Demonstrierende Aymara-Frau mit der peruanischen Flagge. © Yda Ponce

Das war Peru 2023

10 Tiefschläge und 5 Highlights aus einem bewegten Jahr

10 Tiefschläge

1. Massaker von Juliaca und Proteste in Lima

Das Jahr 2023 begann, wie das Jahr 2022 aufgehört hatte: mit Protesten gegen die Absetzung von Pedro Castillo, gegen die neue Präsidentin Dina Boluarte und gegen die Abgeordneten im Parlament. Besonders der indigen geprägte Süden war in Aufruhr. Die Proteste waren massiv. Die Regierung schickte Polizei, um die Proteste zu unterbinden. In Juliaca erschossen vermutlich Polizisten an einem einzigen Tag dabei 18 Menschen. Viele von ihnen waren zufällige Passanten, einige sogar minderjährig. Die Proteste weiteten sich daraufhin auf Lima aus. Menschen aus Puno und Cusco unternahmen den langen und teuren Weg in die Hauptstadt. Dort trafen sie auf den tief verwurzelten Rassismus der Ober- und Mittelklasse Limas und der mit ihr verbündeten Medien.

Obwohl verschiedene internationale Organisationen die Repression von Polizei und Militär untersuchten und verurteilten und die Regierung Boluarte verantwortlich machten für die Toten, ist bis heute kein Militär oder Polizist oder gar die Regierung deswegen zur Rechenschaft gezogen worden.

Die monatelangen Proteste der indigenen Bevölkerung mit ihren insgesamt 49 erschossenen Toten blieben ohne Konsequenzen für Regierung und Parlament. Beide bekräftigen, dass sie bis 2025, also zu den nächsten turnusgemäßen Wahlen, im Amt bleiben wollen.

2.  Wirbelsturm Yaku sucht Nordperu heim

Wenn nicht die Politik Kapriolen dreht, dann tut es das Wetter. Ein für die Breitenlage ungewöhnlicher Zyklon – also ein tropischer Wirbelsturm – , und ein Küsten-Niño suchten im März vor allem die Küstenregionen in Nordperu heim und führte zu großen Überschwemmungen und Erdrutschen. 5 Personen kamen dabei ums Leben, viele mehr verloren ihr Heim. Infolge der Überschwemmungen breitete sich auch das Dengue-Fieber in der Region aus.

3. Universitätsreform zurückgenommen

Der Abbau staatlicher Institutionen durch das peruanische Parlament, in Komplizenschaft mit der Regierung Boluarte, begann mit der Zurücknahme der Universitätsreform. Zur Erinnerung: in den Jahren zuvor wurden Qualitätskriterien für staatliche wie private Universitäten eingeführt. Mehrere private Universitäten mussten schließen, solange sie die neuen Anforderungen nicht erfüllen konnten – vor allem in Bezug auf Ausbildung der Dozierenden, Anforderungen an Infrastruktur und eigene Forschung. Nun wurden mehrere dieser Kriterien zurückgenommen und das Aufsichtsgremium für Hochschulen mit Reformgegnern besetzt. Besitzer privater Schrottunis sitzen direkt im Parlament oder sind dort  durch ihre Lobbyisten vertreten.

4. Der „Sturm auf Lima“ im Juli wurde zum Stürmchen

Im Juli wollten sie vollenden, was die Proteste zu Beginn des Jahres nicht vermochten: Die Parlamentarier und Präsidentin Boluarte aus dem Amt jagen. Doch die angekündigten Proteste erreichten nicht die Stärke, die nötig gewesen wäre, um die Regierung zu erschüttern.

5. Einbruch des internationalen Tourismus

Aufgrund der Proteste zu Beginn des Jahres gaben mehrere europäische und nordamerikanische Länder Reisewarnungen für Peru heraus. Touristen änderten ihre Fernreisedestinationen und buchten andere Ziele. Mit verheerenden Folgen für den Tourismus. Im Juli und August – sonst Hauptreisezeiten – fand man in Lima oder Cusco kaum Touristen vor. Erst seit Ende 2023 trauen sich wieder vermehrt internationale Touristen nach Peru.

6. Dürre im Süden Perus

Nach den (letztlich erfolglosen) Protesten und ausbleibenden Touristen, blieb auch der Regen aus. Vor allem im Süden Perus blieben Felder unbestellt, die Preise für Lebensmittel gingen in die Höhe. Erst gegen Ende des Jahres, also viel später als üblich, hat es begonnen zu regnen.

7. Amazonasgebiet: kriminelle Tätigkeiten nehmen überhand

Der Regenwald im Amazonasgebiet geht weiter zurück. Haupttreiber der Entwaldung sind kriminelle und illegale Wirtschaftsfelder wie der Goldabbau, der Kokaanbau und der illegale Holzschlag. Gerade die illegalen Goldschürfer sind inzwischen nicht mehr nur im südlichen Madre de Dios, sondern in fast allen Amazonasgebieten vorzufinden. Der Kokaanbau wird von der internationalen Drogenmafia geschürt und koordiniert.

Aber auch legale oder durch Korruption legalisierte Umwidmung von Wäldern zu Anbauflächen ist weiterhin ein Problem im peruanischen Regenwald.

8. Umweltschützer leben gefährlich

Der vorerst letzte war Quinto Inuma Arevalo. Der Kichwa-Führer aus San Martin und Umweltschützer wurde im Dezember ermordet. Seit 2020 sind 15 Umweltschützer, 11 davon Indigene, in Peru ermordet worden, weil sie gegen die Abholzung durch die Drogenmafia oder gegen illegale Goldgräber vorgegangen sind. Der staatliche Schutzmechanismus für bedrohte Umweltschützer erwies sich als ungenügend.

9. Ende des peruanischen Wirtschaftswunders

Das peruanische Wirtschaftswunder ist Geschichte. Erstmals seit 25 Jahren – 2020, das Jahr der Corona-Pandemie nicht mitgezählt – vermeldet Perus Ende 2023 Wirtschaftsministerium ein negatives Wachstum und damit eine offizielle Rezession. Noch ist das Negativwachstum unter -1%, verschiedene Wirtschaftsinstitute hoffen, dass Perus Wirtschaft im 2024 wieder moderat wachsen wird.

10. Alle Jahre wieder: Fujimori – rein oder raus aus dem Gefängnis

Dezember ist nicht nur der Monat der Christkindes, sondern auch der Fujimori-Begnadigungen. Der wegen Menschenrechtsvergehen inhaftierte Ex-Präsident Alberto Fujimori war 2017 begnadigt worden und seitdem von mehreren Gerichten wieder inhaftiert oder freigelassen worden. Nun haben erneut drei peruanische Verfassungsrichter die Begnadigung von 2017 bestätigt und sich damit gegen die Anordnung des Interamerikanischen Menschengerichtshofs gestellt. Am 6. Dezember kam die peruanische Regierung dem Richterspruch nach und ließ  den 85-jährigen Fujimori frei.

….. und fünf Highlights

Ceviche wird Weltkulturerbe ©Pexels Eduardo Krajan

1. Bestes Restaurant der Welt in Lima

Wenn in Peru gar nichts mehr geht, dann gibt es immerhin noch die Küche. Und 2023 steht das weltbeste Restaurant in Lima. So zumindest sagt es „The World Best 50 Restaurants“, eine Art Oscar der Gastroführer. „Central“ heißt der gastronomische Spitzenreiter und geführt wird es vom Koch Virgilio Martinez und seiner Frau Pia Leon. Drei weitere peruanische Restaurants finden sich in der Liste der 50 Besten.

Auch wenn Peru erst mal stolz ist auf die Auszeichnung, so wurde doch auch Kritik laut, als bekannt wurde, dass ein Menü im „Central“ nicht unter 300 US-Dollar zu haben ist. In einem Land mit Wirtschaftskrise und immer noch vielen Menschen ohne genügend Nahrung, sei das obszön, sagten die einen. Nein, Edelrestaurants und ihre Gerichte seien wie Kunstwerke anzusehen und die hätten ihre eigenen Preisgesetze, sagen andere.

2. Gesetz gegen unkontaktierte Völker zurückgewiesen

Seit 17 Jahren stehen die unkontaktierten oder freiwillige isoliert leben indigenen Völker des peruanischen Regenwaldes unter gesetzlichem Schutz des Kulturministeriums. Dies ist Geschäftsleuten in Iquitos ein Dorn im Auge und sie versuchten, mit einem Gesetzesverstoß das bestehende Gesetz aufzuweichen. Die Zuständigkeit sollte auf die Regionen übergehen; nicht kontaktierte Völker gäbe es gar nicht.

Dieses Vorhaben wurde von dem für indigene Völker zuständigen Parlamentsausschuss Ende Juni 2023 abgelehnt und archiviert.

3. El Niño schwächt sich ab

Ein heftiger Niño wurde für die 2. Jahreshälfte 2023 und die erste Hälfte 2024 vorhergesagt. Das periodisch wiederkehrende Klimaphänomen würde dem Norden Perus heftige Regenfälle und Überschwemmungen, und dem Süden Perus Trockenheit und Dürre bescheren.

Bis Mitte Dezember 2023 hat sich der Niño, zumindest in Peru, abgeschwächt: Das Meer hat sich dank eines pazifischen Hochdruckgebietes abgekühlt, es kam bisher zu keinen Überschwemmungen. Und im Süden des Landes regnet es wieder.

Drücken wir die Daumen, dass der Niño auch im Jahr 2024 Peru weitgehend verschont.

4. EU verabschiedet Lieferkettengesetz

Die Europäische Kommission hat ein europaweites Lieferkettengesetz verabschiedet, das nun noch vom EU-Parlament und dem Europäischen Rat genehmigt werden muss. Das europaweite Gesetz verpflichtet Unternehmen ab 500 Beschäftigten, ihre Lieferketten auf Menschenrechtsverletzungen zu überprüfen. Geschädigte können vor europäischen Gerichten Klage einreichen. Das europäische Lieferkettengesetz geht damit über sein deutsches Pendant hinaus.

Für Peru könnte das Lieferkettengesetz vor allem wegen seiner vielen Bergbau- und Agrarexporte in die EU relevant werden. Viele Bergbauunternehmen werden der Menschenrechts- und Umweltvergehen bezichtigt. Agrarunternehmen werden wegen mangelnder Arbeitsbedingungen angeklagt.

5. Ceviche wird Weltkulturerbe

Auch zum Jahresende schafft es die Küche Perus in die Schlagzeilen. Die UNESCO hat das peruanische Nationalgericht Ceviche in seine Liste immaterieller Kulturgüter aufgenommen.  Ceviche ist roher Fisch oder auch Meeresfrüchte, die mit Limetten, Chili, Zwiebeln und Mais oder Süßkartoffeln zubereitet werden. Der Ursprung des Ceviche soll bei den indigenen Völkern des Pazifiks liegen, die den rohen Fisch mit der Frucht Tumbo mariniert haben. Heute wird Ceviche nicht nur in Peru, sondern in ganz Lateinamerika zubereitet.

Zusammengestellt von Hildegard Willer

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert