Die Verurteilung von Virginia Pinares und anderen Gemeindevertreter*innen, die für ihr Engagement für Dialog und der Mediation in der Region bekannt sind, sorgt für Empörung. Angeblich sollen sie während der sozialen Proteste im Jahr 2015 Unruhen verursacht und das Eigentum des Bergbauunternehmens Las Bambas beschädigt haben.
Vor einigen Wochen wurde Virginia Pinares wegen schwerer Sachbeschädigung, Unruhestiftung und Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung zu neun Jahren Gefängnis verurteilt. Der Richter verurteilte sie außerdem zur Zahlung einer Entschädigung von 50.000 Soles (12.000 Euro) an den Staat und 88.600 Soles (21.500 Euro) an das Bergbauunternehmens MMG Las Bambas.
Pinares, die im Bezirk Haquira (Provinz Cotabambas, Apurímac) lebt, engagiert sich als Kleinbäuerin und Mutter von sechs Kindern im Alter von 14 bis 37 Jahren seit ihrer Jugend in lokalen Organisationen. Für ihr Engagement erhielt sie 2023 den Nationalen Menschenrechtspreis „Mamá Angélica”, der von der Nationalen Menschenrechtskoordination Coordinadora Nacional de Derechos Humanos verliehen wird. Pinares setzt sich für Dialog und die Rechte der bäuerlichen Dorfgemeinschaften (Comunidades Campesinas) in ihrer vom Bergbau betroffenen Provinz ein. Sie ist Mitglied der Frauenvereinigung und der Initiative zur Verteidigung und Entwicklung von Cotabambas.
Zusammen mit Pinares wurden zehn weitere Personen zu Unrecht verurteilt. Bei allen Verurteilten handelt es sich um Gemeindevertreter*innen, die für ihr Engagement für Dialog und der Mediation in der Region bekannt sind.
Die Anführer*innen wurden verurteilt, weil sie während der sozialen Proteste im Jahr 2015 „Unruhen verursacht” und das Eigentum des Bergbauunternehmens Las Bambas „beschädigt” haben sollen. Damals hatte das Großunternehmen beschlossen, den Abtransport der Mineralien aus der Kupfermine nicht wie geplant durch eine Pipeline, sondern mit täglich 300 Lastwagen zu organisieren, die durch die Dörfer und kommunalen Territorien fahren. Diese Änderung wurden kurz vor der Inbetriebnahme beschlossen, ohne die erforderlichen Umweltstudien, ohne Planung und Konsultation der betroffenen Gemeinden. Während der Proteste ging die Nationalpolizei gewaltsam gegen die Demonstrierenden vor. Dabei wurden drei Personen durch Schüsse getötet. Bis heute wurden die Verantwortlichen nicht vor Gericht gestellt.
Der Strafprozess gegen die sozialen Anführer*innen dauerte mehr als neun Jahre. Am Ende enthielt das Urteil weder Beweise für die Straftaten, die den Verantwortlichen angelastet werden, noch für deren Schuld. Die Anführer*innen haben Berufung gegen das Urteil eingelegt. Bis zum endgültigen Urteil sind sie auf freiem Fuß. „An das Unternehmen und den Staat kommt man nicht heran“, sagt Maximiliano Huachaca Mamamani, Anführer der Comunidad Campesina Asacasi (Cotabambas). Hier in Cotabambas kann man nicht mehr ruhig leben. Wir sind zu Unrecht verurteilt worden, ohne jeden Beweis. Ich fordere den Richter auf, uns die Beweise zu vorzulegen. Es gibt keinen Beweis dafür, dass wir irgendeinen Schaden verursacht haben. Was sie wollen, ist, neue Anführer*innen zum Schweigen zu bringen. Das ist die Idee des Unternehmens Las Bambas und des Gerichts. Wir fordern unsere Freiheit. Diese Verleumdung ist ungerecht.“
Das Urteil dient dazu, so die Gemeindevertreter*innen, soziale Proteste zu unterdrücken und die Aktivist*innen einzuschüchtern. Das Vorgehen des Unternehmens und der ihm wohlgesonnen Justiz fördert ein Klima des Misstrauens und der Expansion des Bergbaus in der Region.
Wettlauf um die niedrigsten Standards
Dieses Urteil bestätigt einen Trend, der zeigt, dass die derzeitige Regierung bereit ist, alles zu tun, um Investitionen anzuziehen und den Megabergbau zu beschleunigen, denn die Preise für Kupfer und andere Metalle sind hoch.
Neben der Kriminalisierung und Verfolgung von Gemeindevertreter*innen bereitet die Regierung eine Reihe gesetzlicher Maßnahmen vor, die Umweltstandards senken, Verwaltungsverfahren vereinfachen und den Bau und Betrieb weiterer Minen beschleunigen sollen. Gleichzeitig werden Bergbauprojekte stark unterstützt und vorangetrieben, die die Bevölkerung seit langem ablehnt, etwa das Projekt Tía María in der Region Arequipa. Damit reagiert die Regierung auf die Forderung der Minengesellschaften nach weniger „Bürokratie” und auf die weltweite immense Nachfrage nach Rohstoffen für die Energiewende. Auch wenn Wirtschaftsverbände und internationale Organisationen von einer gerechten und nachhaltigen Energiewende sprechen, zeigt die Realität in Peru, dass der Wettlauf um die niedrigsten Standards schon begonnen hat.
Ein neuer Bergbau für die Energiewende? Davon sind wir noch weit entfernt
Nach Angaben der Weltbank werden mehr als drei Milliarden Tonnen Mineralien für Wind-, Solar- und geothermische Energie sowie für die Energiespeicherung benötigt, um den globalen Temperaturanstieg unter 2°C zu halten. Organisationen und Vertreter*innen der Zivilgesellschaft in Peru fragen sich, wie das Land mit dieser Situation umgehen soll. Wenn der Bergbau so weitergeht wie in den letzten 30 Jahren, sind die Folgen jetzt schon absehbar: Menschenrechtsverletzungen, Umweltbelastungen und in der Folge soziale Konflikte. Konflikte sollten als Alarmsignale verstanden werden, die dringende Veränderungen und ein Umdenken anmahnen.
In diesem Sinne hat die Nichtregierungsorganisation Cooperacción vor kurzem einen Vorschlag für eine neue Governance in den vom Bergbau betroffenen Gebieten Perus veröffentlicht. Dieser Vorschlag basiert auf der Einschätzung, dass der rechtliche und institutionelle Rahmen, der vor etwa 30 Jahren in Peru geschaffen wurde, zwar sehr effektiv war, um Investitionen anzuziehen, aber unzureichend, um angemessen auf die Konflikte zu reagieren, die diese Investitionen verursacht haben. Was braucht es, um den Übergang von einem ausbeuterischen extraktivistischen Modell zu einer sozialen und ökologischen Transformation zu schaffen? Dafür schlägt Cooperacción mehrere Punkte vor:
- Territoriale Governance: Die Entscheidungsmacht wird dezentralisiert. Territoriale Governance würde ein Gegengewicht zur enormen Macht der Bergbau- und Energieunternehmen in den Bergbauregionen schaffen.
- Einsatz für die Verteidigung und Umsetzung des Rechts auf Vorabkonsultation, auf rechtzeitige und informierte Bürgerbeteiligung und für die Ausübung der Rechte der indigenen Völker.
- Auseinandersetzung mit der Frage, wieviel Bergbau oder fossile Brennstoffe in einem bestimmten Zeitraum für die wirtschaftliche, soziale und ökologische Lebensfähigkeit erforderlich sind. Dies ist eine grundlegende Frage in der Debatte über die Rolle der Rohstoffunternehmen in der Wirtschaft, die es ermöglichen würde, neue Gleichgewichtspunkte zu ermitteln.
- Rechenschaftspflicht, finanzielle Transparenz und ein gerechteres Steuersystem, das öffentliche Finanzen gerecht verteilt und dem Grundprinzip der Steuerprogression und -gerechtigkeit folgt.
- Verbesserung des Umweltmanagements: Das wichtige Instrument der Umweltverträglichkeitsprüfung (EIA) wurde beispielsweise kaum weiterentwickelt. Die mangelnde Glaubwürdigkeit und die Art und Weise, in der fragwürdige Investitionsprojekte letztendlich genehmigt werden, haben Zweifel an der EIA aufkommen lassen.
- Festlegung und Berücksichtigung von Schlüsselindikatoren: Menge der tatsächlich gewonnenen Materialien, Umfang des Abraums sowie des Wasser- und Energieverbrauchs; Umweltauswirkungen wie z. B. Ökotoxizität, Erzeugung von Schadstoffen, Verwendung giftiger Substanzen, Einsatz von Sprengstoff, negative Auswirkungen auf gefährdete oder endemische Arten, Treibhausgasemission usw.
- Rote Linien: Bei der Energiewende müssen Gebiete identifiziert und deklariert werden, in den Bergbau verboten ist.
Bei jeder Diskussion über die Energiewende und die Nachfrage nach kritischen Mineralien aus Deutschland und Europa sollten diese Punkte und ganz allgemein die Vorschläge aus den Abbaugebieten und -ländern auf der Tagesordnung der gemeinsamen Debatte stehen.
Übersetzung: Annette Brox