Editorial InfoPeru 87

Liebe Leserin, lieber Leser des InfoPeru,

das Peru Ende Februar 2023 ist nicht mehr dasselbe Peru wie 2021. Dazwischen liegen 48 von der Polizei erschossene junge Männer aus Andahuaylas, Chinchero, Ayacucho, Puno, Arequipa und Cusco, ein toter Polizist und elf weitere tote Peruaner*innen, die an den Folgen der Straßenblockaden gestorben sind.  Am 9. Januar wurden alleine in Juliaca (Puno) 17 Personen umgebracht, bei Protesten, die den Rücktritt von Präsidentin Dina Boluarte und baldige Neuwahlen  forderten. Doch kein Polizist ist bisher zur Verantwortung gezogen worden, kein Innenminister ist zurückgetreten. Im Gegenteil, Präsidentin Boluarte lobte die Polizei und das Militär, weil sie die Straßen wieder von den „Terroristen“ befreit hätten.  Längst sind es nicht nur die Quechua und Aymara aus dem Süden des Landes, die den Rücktritt Boluartes wollen. 70 bis 80% der Bürger*innen stimmen bei Umfragen zu. Doch Präsidentin Boluarte und das Parlament scheint dies nicht zu beeindrucken.

Die Polarisierung, der Rassismus und die Volksverhetzung durch die Hauptstadtmedien hat erschreckende Ausmaße angenommen. Amnesty International spricht in seinen jüngsten Recherchen von rassistisch begründeter Polizeigewalt: 80% der bei den Protesten erschossenen Personen waren Quechua oder Aymara. Denn ein indigener Bauer oder Bäuerin zählt in Peru immer noch weniger als ein weißer oder mestizischer Städter oder Städterin. Schon der Bericht der Wahrheitskommission vor 20 Jahren hatte diesen Rassismus, der die peruanische Gesellschaft durchzieht, schonungslos offengelegt.

Im Moment, in dem ich diese Zeilen schreibe, haben die Proteste an Intensität etwas nachgelassen, aber sie gehen an vielen Orten weiter. Die Repression durch Regierung und Polizei nimmt zu, jeder, der die Demonstrierenden unterstützt, kann in den Verdacht des „Terrorismus“ geraten.

Da Präsidentin und Parlament keine Anstalten machen, zurückzutreten bzw. Neuwahlen zuzustimmen, ist keine politische Lösung in Sicht.

Gerade ob der vorherrschenden Desinformation durch die in Lima ansässigen Zeitungen, Revolverblätter, Fernseh- und Radiosender – die meisten in privater Hand – und vor allem durch die sozialen Netzwerke wird ausländische, unabhängige Berichterstattung über die Ereignisse und Solidarität mit den Betroffenen umso wichtiger. Auch wir von der Infostelle Peru werden dran bleiben, wir werden berichten, unseren Partnern in Peru zuhören und ihrem Ruf nach Gerechtigkeit Gehör verschaffen in Europa.

Nicht nur Worte, sondern auch Bilder sind wirkmächtig. Deshalb freut es mich besonders, dass wir Ihnen in dieser Ausgabe des InfoPeru Bildstrecken von zwei Top-Fotografinnen und einem Top-Fotografen zeigen können. Die als Bürgerkriegsfotografin bekannte Vera Lentz hat die Proteste in Lima für die Infostelle Peru begleitet; Yda Ponce hat dasselbe in Puno und Juliaca getan.

Und Jacob Balzani-Lööv hat uns seine Fotos von der Reise durch den Bergbaukorridor von Apurimac bis Arequipa zur Verfügung gestellt.

Vielen Dank allen Dreien, und Ihnen wünsche ich  dieses Mal nicht nur gute Lektüre, sondern auch gutes Schauen! Lassen Sie die Bilder auf sich wirken!

Hildegard Willer

Redakteurin InfoPeru