiver zum Ergreifen von Maßnahmen veranlassen werden.

Wir schließen uns daher der überwiegenden Zahl von Kommentaren deutscher NRO an, das Klimaabkommen von Paris nicht zum Anlass zu nehmen, in unangebrachter Zufriedenheit nunmehr auszuruhen, noch über die zahlreichen (Ent-)Täuschungen zu erstarren, sondern es aktiv als Grundlage für das Einwirken auf „unsere“ Regierungen in Deutschland, der EU sowie in Peru und weltweit zu verwenden, um sie zum Nacharbeiten und engagierten Voranschreiten zu veranlassen. Dass das peruanische Umweltministerium dafür nicht als unwichtiger Partner zu betrachten ist, lässt sich im Umkehrschluss vielleicht auch aus dem (beunruhigenden) Vorhaben einiger Wahlkandidaten für die im April anstehenden Präsidentschaftswahlen in Peru ableiten, dieses Ministerium, welches mit deutscher Unterstützung eingerichtet wurde, kurzerhand wieder abzuschaffen…

Elke Falley-Rothkopf (Vorstandsmitglied der Infostelle Peru e.V. und Mitglied des Instituts für Ökologie und Aktions-Ethnologie infoe e.V.)