Immer wieder spült das Meer neuen Erdölschaum an den Strand. ©Luisenrrique Becerra

Schwarzes Gift – Problematische Erdölproduktion in Peru

 

 

Die Erdölproduktion Perus ist im Vergleich zu anderen Ländern zwar eher gering. Für die von den zahlreichen Erdölaustritten betroffenen Menschen, Pflanzen und Tiere sind diese jedoch jedes Mal katastrophal.

 

Ölpest vor der Küste Limas

Am 15.1.2022 gab es an der peruanischen Küste eine große Ölpest. An der Pazifikküste im Landkreis Ventanilla flossen damals beim Umfüllen von Öl aus einem Tanker in die Raffinerie 10.366 Barrel Erdöl (ca.1.650 Millionen Liter) aus. Verantwortlich war das spanische Erdölunternehmen Repsol. 48 Strände oberhalb der Hauptstadt Lima und der Hafenstadt Callao wurden verseucht. Diese Katastrophe bedrohte über 10.000 Menschen existentiell. Die Firma betont, dass alles wieder in Ordnung gebracht wurde. Das stimmt nicht. Von den ausgetretenen über 10.000 Barrel wurden wohl nur 2.500 Barrel abgesaugt bzw. eingesammelt. Der Präsident der örtlichen Fischervereinigung klagt, dass beim Umdrehen der Steine immer noch Ölreste zu sehen seien, es rieche nach Öl. Er klagt: „Wer will hier Tourismus machen, wer will denn Fische mit Erdöl kaufen?“[1]

Repsol seinerseits bezieht sich bei der Aussage „Alles ist wieder sauber“ auf eine Studie der auf Umweltfragen spezialisierten Firma Environmental Ressource Management[2], die erklärte, dass Flora und Fauna in der von der Ölpest betroffenen Region ohne Erdölrückstände sind.

Die staatliche Umweltüberwachungsbehörde OEFA (Organismo de Evaluación y Fiscalización Ambiental) ordnete gegen Repsol neben der Behebung der Schäden ein Bußgeld in Höhe von 5 Millionen Soles (über 1,5 Millionen Euro) an. Dagegen hat die Firma Widerspruch erhoben.[3]

Insgesamt liegen gegen Repsol  Bußgeldbescheide in Höhe von ca. 70 Millionen Soles vor. Diese Bußgelder wurden hauptsächlich wegen Erdölaustritten im amazonischen Regenwald verhängt, wo Repsol sehr aktiv ist.[4]

 

Erdölförderung im  amazonischen Regenwald 

Während der Unfall in Ventanilla große, auch internationale Aufmerksamkeit erhielt, interessiert sich für die zahlreichen Erdölunglücke im Amazonasgebiet kaum jemand.

Weit über 50% des peruanischen Regenwaldes sind konzessioniert. Wenn Erdöl gefunden wird und die Produktion für die Firmen „rentabel“ ist, kann dort mit der Förderung begonnen werden.

Die Förderregionen werden in sogenannte „lotes” (Lose) aufgeteilt, die oft sehr groß sind und Territorien verschiedener indigener Völker betreffen. Das Los Nr. 192 gefährdet seit Jahrzehnten Umwelt und Gesundheit von den indigenen Völkern der Quechua, Achuar de Pastaza, Kichwa del Tigre, Urania und Andoras. Das im amazonischen Regenwald geförderte Erdöl muss über zum Teil tausende von Kilometern über die Anden an die Küste gepumpt werden. Das ist eine sehr große Gefahrenquelle. In den Jahren 2000 bis 2019 gab es allein im nördlichen amazonischen Fördergebiet über 10.000 Erdölaustritt, die Bäche und Felder verseuchten. Die stinkende, giftige Brühe breitete sich bis in die Siedlungen aus. Sie bedroht nicht nur Pflanzen und Tiere, sondern immer auch die Menschen. Besonders die Kinder erleiden lebensgefährliche Durchfälle und Erbrechen. Auch Erwachsene wie Rosa Macusi (37 Jahre) und Miguel Vela (25) aus dem Dorf Nuevo Peru starben an den Folgen des Durchfalls.[5]

Die Verseuchung von Bächen und Flüssen verstößt gegen das Menschenrecht auf Wasser, von den Vereinten Nationen am 28.10.2018 beschlossen. In Peru gibt es das Gesetz Nr. 50588 aus 2017, in dem der Zugang zu sauberem Wasser gesichert wird. Für indigene Völker haben Wasser und Flüsse eine besondere Bedeutung. Das Wasser, die Luft, das Land – alles hat eine Seele. Die Natur ist eine lebende Einheit.

 

Immer wieder tritt Erdöl aus

Von den 55 indigenen Völkern der peruanischen Amazonasregion erlitten 41 Probleme durch die Erdölausbeutung. Abgesehen von den gesundheitlichen Problemen verlieren sie zum Beispiel das Recht, die eigenen Vorstellungen von „Entwicklung“ zu bestimmen, werden vertrieben oder die biologische Vielfalt und ihre Nahrungsmittel gehen verloren.

Die peruanische Nichtregierungsorganisation CAAAP (Centro Amazónico de Antropología y Aplicación Práctica) berichtet, dass in der Region, die zum Los 192 (Region Loreto) gehört, in der Zeit von 1998 bis 2020 181 Erdölaustritte aus der Pipeline stattfanden. Dadurch wurden 670 Flächen im Regenwald verseucht.[6]

Probleme gibt es schon bei den Bodenuntersuchungen, dann bei der darauffolgenden Förderung und schließlich gibt es die Lecks in den Pipelines, die 50 Jahre alt ist. Gründe für die Lecks sind Korrosion, schlechte Wartung und auch Sabotage-Aktionen. Experten geben an, dass solche Aktionen zumeist von gut ausgerüsteten „Handwerkern“ verübt werden, die sich dann einen Auftrag zur teuren Reparatur erhoffen. Ein Beispiel ist die Klage der damaligen Abgeordneten Maria Elena Forondo im Jahr 2018. Ehemalige Führungskräfte des staatlichen Erdölunternehmens Petroperú haben kurz nach ihrem Ausscheiden aus dem Konzern Firmen zur Schadensbekämpfung bei Erdölaustritten gegründet. Mit diesen erzielten sie schnell Einnahmen von 12,5 Millionen Euro für geleistete Arbeiten bei der Beseitigung von Ölaustritten.[7]

Besonders schlimm traf es die Dorfgemeinschaft San Pedro im Distrikt Uranias in der amazonischen Region Loreto.  Seit 2014 gelangte fünfmal Erdöl auf ihr Land und in ihre Bäche. Die giftige Brühe floss weiter in den Fluss Chambira, dessen Wasser über den Marañonfluss in den Amazonasstrom fließt.[8]

Betroffen von den aktuellen Protesten gegen die peruanische Regierung im Januar 2023 ist auch der Distrikt Santa Maria de Nieva in der Region Amazonas. Hier sind 17 indigene Dorfgemeinschaften von einem Erdölaustritt, 500 Meter von der Straße zwischen Putuyakat-Panntam entfernt, betroffen. Petroperú erklärte, dass sie wegen der Proteste nicht in diese Gegend fahren könne. Die Selbstverwaltung der indigenen Awajún ruft speziell die dortigen nicht-indigenen Siedlungen auf, die Kontrolldelegation ohne Probleme in die Region reisen zu lassen.[9]

Um welche Dimensionen es geht, zeigt das Los 200. Es handelt sich um eine Fläche von 447.126 Hektar Regenwald in den Regionen Ucayali und Huánuco. Die spanische Firma Compañia Española de Petróleos beantragte 2012 durch ihre peruanische Filiale CEPSA Peruana SAC die Genehmigung für Erdölbohrungen. Sie erhielt die Konzession bis zum Jahr 2018. Die gesetzlich vorgeschriebene Vorab-Konsultation wollte das zuständige Ministerium mit unerlaubten Tricks (Einladung von fremden Personen etc.) durchführen. Die indigenen Organisationen der Shipibos, Awajún und Ashéninka wehrten sich. Im April 2022 warf die spanische Firma das Handtuch, genervt durch den Widerstand der indigenen Organisationen. Diese wurden von der peruanischen Menschenrechtsorganisation IDL unterstützt. Deren Rechtsanwalt Álvaro Márquez betonte, dass die peruanische Regierung jetzt nicht einfach so dieses Los ausschreiben könne, sondern, wie vorgeschrieben, im Vorfeld die Vorab-Konsultation durchführen müsse.[10]

Auch in Lima protestierten Aktivisten am 4. Februar gegen den spanischen Erdölkonzern Repsol. ©Hildegard Willer

 

Erdölförderung ist für die „nicht-kontaktierten“ Indigenen tödlich

Der englisch-französische Erdölkonzern Perenco will im Gebiet der indigenen Völker, die in freiwilliger Isolation leben, Erdöl fördern. Er ist schon in der Region Loreto (Lose 67 und 39) tätig. Konkret geht es um die indigenen Schutzgebiete der indigenen Völkern Aewa, Taushiro, Taggeri, Taromenane und Záparo Napo-Tigre.

Die peruanische Regierung verbot zunächst dieses Projekt. Die zuständige Regionalregierung Loretos agiert auch in diesem Fall im Sinne der Erdölfirma. Die peruanische Koordination der indigenen Völker Perus (AIDESEP) forderte auch hier, zusammen mit der regionalen indigenen Organisation ORPIO (Organización de Pueblos Indígenas del Oriente), Regierung und Unternehmen auf, alle Vorhaben zu unterlassen, die die Zukunft der indigenen Völker gefährden.[11]

Das ist sehr dringend, weil im Parlament gerade ein Gesetzesentwurf diskutiert wird, der das Leben der indigenen Völker noch mehr gefährden würde. Die ohnehin laschen Umweltvorschriften sollen noch weiter gelockert werden.

Ein vorläufiger Erfolg ist, dass Perenco seinen Einspruch gegen das Produktionsverbot in der Reserva Nativa Napo-Tigre zurückzog.[12]

 

Fracking – im amazonischen Regenwald nichts Neues

Erdöl- und Erdgasförderung durch Fracking wird in verschiedenen Regionen an den Flüssen Amazonas, Marañon und Ucayali sowie an der nördlichen Küste praktiziert. Das Verfahren wurde in der Fachzeitschrift Adentro der peruanischen Vereinigung für Bergbau, Erdöl und Energie als sehr positiv und ungefährlich beschrieben (Nr. 144, 2015). Damit würden viele Projekte ermöglicht, die sonst nicht ergiebig genug oder nicht möglich gewesen wären. Unschädlich ist Fracking nicht, weder im Regenwald noch in moderneren Anlagen in den USA. In Peru kommt es seit über 40 Jahren zu Austritten von Blei, Chrom und anderen chemischen Stoffen. Laut Berichten sind es 650 chemische Stoffe, die mit dem giftigen Abwasser in die Flüsse und Bäche geleitet werden.[13]

 

Indigene wehren sich, natürlich

Die Auseinandersetzungen indigener Organisationen mit diesen Risiken sind sehr zahlreich: Gerichtsprozesse, Blockade von Flüssen, um die Transporte von Materialien zu unterbinden oder Besetzungen von Förderanlagen oder Hubschrauberlandeplätzen. Während einer der Blockaden im Marañonfluss im Jahr 2022 gab es auch Blockadenbrecher. Eine war die Transportfirma Grupo Selva, die sich den Weg quasi freischoss.[14]

Die Gemeinden der Kichwa an der Grenze zu Ecuador beschlossen im Jahr 2022 keine Erdölproduktion in ihrem Gebiet des Loses 192 zuzulassen, bis der peruanische Staat die bereits gemeinsam beschlossenen Übereinkünfte erfüllt. Diese sind: Beseitigung der vielen Lecks und Erdölaustritte, der Bau von funktionierenden Gesundheitsposten und die Beendigung des Prozesses, den die Firma Repsol gegen 18 ihrer Dorfgemeinschaften wegen angeblicher Entführungen von Erdölarbeitern und illegalem Waffenbesitz führt. Im Fall einer Verurteilung müssten die Dorfmitglieder für 31 Jahre ins Gefängnis und an die Erdölfirma eine Entschädigung in Höhe von 130.000 Dollar zahlen.

In den Regionen der Lose 192 und Los 8, die im Besitz der niederländischen Firma Pluspetrol sind, wehren sich die indigenen Menschen, deren 100 Dorfgemeinschaften sich in der PUINAMUDT (Pueblos Indígenas Amazónicos Unidos en Defensa de sus Territorios) zusammengeschlossen haben. Es kommt auch zu Abkommen zwischen indigenen Organisationen und der peruanischen Regierung. Eine solche unterzeichneten 500 indigene Dorfgemeinschaften innerhalb des Loses 192, damit eine Basis-Gesundheitsversorgung bereitgestellt wird und zumindest teilweise die durch die Erdöllecks entstandenen Krankheiten behandelt werden können. Im Juni 2022 erklärte der damalige Parlamentspräsident, dem Gesundheitsministerium würden keine Mittel dafür zur Verfügung gestellt. Es gebe halt kein Geld dafür.[15]

 

Firmenverantwortung

Von den vielen Erdölaustritten wurden in Peru bisher überhaupt nur 32 in die Liste „vorrangig zu entgiften“ aufgenommen. Wenn alle aufgenommen würden, müsste die verseuchte Erde dort abgetragen und allein im Gebiet des Loses 192 mit 25.000 Lastwagen neue Erde hingebracht werden. So eine Maßnahme würde über 130 Millionen Euro kosten. Zum Vergleich: Die vom Erdölaustritt betroffene Region Loreto hätte im Laufe der Zeit über die Abgaben (canon minero) ca. 45 Millionen Euro erhalten. Und auch das wäre nur eine kosmetische Lösung, denn eine Wiederherstellung des Urzustands eines Regenwaldes mit hohem biologischem Reichtum ist nicht möglich.

Die Firma Petroperú hat 2020 ihre Produktion eingestellt und – deutlich gesagt – den Dreck liegen gelassen.[16]

 

Die Ölpest hat viele, vor allem, junge Menschen empört über die Nachlässigkeit des Erdölkonzerns. Seitdem finden immer wieder Demonstrationen statt, wie hier vor dem Hauptsitz des Konzerns Repsol im Stadtteil San Isidro in Lima ©Michele Stebler

Lösungsansätze

Es gibt keine umweltschonende Erdölproduktion. Und natürlich trägt die Erdölgewinnung zur Klimakatastrophe bei.

Peruanische Umweltorganisationen und indigene Völker fordern:

  1. Ein sofortiges Moratorium der Erdölproduktion. In dieser Zeit muss es eine konsequente Aufarbeitung der bisher entstandenen Schäden für Menschen und Umwelt geben.
  2. Die indigenen Dorfgemeinschaften müssen vorrangig ihre kollektiven Landtitel bekommen. Für diesen Zweck haben internationale Organisationen wie auch die deutsche Entwicklungszusammenarbeit große Geldmittel zur Verfügung gestellt, mit sehr geringem Erfolg, weil die zuständigen Stellen in den Regionen ihre Arbeit nicht machen. Landtitel würden es den indigenen Dorfgemeinschaften ermöglichen, wenigstens an den vorgeschriebenen Vorab-Konsultationen (ILO-Konvention 169) auf Augenhöhe teilzunehmen. [17]
  3. Die peruanische Regierung wie auch internationale Kooperationen im Bereich Klimaschutz/Klimagerechtigkeit müssen indigenen Dorfgemeinschaften und Organisationen – auch direkt und ohne das Verschwinden der Gelder in korrupte Strukturen – die Möglichkeiten bieten, ihre eigene, wirklich waldschonende nachhaltige Ökonomie aufzubauen. So entkräften sie die Argumente der Erdölkonzerne, „Entwicklung“ zu bringen und Arbeitsplätze zu schaffen.

 

Indigene besetzen eine Erdölpumpstation im Juli 2019 (© Hildegard Willer)

Natürlich wäre auch in Peru, aber besonders im „Globalen Norden“ eine Umorientierung von Produktion und Konsum, weg von fossiler Energie, dringend notwendig. „Wir brauchen eine Rohstoffwende: Weniger verbrauchen, anders konsumieren und produzieren. Menschenrechte und Umweltschutz müssen gestärkt werden.“ (Südlink Januar 2023)

 

Heinz Schulze

Anmerkungen:

[1] A un año del derrame de Repsol, Ana Leyva, Alejandro Chirinos, Mario Zuniga, CooperAcción 2023,

[2] ERM ist eine große Firma, die auch Büros in Büros in München, Köln und Hamburg hat.

[3] Inforegion, Lima, 13.1.2023

[4] La República, Lima 16.1.2023

[5] La sombra del petroleo, http://bitterly13answgLT (95)) und Servindi, 9.22.2022

[6] https://derechoshumanos.pe

[7] https://www.servindi.org/26/05/2018

[8] Observatorio Petrolero de Amazonía Norte in Servindi: 28.1.2021 und Servindi 6.4.22

[9] Servindi, 25.1.2023

[10] IDL in Servindi noticias, 4.4.2022

[11] AIDESEP Lima, 7.11.2022

[12] Servindi, 3.9.2022 und Aidesep, Lima, 7.11.2022

[13] Foro Fracking retos y realidades, Junio 2019, http://www.facebook.com ingenieria/videos/22682765662; https://www.servindi.org/27/09/2022/desde-1954-se-practica-en-peru-el-fracturamiento-hidraulico-fracking

[14] Servindi , 5. und 10.10.2022

[15] Servindi, 3.7.2022

[16] PUINAMUDT denuncia penalmente a Perupetro por derrames, observatorio.petrolero.org. Abril 2022

[17] Servindi, 29.9.2022