Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts eröffneten in Europa viele Kaffee- und Schokoladenstuben. © Midjourney

Bitteres Heilgetränk, Halluzinogen und Tauschwährung – der Kakao ist älter als angenommen

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Lange ging man davon aus, dass der Kakao ursprünglich in Mexiko und Mittelamerika domestiziert wurde. Doch neue archäologische Funde zeigen: In Peru, Ecuador und Kolumbien reicht die Geschichte des Kakaos noch viel weiter zurück – bis zu 5400 Jahre. Nach Europa kam die Schokolade erst im 16. Jahrhundert.

Osterhasen, Schokoladenkugeln am Weihnachtsbaum, Schokoladenriegel als Stärkung bei der Wanderung, eine Tasse heiße Schokolade in der Winterzeit: Der süße Genuss aus Kakao ist aus unserem Leben kaum mehr wegzudenken. Auch wenn man sich heutzutage genau überlegen muss, welche Schokolade man guten Gewissens kaufen kann, sind doch die prekären Arbeitsbedingungen auf vielen Kakao-Plantagen und die Abholzung von Regenwald für jene Plantagen inzwischen hinlänglich bekannt.

Doch wie gelangte die Schokolade überhaupt nach Europa? Während der Kakao in Mittel- und Südamerika schon seit tausenden von Jahren bekannt ist, breitete er sich in Europa erst ab dem 16. Jahrhundert aus. Dabei war die Schokolade zunächst dem Adel vorbehalten, der den Kakao vor allem für die Zubereitung eines Heißgetränks mit Zucker, Mint oder Anis verwendete. Dieses schmeckte noch nicht ganz wie die heiße Schokolade von heute und war auch nicht nur ein reines Genussmittel: Der Kakao galt zwar als aufregend exotisch, doch ihm wurde vor allem auch eine stärkende Heilwirkung nachgesagt – unter anderem bei Halsschmerzen, Blutarmut oder Syphilis.

Kein Wunder: Auf dem Kontinent, wo die Kakaopflanze herkommt, wurde sie ebenfalls als Arzneimittel eingesetzt und galt als heilig. So kam sie auch bei spirituellen Zeremonien zum Einsatz, wo sie sogar als Halluzinogen eingesetzt wurde. Durch eine spezielle Zubereitung soll sie stärker gewirkt haben als Ayahuasca oder San Pedro, das heute von vielen Schamanen verwendet wird.

200 Kakaobohnen für einen Truthahn

Lange glaubte man, dass die Geschichte der Schokolade in Mexiko oder Mittelamerika begonnen habe. Unter anderem wegen der Anekdote des Spaniers Hernán Cortés, der im 16. Jahrhundert im Aztekenreich eintraf und vom dortigen Herrscher Moctezuma mit einem aphrodisierenden Gebräu aus Kakao begrüßt worden sein soll. Es war so bitter, dass Cortés es ausspucken wollte, doch aus Respekt vor Moctezuma musste er es wohl oder übel schlucken, heißt es in der Überlieferung.

Inzwischen kam die Forschung jedoch zum Schluss, dass die Domestizierung der Kakaopflanze schon viel früher und an einem ganz anderen Ort begonnen hatte, nämlich in Peru, Ecuador und Kolumbien. Dies zeigen 5400 Jahre alte archäologische Funde, deren Ergebnisse kürzlich in der englischsprachigen Fachzeitschrift Nature veröffentlicht wurden: Es fanden sich Spuren in 352 Töpfen und anderen Artefakten, die unter anderem aus Nordperu stammen, genauer gesagt aus der Region rund um den Marañón-Fluss. Forscher gehen davon aus, dass weiterführende Studien die führende Rolle «Perus» beziehungsweise der damals in der Region lebenden indigenen Bevölkerung bei der Domestizierung des Kakaos aufzeigen werden.

Heute geht man davon aus, dass der Kakao von Peru, Ecuador und Kolumbien aus nach Mexiko und Mittelamerika gelangte, wobei er je nach Region anders verwendet wurde: Während man in Südamerika hauptsächlich das Fruchtfleisch nutzte – pur oder in gegärter Form als alkoholisches Getränk – wurde in Mittelamerika zusätzlich auch die Bohne verwendet. Diego De Landa, Bischof von Yucatán und Maya-Forscher des 16. Jahrhunderts, schrieb: «Aus Mais und gemahlenem Kakao machen sie hier einen Sirup, der sehr schmackhaft ist und mit dem sie ihre Feste feiern. Außerdem gewinnen sie aus dem Kakao ein Fett, aus dem sie einen Trank herstellen.»

Tatsächlich wurde das Kakaogetränk bei verschiedenen indigenen Bevölkerungen auch als Essenz bei Ritualen sowie als Opfergabe benutzt. Als Heilpflanze wurde der Kakao für die verschiedensten Beschwerden eingesetzt, unter anderem bei Durchfall, Masern, Entzündungen und sogar bei Geburtsschmerzen. Die Kakaobohne wurde sogar als Tausch- und Zahlungsmittel genutzt. Zu aztekischen Zeiten etwa kostete ein Truthahn 200 Kakaobohnen, ein Hase hundert und eine Avocado eine bis drei Bohnen.

Der erste Europäer, der die Kakaobohnen kennenlernte, soll Christoph Kolumbus gewesen sein, als er auf einem Handelsschiff der Maya «eine Art Mandeln» sah. Doch erst der Dominikanermönch Bartolomé de Las Casas brachte im Jahr 1544 ein Gefäß voll Kakao nach Europa und schenkte sie dem spanischen König. Die erste offizielle Schiffsladung gelangte aber erst 40 Jahre später von Mexiko nach Spanien.

Dies war der Startschuss für den so genannten Kolonialhandel, wie man den Verkauf von Produkten aus Übersee – Kaffee, Tee, Kakao, Gewürze oder Tabak – damals noch nannte. Doch erst ab der Mitte des 18. Jahrhunderts fand die Schokolade auch in der breiten Bevölkerung immer mehr Anklang, und Kaffeehäuser und Schokoladenstuben schossen wie Pilze aus dem Boden. Bald wurde der Kakao-Handel steuerpflichtig, staatlich kontrolliert und konzessioniert – und der Siegeszug der Schokolade unaufhaltsam.


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