Editorial InfoPeru 85

Liebe Leserin, lieber Leser,

Die Weltgeschichte spielt sich in diesen Tagen und Monaten nicht in Lateinamerika ab, und schon gar nicht in Peru.

Deshalb weiß ich oft nicht, ob ich weinen oder lachen soll, wenn ich das politische Theater beobachte, das sich Exekutive und die Legislative – also Regierung und Parlament –  in Peru liefern. Jüngstes Beispiel: der Kongress hat Präsident Castillo verboten, am Welternährungsforum in Rom teilzunehmen, wo er als Gastredner eingeladen war. Da die Staatsanwaltschaft in sechs Fällen wegen Vorteilsnahme und Korruption gegen ihn ermittelt, bestünde  Fluchtgefahr. Castillo musste deshalb virtuell per Internet seine Rede für Rom halten. Der Karikaturist Carlin trifft es auf den Kopf, wenn er Präsident Castillo sagen lässt: „Alle Präsidenten in Peru haben gestohlen. Mich lassen sie nicht, weil ich ein armer Bauer bin“.

Die polarisierten Medien, die einseitig auf Castillo einhauen; die Bestätigung, dass tatsächlich alle Politiker – eben auch Castillo – nur die eigene Bereicherung im Sinn haben; und zu sehen, dass Castillo keines seiner Reformvorhaben auch nicht in Ansätzen umsetzt: das alles führt zu einer tiefen Frustration und einem politischen Desinteresse in der Bevölkerung.  Ausdruck dessen war das geringe Interesse, das die Regional- und Kommunalwahlen vom Oktober hervorriefen. Profitiert davon hat der Rechtspopulist Lopez Aliaga in Lima, und weitere sogenannte „unabhängige“ Populisten, die in den Regionen gewonnen haben. In diesem InfoPeru können Sie darüber eine ausführliche Analyse von Andreas Baumgart lesen. Auch das Interview mit dem Politikwissenschaftler Mauricio Zavaleta erklärt sehr gut, warum es in Peru keine politischen Parteien mehr gibt.

In diesem Monat mussten wir uns von der Infostelle Peru von einem langjährigen Weggefährten und Vertrauensperson verabschieden. Der Menschenrechtler Pancho Soberón verstarb mit 73 Jahren, gesundheitlich bereits geschwächt, an Covid. Mit großem Dank und Bewunderung blicken Mitglieder der Infostelle auf ihre Zeit mit Pancho zurück.

Hoffnungsvoll stimmt der Alltag jenseits der großen Politik. In unserer Reihe Umwelthelden und -heldinnen lernen Sie dieses Mal gleich drei tolle Frauen kennen: die Bergbauaktivistin Ariana Kana aus Espinar; die Drohnenpilotin Mirian Sanchez aus Pucallpa und die Fahrradaktivistin aus Lima, Silvia Fernandez. Ungeachtet der großen Politik und ungesicherter finanzieller Verhältnisse engagieren sie sich für ihre Sache und die Umwelt.

Eine Fotoreportage von Jimena Rodríguez über die traditionellen – also legalen – Kokabauern aus La Convención runden diesen InfoPeru ab.

Ich hoffe, Sie finden für sich etwas Interessantes und Anregendes in dieser Ausgabe unseres Newsletters.

Hildegard Willer

Redakteurin InfoPeru