Nachgefragt: Warum muss ich fast sechs Monate auf einen Termin beim deutschen Konsulat warten ?

Eine Recherche in eigener Sache

Jose (Name geändert) machte einen Luftsprung vor lauter Freude, als er im Juni 2021 den Bescheid bekam, dass er für ein Stipendium an einer deutschen Universität ausgewählt worden sei. Im Oktober 2021 sollte es losgehen. Sofort beantragte er einen Termin auf dem Konsulat der deutschen Botschaft in Lima, um das Visum zu klären. Die Terminvergabe beim Konsulat geschieht seit Ausbruch der Corona-Pandemie online. Das System gab ihm einen Termin für Dezember 2021. Auf seine telefonische Nachfrage beim Konsulat bekam er die Antwort: er solle warten. Das tat er dann auch – bis das Stipendium verfiel. José konnte sein Studium in Deutschland nicht antreten.

Es ist nicht das einzige Beispiel für lange Wartezeiten im deutschen Konsulat in Lima. Auch die Peruanerin Adriana (ebenfalls Name geändert)  musste ihren zugesagten Job in einer Kindertagesstätte in Deutschland verschieben, weil sie nicht rechtzeitig einen Termin in der Botschaft bekam.

Auch deutsche StaatsbürgerInnen leiden unter den langen Wartezeigen: 16 Wochen, also vier Monate, dauert es von der Terminbeantragung, bis man den Termin mitgeteilt bekommt – der dann wiederum erst sechs Wochen später liegt. Wer also z.Bsp. seinen Pass verlängern will, muss von der Terminbeantragung bis zum Moment, in dem er oder sie seinen Pass in Händen hält, mit 28 Wochen – sechs Monaten – rechnen. Solche Fristen kennt man von einigen peruanischen Ämtern.

Aber von einem bundesdeutschen Konsulat?

Als Grund wird vom Auswärtigen Amt der Rückstau durch Corona-bedingte Schließungen genannt. Fünf Monate sei das Konsulat für den Besucherverkehr geschlossen gewesen. Am 19. Mai antwortete das Auswärtige Amt auf unsere Nachfrage wie folgt:

„Bereits seit Längerem arbeitet das Konsulat der Botschaft Lima wieder vollumfänglich. Um den Rückstau an Anliegen abbauen zu können, wurden bereits die Öffnungszeiten ausgeweitet und die Terminanzahl wurde erhöht, dies war nicht zuletzt durch eine personelle Verstärkung möglich. Weitere personelle Verstärkungen werden derzeit geprüft, sind aber u.a. von der Mittelbewilligung durch den Bundestag im laufenden Haushaltsverfahren abhängig“

Man hört den guten Willen, doch so ganz überzeugt die Antwort nicht. Unsere Stichprobe auf den Webseiten deutscher Konsulate in Südamerika hat maximal drei Monate Wartezeit ergeben – oft sogar weniger. Warum also arbeitet gerade Lima so langsam?

Und wenn wirklich der strenge Corona-Lockdown in Peru der Grund ist: warum arbeiten dann andere europäische Konsulate erheblich schneller? „Am meisten erstaunt hat mich, dass meine Kusine, die zur gleichen Zeit ein Stipendium für Belgien bekam, innerhalb von zwei Wochen ihr Visum in der Hand hatte.“, schreibt uns Jose.  Während seine Kusine ihren Master nun bereits beendet, wartet Jose – nun mit genügend langer Vorlaufzeit – auf sein Visum, um endlich mit einem Jahr Verzögerung sein Studium in Deutschland aufnehmen zu können. Das Stipendium hat er durch die Verzögerung allerdings verloren.

Übrigens wollte keiner unserer Zeugen mit vollem Namen genannt werden, aus Sorge, seine Visumsangelegenheit könnte sonst nachteilig bearbeitet werden. Auch Auslandsdeutsche, die sonst mit Kritik am Konsulat nicht sparen, wollten für diese Recherche nicht aussagen, oder meinten, das würde sowieso nichts bringen. Ein anderer befürchtete, ich würde dann meinen Reisepass nicht verlängern können, wenn ich das Konsulat öffentlich kritisiere. In den Augen so mancher scheint Deutschland immer noch ein Obrigkeitsstaat zu sein, dessen Willkür man als Bürger*in ausgeliefert ist.

Klar, wenn ich ein Visum oder einen Pass für Deutschland brauche, dann hat das Konsulat eine Monopolstellung. Ich kann nicht einfach zu einem anderen Anbieter gehen. Aber gilt nicht, dass wir Bürger*innen ein Anrecht auf eine Dienstleistung unseres Staates haben?

Hildegard Willer

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