Editorial InfoPeru Nr. 83

Liebe Leserin, lieber Leser des InfoPeru,

wenn man die politische Großwetterlage in Peru betrachtet, dann überkommt einen das große Heulen. Eine unfähige Exekutive und eine ebenso unfähige Legislative überbieten sich darin, all das, was Peru in den letzten 20 Jahren in seinem Staatswesen modernisiert und gefestigt hat, wieder rückgängig zu machen. Seien es die Rücknahme der Anforderungsbedingungen für private und staatliche Universitäten; sei es ein neues Gesetz, das die Mitsprache der Eltern bei der Erstellung von Schulmaterialien obligatorisch vorsieht (um eventueller Gender-„Ideologie“ einen Riegel vorzuschieben); die Verlängerung der Fristen für die informellen Goldschürfer, die damit weiterhin legal ihr Gold verkaufen können, ohne ihre Produktionsmethoden zu verbessern. Oder die informellen Buslinien, die weiterhin Limas Verkehr unsicher machen etc  etc.

Das Erstaunliche ist, dass sich die sogenannte Linke an der Macht, und die oppositionelle (extreme) Rechte sich darin blendend zu verstehen scheinen. Denn sie teilen in vielem dasselbe Weltbild: ein konservatives Familienbild mit dem Mann als Haupt der Familie; eine Vorstellung von Politik, in der es normal ist, dass man, wenn dann mal an die Macht gelangt, zuerst die eigenen Leute bedient; eine Vorliebe zum „Bescheißen“, zur Nichtachtung von Regeln und Vorschriften, die für alle gleich gelten.

Noch halten sich Legislative und Exekutive in ihrem Bemühen, sich gegenseitig abzusetzen die Waage. Doch die Tage von Präsident Pedro Castillo könnten auch bald gezählt sein, denn er muss sich wegen Korruption vor Gericht verantworten. Leider ist keine bessere Alternative zu Castillo in Aussicht.

Mehr zum Trauerspiel der peruanischen Tagespolitik in der Analyse von Andreas Baumgart in diesem InfoPeru.

Angesichts dieser aussichtslos scheinenden politischen Situation hatten sich alle Hoffnungen auf Gott Fußball gerichtet: doch selbst der – Gott soll ja Peruaner sein – hatte kein Einsehen.  Am 13. Juni verpasste die peruanische Nationalmannschaft den Einzug in die WM im Elfmeterschießen gegen Australien. Für ein paar Minuten schien Peru im Schock und Trauer vereint stillzustehen.  Doch schon wenig später feierten die Fans ihre Mannschaft bis in die späte Nacht hinein – auch wenn sie verloren hatte.  Auch dies ein Zeichen der Resilienz.

Angesichts der desaströsen Politik, bleibt nur, sich an kleinen, lokalen Fortschritten zu erfreuen. Derer gibt es in Peru und in der Infostelle Gott sei Dank viele – über einige von ihnen können Sie in diesem InfoPeru lesen. Das Leben geht trotz Politik und Fußball weiter.

Hildegard Willer