Schuldenreport 2021: Corona-Krise als Schuldentreiberin

Die Schuldenkrise im Globalen Süden wächst seit Jahren.Darauf weisen das Entschuldungsbündnis „erlassjahr.de – Entwicklung braucht Entschuldung e. V.“ und MISEREOR in den von beiden gemeinsam herausgegebenen jährlichen Schuldenreports hin. Nach ihren Berechnungen waren 2018 119 der damals untersuchten 141 Länder in eine kritische Schuldensituation geraten, 2019 waren es 122 von 154 untersuchten Ländern, 2020 bereits 124 von 154.

Nun weist der neue „Schuldenreport 2021“ nach, dass die Corona-Krise die Situation erheblich verschärft hat: durch den Lock Down in den Ländern des Globalen Südens ist deren Wirtschaft stark eingebrochen, Rohstoffpreise sind durch sinkende Nachfrage auf dem Weltmarkt gesunken, der Tourismus ist ebenso wie die Überweisungen der im Ausland arbeitenden Migrant*innen zurückgegangen. Die gesunkenen Einnahmen haben die Möglichkeit der Schuldendienst-Zahlungen eingeschränkt und zu neuen Kreditaufnahmen geführt. So sind inzwischen 132 von 148 untersuchten Ländern im Globalen Süden kritisch verschuldet.

Der IWF erließ im Rahmen einer Initiative knapp 30 Ländern vom April 2020 bis zum April 2021 ihre Schuldendienst-Zahlungen.  Kritisiert wird im Schuldenreport die restriktive Auswahl der begünstigten Länder und die Tatsache, dass der IWF sich die Zahlungsausfälle von seinen Mitgliedern finanzieren lässt, die das Geld vermutlich aus ihren Entwicklungs-Etats entnehmen.

Die G20-Staaten haben in ihrer Initiative zur Schuldenerleichterung  den 73 ärmsten Ländern der Welt angeboten, die an sie fälligen Schuldendienst-Zahlungen vom Mai 2020 bis Juni 2021 auszusetzen.  Die Zahlungen sind allerdings nicht erlassen, sondern müssen später geleistet werden.

Die privaten und multilateralen Gläubiger haben sich an dieser Initiative nicht beteiligt, sodass die Länder des Globalen Südens weiterhin den größten Teil ihrer Schuldendienst-Zahlungen leisten mussten bzw. müssen. Außerdem besteht so die Gefahr, dass die eingesparten G20-Schuldendienst-Zahlungen nicht der wirtschaftlichen Erholung des Landes, sondern zur Schuldendienstzahlung an andere Gläubiger verwendet werden.

Der Bundesregierung wird empfohlen, sich dafür einzusetzen,

  • dass die G20-Staaten auch private Gläubiger zur Teilnahme an Schuldenerleichterungen verpflichten und
  • dass sich auch die Weltbank und andere multilaterale Gläubiger beteiligen.

Weitere Beschlüsse zu Schuldenerleichterungen sollen nicht ohne Konsultationen mit betroffenen Regierungen gefasst werden, um sicherzustellen, dass alle hochverschuldeten Länder eine Chance auf Schuldenerleichterungen erhalten.

 

Weitere Kapitel des Schuldenreports befassen sich unter anderem mit der Rolle Deutschlands als Gläubiger des Globalen Südens,  der (nicht vorhandenen) Beteiligung des Privatsektors am Schuldenmoratorium und der ökonomischen und gesellschaftlichen Notsituation im Libanon.

 

Exkurs: Die Schuldensituation Perus

Die vom Oktober 2018 stammende Einschätzung auf der erlassjahr-Homepage zur Schuldensituation Perus lautete wie in vielen Jahren zuvor: „Peru hat (…) aktuell kein Schuldenproblem.“ Nur die Indikatoren, die sich auf die Schulden bzw. den Schuldendienst im Verhältnis zu den Export-Einnahmen beziehen, lagen leicht über den Grenzwerten.

Im neuen Schuldenreport wird nun auf einer Weltkarte die Schuldensituation Perus farblich als „kritisch“ bewertet. Zur Erklärung dieser Veränderung wurde ich von erlassjahr auf eine Einschätzung des IWF vom Mai 2020 zur wirtschaftlichen Situation Perus verwiesen.  Dort wird unter anderem darauf hingewiesen,

  • dass sich durch eine Verschlechterung der Handelsbedingungen bereits 2014 und 2015 die Wachstumsrate Perus von über sechs auf drei Prozent halbiert hat,
  • El Niño 2017 und der Korruptionsskandal Lava Jato das Wachstum weiter gesenkt haben und
  • der Corona-Schock die peruanische Wirtschaft in eine Rezession geführt hat.

So mussten die Wachstumsvoraussagen für 2020 von  über drei Prozent (Januar 2020) auf minus 6,5 Prozent korrigiert werden.  Die Exporteinnahmen Perus gingen zurück, ebenso – durch den Rückgang der wirtschaftlichen Aktivitäten – die Produktion von elektrischer Energie (um 28 Prozent).

 

Der „Schuldenreport 2021“ weist eindrücklich nach, dass die Schuldensituation vieler Länder des Globalen Südens nach wie vor und aktuell verstärkt durch die Corona-Pandemie eine Bedrohung für ihre wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung ist. Die Forderung nach Schuldenerlassen muss verstärkt gestellt werden, das Thema müsste in der (entwicklungs-) politischen Diskussion wieder eine größere Rolle spielen.

Der Schuldenreport kann bestellt oder heruntergeladen werden unter  https://erlassjahr.de/produkt/schuldenreport-2021/

 

Jimi Merk