In Südperu herrscht(e) die schlimmste Dürre seit 50 Jahren. (© Andina/Difusión)

Kurz gemeldet – Dezember 2022

Klimapartnerschaft, Dürre und Ikea: in den letzten Monaten gab es einiges zu berichten

Deutschland und Peru vereinbaren Klimapartnerschaft

Im November wurde die erste Klimapartnerschaft Deutschlands mit einem lateinamerikanischen Land unterzeichnet. Im Mittelpunkt der neuen Partnerschaft mit Peru stehen der Klimaschutz und die Anpassung an Klimarisiken. Für neue Projekte in diesen Bereichen haben das Entwicklungsministerium (BMZ) rund 216 Millionen Euro und das Wirtschafts- und Klimaministerium (BMWK) rund 136 Millionen Euro zugesagt.

Die Projekte sollen den Klimaschutz voranbringen und zugleich den Menschen vor Ort helfen für  die Folgen des Klimawandels besser gewappnet zu sein. Unterstützt werden der Aufbau von nachhaltigen ÖPNV-Systemen und der Schutz des Amazonas-Regenwald und dabei der Einsatz gegen die Forstkriminalität.

Die Klimapartnerschaft ist Startschuss für einen künftig regelmäßig stattfindenden hochrangigen Klima-Dialog zwischen Deutschland und Peru (auf deutscher Seite unter Beteiligung des BMZ, BMWK, des Auswärtiges Amts und des BMUV). Geplant ist zudem eine Zusammenarbeit mit der Wissenschaft, dem Privatsektor und der Zivilgesellschaft beim Klimaschutz.

Schlimmste Krise seit 50 Jahren: Dürre vernichtet Tiere und Felder in Peru

Peru leidet unter einer der schlimmsten Dürren seit mehr als fünfzig Jahren, die bereits zum Tod von Tieren und zur Beeinträchtigung von Ernten geführt und in mehreren Regionen Waldbrände ausgelöst hat.

Die Regierung hat einen 60-tägigen Notstand in 111 Bezirken von Arequipa und Puno ausgerufen. Die Behörden in Junín, Ayacucho und Huancavelica fordern eine ähnliche Maßnahme für ihre Regionen.

Alpakakälber sind verendet, und die Kartoffelaussaat, die mit dem Einsetzen der Regenfälle im September hätte erfolgen sollen, wurde stark beeinträchtigt, so dass in den kommenden Monaten mit Ernteausfällen zu rechnen ist.

Die Krise hängt mit der Erderwärmung zusammen und wurde durch das La-Niña-Phänomen im Zentralpazifik, das die Frostgefahr in den hohen Andenregionen erhöht, noch verschärft.

Die Behörden von Ayacucho, Junín und die Bauern von Huancavelica, die ebenfalls unter der Dürre leiden, fordern die Regierung auf, den Notstand auch in ihren Gebieten auszurufen. Sie bitten das Landwirtschaftsministerium um Unterstützung, um Hafer, Futtermittel, Medikamente und Vitamine zu kaufen, um das Sterben der Tiere zu stoppen. Außerdem müssen die Opfer der Waldbrände versorgt werden und Bewässerungsschläuchen und Futter für die Tiere gekauft werden.

Tod von Bryan Pintado: auch nach zwei Jahren noch keine Gerechtigkeit

Zwei Jahre nach dem gewaltsamen Tod von Bryan Pintado bei den Protesten gegen den Putsch von Präsident Merino am 14. November 2020 kämpft dessen Vater immer noch um Wiedergutmachung und Gerechtigkeit. Bei den Protesten wurden durch Polizeigewalt 78 Menschen zum Teil schwer verletzt und zwei starben. Einer von ihnen war Pintado.

Amnesty International hat die übermäßige und unnötige Anwendung von Gewalt durch die Polizei bei den Protesten überprüft. Auch der Hohe Kommissar für Menschenrechte der Vereinten Nationen (UNHCHR) berichtete, dass die Polizei nicht verhältnismäßig und umsichtig gehandelt hat.

Im Juni 2022 reichte der Kongress eine Verfassungsklage gegen den ehemaligen Präsidenten Merino und zwei Beamte seiner Regierung als mutmaßliche Straftäter ein. Die strafrechtlichen Ermittlungen gegen die ebenfalls mutmaßlich verantwortlichen Polizeibeamten wurden eingestellt. Dies verhindert die Fortsetzung der Ermittlungen.

Zwei Jahre zuvor, im März 2020, hatte der Kongress das Polizeischutzgesetz (Gesetz 31012) verabschiedet, das Polizei- und Militärangehörige von der strafrechtlichen Verantwortung befreit. Außerdem wurde der Artikel des Gesetzesdekrets Nr. 1186, der den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei der Anwendung von Gewalt durch die Polizei festlegt, ausdrücklich aufgehoben.

Amnesty International fordert die peruanische Regierung auf, das Recht auf friedlichen Protest zu garantieren, indem sie Gerechtigkeit und Wiedergutmachung für die Opfer des 14. November fordert und das Polizeischutzgesetz aufhebt.

Entschädigung für Opfer von Zwangssterilisationen angeordnet

Der lange Kampf der Frauen, die Opfer von Zwangssterilisationen geworden sind, hat einen wichtigen Sieg errungen: Vor kurzem hat der Fünfte Verfassungsgerichtshof die Justiz aufgefordert, eine umfassende Wiedergutmachungspolitik umzusetzen.

Betroffen sind mehr als 314.000 Frauen, die zwischen 1996 und 2000 unter Alberto Fujimoris Regime im Rahmen des „Nationalen Programms für reproduktive Gesundheit und Familienplanung zur Bekämpfung der Armut“ sterilisiert wurden.

Das Gerichtsurteil sieht den Erlass eines Ministerialbeschlusses vor, in dem das “verfassungsmäßige Recht auf vollständige Wiedergutmachung für die Opfer von Zwangssterilisationen” anerkannt wird.

Die Zwangssterilisierungen gelten als eines der schockierendsten Beispiele für Gewalt gegen die indigene und arme Bevölkerung des Landes. Die betroffenen Frauen warten seit mehr als 25 Jahren auf ein Urteil und eine Bitte um Vergebung.

Die Entscheidung der Justizbehörde sieht vor, dass nur die 8.000 im offiziellen Opferregister REVIESFO registrierten Opfer Zugang zur Entschädigung haben. Dies ist ein Problem, weil dies viele Opfer von der Entschädigung ausschließt. In Huancavelica etwa begannen 2000 Opfer mit der Registrierung, aber nur 70 schafften es, sie abzuschließen. Ähnlich war es in Ayacucho.

Viele Betroffene konnten sich nicht registrieren lassen, weil sie nicht ausreichend informiert wurden, oder weil sie Furcht vor Stigmatisierung und der Preisgabe der erlittenen Taten hatten.

Noch immer laufen mehrere Strafverfahren, in denen die für die Zwangssterilisationen verantwortlichen Personen bestraft werden sollen. Zu den Angeklagten gehören Ex-Präsident Alberto Fujimori und seine ehemaligen Gesundheitsminister Eduardo Yong Motta, Marino Costa Bauer und Alejandro Aguinaga Recuenco.

Ikea will den lateinamerikanischen Markt erobern

Die Nachrichtenplattform OjoPúblico berichtet von Plänen von Ikea, den lateinamerikani-schen Markt zu erobern.  Dafür hat der weltgrößte Möbelhändler eine Allianz mit der chilenischen Gruppe Falabella geschlossen. Das erste Geschäft wurde in Santiago de Chile eröffnet, weitere Neueröffnungen in Peru und Kolumbien sind für 2023 geplant.

Die Organisation Earthsight warnt, dass der größte Holzverbraucher der Welt sich weigere, Fragen über die Herkunft des Holzes für die neuen Geschäfte in Lateinamerika zu beantwor-ten. Dies sollte „die Alarmglocken schrillen lassen“.

Die Holzimporte von Falabella in Chile und Peru haben in den Jahren nach der Unterzeichnung des Ikea-Vertrags 2018 zugenommen: 2021 importierte die Falabella-Gruppe so viel unbearbeitetes Holz wie nie zuvor in den letzten Jahren in Chile. Bei Falabella Peru stieg der Umsatz mit verarbeitetem Holz 2021 um 50 %. Hier soll das neue Geschäft in den kommenden Monaten eröffnet werden. Die 32.000 Tonnen, die Falabella einführt, machen mehr als die Hälfte des gesamten verarbeiteten Holzes aus, das in peruanischen Häfen einläuft. Einer der Hauptlieferanten ist Brasilien. Häufig verwendet Ikea Kiefer und Eukalyptus für seine Möbel. Die Plantagen befinden sich im Nordosten Brasiliens und im Bundesstaat Mato Grosso do Sul.

Ikea hat 2021 einen Umsatz von fast 25 Milliarden Dollar erzielt, aber nur zwei Milliarden Dollar an Steuern gezahlt, wie aus dem Jahresbericht des Konzerns hervorgeht. Die Luxem-burg-Leaks und Panama-Papers deckten auf, dass das Unternehmen ein komplexes System in europäischen Niedrigsteuerländern wie Luxemburg, Liechtenstein und den Niederlanden eingerichtet hatte, um so wenig Steuern wie möglich zu zahlen. Die drei Prozent der von den lateinamerikanischen Geschäften eingebrachten Franchisebeträge werden in diese millionenschweren Fonds einbezogen und durch komplexe rechtliche Strukturen kanalisiert, die häufig zur Steuervermeidung genutzt werden: eine legale, aber umstrittene Praxis.

3000 neue Seen

In Peru sind 3000 neue Seen entstanden, was aber kein Grund zur Freude ist. Denn die Ursache für ihre Entstehung ist die intensive Gletscherschmelze in jüngster Zeit, die eine Folge des Klimawandels ist. Das peruanische Umweltministerium befürchtet, dass 500 dieser Seen über die Ufer treten und das darunter liegende Land und Dorfschaften überschwemmen könnten. Diese sorgenvollen Informationen stammen aus Untersuchungen der Universität Huaraz, des Centro Nacional de Estimación, Prevención y Reducción del Riesgo de Desastres und des Instituto del Bien Común in Peru.

Zu erwähnen ist, dass sich in Peru noch 70 % der weltweit tropischen Gletscher befinden, mit dem grandiosen Andengletscher Huascarán mit einer Höhe von 6.768 Metern.  Mit diesen Gletschern sind die Anden die Hauptproduzenten des Wassers. (1)

Aktuell werden drei Seen genannt, die schnell überlaufen können: Uspaccochaque (Region Apurimac), Upiscocha (Cusco) und Papacocha (Lima). Bei diesen Seen reichen heftige Regenfälle aus, um sie zum Überlaufen zu bringen. Der See Papacocha in der Region Lima ist eine Touristenattraktion, auch weil er sich in der Nähe des „Bosque del amor“ befindet. (2)

(1) Servindi 22.9.22, Derretimiento de glaciares generan 3 mil nuevas lagunas

(2) Inforegion, Lima, 27.9.2022

Israelitas zerstören weiter den Regenwald im „Muttergottesland“

Bei den Israelitas handelt es sich um eine religiöse – alttestamentarisch ausgerichtete Gemeinschaft: „Asociación Evangélica Israelita del Nuevo Pacto Universal“ . Im peruanischen Volksmund werden sie “Israelitas” genannt.

Die Anhänger des Gründers, dem verstorbenen „Propheten“ Ezequil Ataucusi Gamonal, sind seit 1995 auf sein Geheiß von den Anden in den amazonischen Regenwald gezogen. Auch in Madre de Dios leben Familien der Israelitas. (1)

Sie hatten zeitweise politischen Einfluss und waren im peruanischen Parlament Übergangsparlament 2020/2021  vertreten.

Ivan Brehaut und Alfredo Niquez berichteten aus der Provinz Tahuamanu, Region Madre de Dios, dass im Jahr 2021 die Waldzerstörung durch die landwirtschaftliche Nutzung die der illegalen Goldschürferei übersteigt. Für einen beachtlichen Teil (1.700 Hektar) davon ist die Gemeinschaft der Israelitas verantwortlih..

In der anderen Kolonie Arca Pacahuarq werden aktuell ca. 6.000 Hektar ehemaligen Regenwaldes bearbeitet. Für die mühsame Arbeit der Abholzung und Vorbereitung des Landes zur landwirtschaftlichen Nutzung wurden billige Arbeitskräfte aus Brasilien angeheuert. Die Interozeanische Straße aus Brasilien dient auch hierzu als Vereinfachung der Neubesiedlung des Regenwaldes.

Weiter haben die Israelitas Anträge auf eine weitere  26.000 Hektar bei der zuständigen Behörde des regionalen Landwirtschaftsministeriums gestellt, um den Wald „in Wert zu setzen“. (2)

Der Begriff Inwertsetzung ist das Zauberwort für die Beamten, um die Genehmigung zur Bearbeitung – sprich Abholzung – des angeblichen wertlosen Waldes zu erteilen. Oft ist das Argument auch : Bäume kann man nicht essen aber die nach der Abholzung  produzierten Lebensmittel.

Solche Zahlen scheinen angesichts der Größe des amazonischen Regenwaldes Perus nicht relevant zu sein, auch wenn man liest, dass im Jahr 2021 137.976 Hektar Regenwald in Peru zerstört wurde. Im Vergleich dazu: München hat 310.000 Hektar Fläche. In drei Jahren wäre die Fläche ganz Münchens zerstört. Viele auch solcher „kleinen Abholzungen“ bringt in der Bilanz eine große Zerstörung. (3)

(1) Madre de Dios: Los israelitas deforestan en nombre de la tierra prometida
(2) httpss//ctuentas lamula.pe/login/?next=http%3A 19.9.22
(3) Inforegion, Lima 12.10.2022

Palmölproduzent wegen Abholzung des Amazonas bei der OECD angeprangert

Der Indigene Dachverband Aidesep und seine Mitgliedsorganisation Feconau haben das niederländische Unternehmen Louis Dreyfus Company B.V. bei der Nationalen Kontaktstelle der OECD-Richtlinien für multinationale Unternehmen angezeigt. Sie beklagen, dass dessen Palmöl-Lieferant Grupo Ocho Sur im peruanischen Amazonasgebiet auf Land arbeite, das er sich illegal angeeignet habe und das Teil des angestammten Gebiets der Shipibo-Konibo sei.

Die Ölpalmenplantagen von Ocho Sur hätten zur illegalen Abholzung von mehr als 12.000 Hektar Regenwald im Amazonasgebiet geführt, so der Vorwurf. Außerdem würden die Palmölplantagen bis heute ohne Umweltzertifikate betrieben.

In der Beschwerde wird Louis Dreyfus vorgeworfen, dass das Unternehmen es versäumt habe, mit der gebotenen Sorgfalt nachteilige Auswirkungen seiner Geschäftsbeziehung mit Grupo Ocho Sur in Peru zu ermitteln, zu verhindern bzw. abzumildern.

Darüber hinaus hat das Unternehmen zu den negativen Auswirkungen auf die Umwelt und die Menschenrechte, die von der Grupo Ocho Sur in Peru verursacht wurden, selbst beigetragen und gegen die OECD-Standards für Offenlegung, Kommunikation und Konsultation verstoßen.

Das ist der erste Fall, in dem sich ein führendes Palmölhandelsunternehmen vor der niederländischen Kontaktstelle wegen der Nichteinhaltung der OECD-Richtlinien verantworten muss.

EU-Lieferkettengesetz nimmt die erste Hürde

Der EU-Ministerrat hat sich am 1. Dezember auf ein europäisches Lieferkettengesetz geeinigt, allerdings mit einigen Abstrichen gegenüber dem Entwurf der EU-Kommission. Das Gesetz geht zum Teil weiter als das deutsche Lieferkettengesetz: Es umfasst mehr Unternehmen. Die Sorgfaltspflichten gelten ohne Abstufung auch für Zulieferer in der tieferen Lieferkette. Und, besonders wichtig: Unternehmen müssten vor Zivilgerichten in der EU für Schäden haften, die sie durch Verstöße gegen Sorgfaltspflichten verursacht haben. Aber es klaffen auch einige Lücken im Entwurf des Ministerrates, so Johannes Heeg, Sprecher der Initiative Lieferkettengesetz. “Geht es nach dem Rat, wären Waffenexporte nicht erfasst. Für Finanzdienstleistungen sind nur sehr eingeschränkte Sorgfaltspflichten vorgesehen und Mitgliedstaaten können sogar ganz davon absehen, diese konkret zu regulieren. Außerdem müssten sich Exporteure nicht mit der Verwendung ihrer Produkte beschäftigen. Damit wären zum Beispiel Agrarkonzerne fein raus, selbst wenn ihre Pestizide die Gesundheit von Bauern und Plantagenarbeiterinnen schädigen. Und anders als von der EU-Kommission vorgeschlagen, müssten Unternehmen die Vergütung ihrer Vorstände nicht daran knüpfen, ob sie ihre eigenen Klimapläne auch umgesetzt haben.” Außerdem ist die Initiative bestürzt, dass die Bundesregierung angekündigt hat, dass sie Schlupflöcher für Unternehmen schaffen will, die sich in Brancheninitiativen engagieren oder Zertifizierungen verwenden. Nur dann will sie am Ende dem Gesetz zustimmen.

Nun geht der Text in die Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament.

Zusammengestellt von Heinz Schulze und Annette Brox