Um all diese Themen ging es am Seminar der Infostelle vom 15. bis 17. April in Köln. Mechthild Ebeling berichtet
Der Einstieg am Freitagabend auf unserem mit etwa 40 Teilnehmenden gut besuchten Jahrestreffen befasste sich mit dem Thema, das wohl uns allen unter den Nägeln brannte: Die Wahlen in Peru, Analyse der Ergebnisse und die Perspektiven, die sich ergeben mit der Stichwahl zwischen Keiko Fujimori und PPK (Pedro Paulo Kuczynski) , dem zweitplatzierten Kandidaten auf das Präsidentenamt. Auch in dem Skype-Interview , das wir live mit Giancarlo Castiglione von der peruanischen NGO „Forum Solidaridad Peru“ führen konnten, wurde klar, dass so viele PeruanerInnen die Tochter Alberto Fujimoris gewählt haben, weil sie für als sie die politische Erbin ihres Vaters gilt, der den Terrorismus der „Leuchtenden Pfad“ besiegt hat und die Wirtschaft wieder flott gemacht hat, aber eben auch schwerste Menschenrechtsverletzungen und Korruptionsdelikte begangen hat.
Die linke Kandidatin der „Frente Amplio“, Veronika Mendoza, hat im Wahlkampf überraschend stark zugelegt und wurde Dritte. Ihr ist auch, so Giancarlo, die „Wiederbelebung der politischen Linken zu verdanken“, von der er eine allgemeine politische Erneuerung Perus erhofft.
In der Stichwahl dürften nicht nur PPKs Anhänger für diesen stimmen, sondern auch – allerdings mit zusammengebissenen Zähnen – viele andere, für die Keiko absolut unwählbar ist. Und damit könnte Kuczynski siegen. – Gewählt wurden auch die 130 Abgeordneten des peruanischen Kongresses (die zweite Kammer, den Senat, hatte Alberto Fujimori im Zuge des Selbstputsches vom April 1992 abgeschafft). Hier hat die politische Gruppierung von Keiko Fujimori 70 Sitze errungen, also eine dicke Mehrheit, entsprechend dem komplizierten Wahlgesetz Perus. Der „Frente Amplio de de Izquierda errrang 20 Sitze – unter den neuen Parlamentariern ist auch Marco Arana aus Cajamarca, der vielen Mitgliedern der Infostelle Peru e.V. bekannt ist. Die Stichwahl wird am 5. Juni stattfinden, wir sind alle sehr gespannt und auch beunruhigt bzgl. der politischen Zukunft Perus, zumindest für die kommenden Jahre.
Saubere Energien für Peru?
Der Haupttag des Seminars wurde von zwei deutschen Referenten, dem Dipl.-Betriebswirt Dirk Volkmann und dem Biologen Nikolaus Geiler vom Klimabündnis, eingeleitet. In Peru, wo im Jahr 2014 die UN-Klimakonferenz ausgerichtet worden war, ist die Problematik des Klimawandels und die Frage nach sauberen und erneuerbaren Energien verstärkt in die Diskussion geraten.
Die Umweltzerstörung durch den vermehrten Staudammbau, um mit Wasserkraft Energie zu gewinnen, ist aber noch nicht so stark in den Fokus geraten. Zur Zeit produzieren 173 Wasserkraftwerke Strom (gegen insgesamt 292 thermische Anlagen mit Erdgas, Kohle und Bagasse) : Wald wird zerstört, und durch die Verrottung der Pflanzen in den Stauseen entstehen mehr schädliche Gase als etwa durch Kohlekraftwerke. Neben den sozialen Kosten durch die erzwungenen Umsiedlungen vieler Menschen ist also die Energie aus Wasserkraft keineswegs umweltfreundlich.
Umstrittener Ölpalm-Anbau
Ölpalmen sind die weltweit am meisten angebauten Öl-Pflanzen, auch in Peru hat dieser Anbau erheblich zugenommen. Aber nicht nur Energie wird aus dieser Pflanze gewonnen, auch unsere Supermärkte hier sind voll mit Produkten, die Palmöl enthalten: Lebensmittel und Kosmetika! – Das aus Zuckerrohr hergestellte Ethanol braucht sehr viel Wasser, aber da inzwischen dieser Treibstoff so begehrt ist, werden in Peru schon drei Ernten pro Jahr eingebracht, was den Kampf um die Wasserrechte verstärkt. Aus dem Abfall des Zuckerrohrs, der Bagasse, kann allerdings Bio-Gas hergestellt werden, was auch in Peru bereits genutzt wird. –
Solarenergie ist ausbaufähig
Hat Peru denn Potential zur Gewinnung von sauberer Energie? Dirk Volkmann weist darauf hin, dass vor allem durch die hohe Sonneneinstrahlung in Äquatornähe etwa im Süden in den Wüstenregionen für Solarenergie beste Möglichkeiten bestehen, die bisher aber kaum genutzt werden; bisher gibt es gerade einmal 4 Solarkraftwerke im ganzen Land. Auch die Stromgewinnung aus Windenergie vor allem in den Küstenzonen müsste vorangetrieben werden.
2015 wurde 3,4% des peruanischen Strombedarfs mit nicht-konventionellen Erneuerbaren Energien (Klein-Wasserkraftwerke, Wind- und Solarenergie, Biomasse) getätigt. Der peruanische Energieplan sieht vor, dass dieser Anteil bis 2020 auf 10-15 % der Stromproduktion erhöht wird. Auch kleine, lokale und sozialverträgliche Wasserkraftwerke sollten gemäß dem Plan entstehen. Dies ist ein Ansatz, den es zu von uns beobachten gilt!
Nachholbedarf in Deutschland
Die von unserem Referenten Nikolaus Geiler geforderte radikale Umstellung von Produktion und Konsum in Deutschland, wo zwei Drittel der Energieträger aus dem Ausland importiert werden, ist auch bei uns noch weit entfernt. Er fordert, die „Energiewende in die eigenen Hände zu nehmen“, z.B. durch Bürgergenossenschaften zur Stromversorgung, etwa durch sog. Blockheizkraftwerke, welche einen sehr hohen Wirkungsgrad haben (Heizung und Stromgewinnung), und die dezentral und selbstverwaltet funktionieren.
Ergebnisse der Arbeitsgruppen
Nach diesen spannenden Inputs wurde in Arbeitsgruppen (AGs) die Auseinandersetzung mit dem Seminarthema fortgesetzt. Die Ergebnisse dieser Arbeit wurden im Rahmen einer lebhaften Frage- und Antwortrunde vorgestellt.
- AG1: Nach der COP21 in Paris im vergangenen Jahr wurde vor allem im Rahmen der Kooperation mit den Organisationen der Menschen im peruanischen Amazonas-Gebiet (CONAP= Confederación de Nacionalidades Amazonicas de Perú , und AIDESEP) erörtert, in wie weit diese Partner ihre Rechte gestärkt sahen durch die Klimakonferenz. Peru hat den größten, weitgehend intakten Anteil am Wald der Amazonasstaaten. Dies ist der Lebensraum indigener Bevölkerungsgruppen, welche für den Schutz und Erhalt dieser Wälder den Respekt ihrer traditionellen Lebensweisen einfordern. Die indigenen Territorien im peruanischen Amazonasraum umfassen 40 Millionen Hektar Land, und es bedarf dringend einer titulación de tierras, (Vermessung, Registrierung). Der vom Dachverband der indigenen Völker des Amazonasbeckens COICA entwickelte Plan der Erweiterung des REDD-Abkommens zur Verminderung des CO2-Ausstosses in das „REDD+Indigena Amazonica“ als Instrument des Waldklimaschutzes soll nicht nur den CO2-Ausstoss verringern, auch übrige Ökosystemfunktionen schützen, die Umsetzung muss unter öffentliche nationale und internationale Kontrolle gestellt werden. — Deutschland hat bereits gemeinsam mit Norwegen und Peru beim Klimagipfel im Jahr 2014 ein „Net-Zero-Deforestation-Abkommen“ unterschrieben, deshalb sollten diese Länder auch mit Druck gegen Rodungen zugunsten von Palmölplantagen arbeiten und in Deutschland und der EU die Deckelung des Anteils von Palmöl am Biosprit fordern und insgesamt die Dekarbonisierung der Energieproduktion vorantreiben. – Als Partnerorganisationen in der Solidaritätsarbeit mit CONAP und AIDESEP bieten sich die deutschen NGOs „Klimabündnis“ und INFOE an.
- Die AG Energiewende nahm das Thema der Bürgerenergiegenossenschaften wieder auf und wendet sich in zwei offenen Briefen an die deutschen Minister Sigmar Gabriel und BMZ-Chef Gerd Müller. Gerade Peru mit seiner langjährigen Tradition von Produktionskooperativen könnte Vorreiter für kleine dezentrale Energieversorger werden. Deshalb wird vor allem von der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit gefordert, dass in Peru kooperativ organisierte Energieprojekte – beispielsweise im Photovoltaik -Bereich – über die GIZ gefördert werden , die von den Dorfgemeinschaften u.a. über Mikrokredite und/oder über eine externe Anschubfinanzierung realisiert und betrieben werden, und dass lokale Techniker ausgebildet werden, die dezentrale Energieversorgungssysteme planen, installieren und betreiben können.
- Eine weitere AG diskutierte das Problem der zunehmenden Finanzierung von lokalen sozialen Projekten und Maßnahmen durch Privatfirmen, wodurch meist Abhängigkeit und Akzeptanz entsteht. Immer öfter gibt es Berichte, wie Internationale Konzerne aus dem Bereich Bergbau und Erdöl Bewohnergruppen unterstützen und Partnerschaften mit NGOs eingehen. Einige Bergbaufirmen unterhalten z.B. Abteilungen für Sozialprojekte, Erdölfirmen versprechen Dörfern im Regenwald den Bau von Schulen oder Krankenstationen. – Deutlich wurde in der Debatte: Man muss genau hinschauen, ob es eine „normale Unterstützung“ ist, (natürlich immer auch aus Werbezwecken für die Geberfirma), oder ob es darum geht, durch Zuschüsse das Wohlwollen der betroffenen Menschen zu erkaufen, oder gar Umweltauflagen zu umgehen. Klar ist: Die Verantwortung des Staates darf nicht an Unternehmen abgegeben werden.- Wenn NGOs eine finanzielle Unterstützung von Firmen bekommen, sollten sie dies der Bevölkerung gegenüber auch transparent machen (alle Finanzquellen offenlegen). Es müssen verbindliche Mindeststandards zu Fragen von Firmenunterstützung von Projekten entwickelt werden, evtl. durch Netzwerke von NGOs in Peru, etwa der ANC. Und wir hier in der Partnerschaftsarbeit sollten mehr peruanische Organisationen befähigen und unterstützen, damit sie es schaffen, ihnen zustehende öffentliche Mittel, z.B. im Rahmen der Bürgerhaushalts-Prozesse (Presupuesto Participativo) zu bekommen, damit sie nicht den „einfachen Weg“ gehen und zu leicht Geld von Firmen annehmen.
- In einer weiteren AG wurde eine positive und erfolgreiche Kooperation der Solidaritätsgruppe FOKUS im Welthaus Bielefeld dargestellt. Partnerorganisation ist der Verbund ADECAP in der Region Huancavelica von zurzeit 92 Bauerngemeinschaften, der die indigene Bevölkerung in Bereichen wie Ernährung, Gesundheit und Bildung unterstützt. Die Arbeit will vor allem sichtbar machen, wie durch Rückbesinnung auf indigene Werte und traditionelle Anbaumethoden, verbunden mit modernen Kenntnissen, die Ernährung der Menschen verbessert werden kann . So werden wieder die alten eiweißreichen Getreidearten der Inka angebaut und auf dem lokalen Markt verkauft und/oder ausgetauscht. ADECAP verbreitet in praktischen Übungen, wie man organischen Flüssigdünger und biologische Pestizide gewinnt. Durch Kleintierzucht wird die Ernährung der Familien um wertvolle Eiweiße und Mineralien ergänzt. Das Kochen auf offenem Feuer im Hause wird durch „verbesserte Kochstellen” ersetzt. Besonders der Einfluss der Frauen auf familiäre und kommunale Entscheidungsprozesse ist durch die Arbeit von ADECAP deutlich gestiegen und erweitert den Demokratisierungsprozess der Region. Auch die bilinguale Erziehung in Spanisch/Quechua in den Kindergärten und Kindertagesstätten hat das Selbstbewusstsein und die kulturelle Identität gestärkt. -Seit 8 Jahren entsendet das Welthaus Bielefeld junge Freiwillige zu ADECAP. So ist eine gute Beziehung und Austausch zwischen den beiden Vereinen entstanden, regelmäßig sind FOKUS-Vertreterinnen bei den jährlichen „Volksversammlungen“ anwesend, so dass auch die finanzielle Unterstützung aus Deutschland transparent ist. –
- Die Arbeitsgruppe zum Bereich der Menschenrechtsverletzungen wurde inhaltlich sehr professionell zum Thema hingeführt durch eine Präsentation zur Rolle der MR im Völkerrecht der UN und dem Interamerikanischen MR-System. Dabei sehr wichtig ist die CIDH (Comision Interamericana de Derechos Humanos). Besonders im Sozial- und Umweltbereich ist die Zahl der MR-Verletzungen in Peru gegen Einzelpersonen (z.B. Umweltschützer oder Vertreter von Indigenen) sowie gegen Gruppen wie Gewerkschaften und Frentes de Defensa in den vergangenen Jahren drastisch angestiegen. Bekannte Fälle sind der körperliche Übergriff auf Marco Arana durch Sicherheitskräfte, was bis heute nicht juristisch aufgearbeitet wurde, oder die Ermordung des Hitler Ananias Rojas, einem Umweltaktivisten aus der Region von Celendin. Oft in diesen Fällen waren bereits Drohungen ausgesprochen worden, auf die aber von den zuständigen Organen nicht reagiert worden war. Die CIDH wirft dem peruanischen Staat die häufige desprotección del estado vor. Zunehmend ist auch zu beobachten, dass die massive Unterdrückung von sozialen Protestbewegungen mit der selektiven Ermordung von Anführern einhergeht. Die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte im Umfeld des Extraktivismus (Bergbau, Ölförderung) werden in starkem Masse verletzt. Die gehäuften Erdölpipeline-Unfälle im Amazonasraum verletzen die Rechte der AnwohnerInnen, vor allem weil ihr Trinkwasser und Fischereigebiet vergiftet wurden, und von staatlicher Seite praktisch weder Präventionsmaßnahmen noch Reparationen geschahen. Dies wurde in der AG authentisch und bewegend durch die Präsentation einer Freiwilligen, die vor Ort Betroffene interviewen konnte, vorgestellt.- Und die Regierung Humala hat in einem Dekret zwar den Schusswaffeneinsatz der Polizei als „nur bei Gefahr für Menschenleben“ erlaubt, aber bei sog. „reuniones tumultuarias“ (wozu jede öffentliche Demo deklariert werden kann!) eine imminente Gefahr sieht und den Waffeneinsatz explizit erlaubt! – Wie kann diese Lage verbessert werden? Für uns hier in Deutschland ist unbedingt angesagt, die deutsch-peruanische Rohstoffpartnerschaft zu begleiten und zu monitorieren, wie es die NGO POWERSHIFT fordert. Die internationale Initiative EITI (Extractive Industries Transparency Initiative) tagte im Febr. ´16 in Lima, auch dort müssen in Zukunft die MR-Verletzungen im Rahmen des Extraktivismus öffentlich verurteilt werden. Und außerdem: Ganz einfach Leserbriefe an deutsche Zeitungen schreiben, die wissen über das Interesse ihrer LeserInnen an den MR-Vergehen im rohstoffproduzieren Ausland!
Am Ende des Seminars blieb noch Zeit für einige wichtige Themen, die uns als Peru-Solidaritätsbewegung umtreiben und woran wir arbeiten:
- Die Forderung der Opfer der von der Fujimori-Regierung durchgeführte Kampagne der Zwangssterilisierungen nach Reparationen muss unterstützt werden.
- Die Ausweisung des deutschen Gewerkschafters Orhan Akman aus Peru, der im Auftrag des internationalen Dienstleistungs-Gewerkschaftsverbandes UNI dort tätig war.
- ie Fair-Gold-Frage und die Auseinandersetzung, ob es wirklich Faires Gold geben kann, beschäftigt vor allem die Bergbau-Kampagne. In einem offenen Brief an Fairtrade wurde klargestellt, dass old weder ökologisch noch nachhaltig gewonnen werden kann, das Fairtrade-Siegel für Gold ist für uns also in jedem Fall eine „problematische Mogelpackung“.
Es war ein volles und vielfältiges Seminar-Programm, das den Teilnehmenden viel Konzentration abverlangte. Auch am Samstagabend war das Programm sehr spannend: Unser Freund aus Ayacucho, der Filmemacher Heeder Soto, stellte seinen neuen Film vor: „El rosto oculto del Titicaca“ , welcher beeindruckend die Wasser- und Umweltverschmutzung des Titicaca-Sees aufzeigt. Kerstin Kastenholz berichtete von ihrer Arbeit als Friedensfachkraft bei der Defensoria del Pueblo in Puno; diese wichtige Arbeit läuft leider Ende d.J. aus, da die GIZ das Programm des ZFD in Peru einstellt, unfassbar!
So, und dann gab´s zur Entspannung noch peruanische Musik und Gelegenheit zum schwungvollen Tanzen und Feiern! Und beim nächsten Peru-Seminar in Köln vom 28. bis 30. April 2017 werden wir uns hoffentlich alle wieder sehen!
Mechthild Ebeling