Editorial InfoPeru 86

Liebe Leserin, lieber Leser des InfoPeru,

wenn ich Peru im Jahr 2022 Revue passieren lasse, so kommen mir erstmal negative Ereignisse in den Sinn: das ausgeflossene Erdöl im Pazifik vor Lima, steigende Preise, eine politisch sehr instabile und fast ausweglose Situation. Und zu allem Überfluss hat Peru die WM-Qualifikation für Katar knapp verpasst.

Während des gesamten Jahres 2022 haben wir gesehen, wie die Regierung von Opposition und dem Kongress permanent unter Druck gesetzt wurde. Es war ein ständiger Machtkampf zwischen dem – recht unfähigen – Präsidenten Pedro Castillo und den vor allem auf eigene Interessen bedachten Abgeordneten im Parlament. Rassismus und Arroganz der herrschenden Schichten Limas gegen den Dorfschullehrer aus den Anden spielten eine große Rolle. Aber auch Castillo machte Politik so, wie man das in den Anden halt traditionellerweise macht: mit seinem Klüngel, mit einem Stück des Kuchens für einen selbst oder die Parteigänger, mit sehr viel mehr Männern als Frauen. Wäre es nicht gerade dieser Kongress voller politischer Desperados gewesen, der Castillo abgesetzt hat, würden ihm wohl nur wenige eine Träne nachweinen. Aber so – abgesetzt von verachteten Parlamentariern, die ihren Triumph über den geschassten Castillo schamlos zur Schau stellten – wird Pedro Castillo zum Opfer, zum Märtyrer, zur Identifikationsfigur all jener, die wegen ihrer Hautfarbe, Herkunft und Bildung tatsächlich oder vorgeblich von der peruanischen Gesellschaft ausgeschlossen werden.

Andreas Baumgart erklärt Ihnen in diesem InfoPeru die Hintergründe der jüngsten politischen Ereignisse, die bisher 26 Todesopfer gefordert haben.

Und es ist keine Kunst vorherzusagen, dass uns die politische Instabilität ebenso wie die Interpretationen, wer denn nun geputscht habe – Castillo oder das Parlament – uns im Jahr 2023 weiterhin beschäftigen werden.

An Positivem bleiben mir von diesem Jahr die Begegnungen mit Saul, Silvia, Mariluz, Mari, Antony, Mirian, Juana, Ariana, Elvira, Ascencio und Roy in Erinnerung. Sie wohnen in verschiedenen Teilen Perus, sind unterschiedlich alt und kennen sich untereinander nicht. Dennoch haben sie etwas gemeinsam: sie alle setzen sich in ihrem Heimatort für die Erhaltung der natürlichen Ressourcen ein. Sei es, dass sie einheimische Früchte in Wert setzen; Fahrrad statt Auto fahren, Drohnen fliegen oder eine Klage gegen einen deutschen Multi anstrengen: sie alle glauben daran, dass sie an ihrem Ort etwas zum Besseren verändern können.

Die Portraits der neun Umweltheld*innen haben wir dieses Jahr in den verschiedenen Ausgaben des InfoPeru veröffentlicht und nun auch noch in einer von Victor Manríquez wunderschön gestalteten Bild-Text-Broschüre gesammelt  veröffentlicht. Sie kann hier heruntergeladen werden.

Ich wünsche den Portraits viele Leserinnen und Leser und Ihnen allen einen guten Start ins Jahr 2023,

Ihre Hildegard Willer

Redakteurin InfoPeru