Peru 2013: Wirtschaftswachstum, soziale Konflikte und neue Süd-Allianzen

Das  Jahr 2013 verlief in Peru ohne besondere Höhen oder Tiefen: der wirtschaftliche Erfolgskurs scheint – dank der weiterhin grossen chinesischen Nachfrage nach Rohstoffen  – auf Autopilot eingestellt.  Das Wachstum ist zwar etwas zurückgegangen, mit 5 – 6 % steht es in Lateinamerika immer noch an der Spitze.  Die vielfältigen Umweltkonflikte rund um Bergbau-, Erdöl- oder Infrastrukturprojekte haben zwar nicht nachgelassen, haben im Jahr 2013 aber auch zu keinen Gewaltexzessen geführt, wie dies noch 2012 in Conga und Espinar der Fall war.

Das Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit Kolumbien und Peru ist 2013  in Kraft getreten. Wirtschaftskreise verbinden damit die Hoffnung auf verstärkten Warenaustausch und neue Investitionen. Kritiker – zu denen auch die ISP gehören – weisen daraufhin, dass Menschenrechtsthemen zu wenig berücksichtigt worden sind, und dass der Vertrag Perus Rolle als Rohstofflieferant festschreibt. Peru fährt seit nun 23 Jahren eine Politik der wirtschaftlichen Oeffnung und hat eine ganze Reihe von Freihandelsverträgen unterzeichnet. Für 2014 sind  neue Verträge  geplant, u.a. Indonesien und Indien u.a.

Immer interessanter wird der Freihandel unter den ehemaligen Süd-Ländern.

Dazu passt auch Perus Engagement im Staatenbündnis der Pazifikallianz, dem neben Peru auch Chile, Kolumbien und Mexico angehören. Das rein wirtschaftlich ausgerichtete Staatenbündnis versteht sich als liberale Alternative zum linken Mercosur-Bündnis auf dem südamerikanischen Kontinent. Inzwischen ist auch Deutschland als Beobachter der Pazifik-Allianz beigetreten.

Die sozialen und  Umweltkonflikte sind in Peru weiterhin auf der Tagesordnung: der umstrittene Bau der Mine Conga in Cajamarca durch das US-amerikanische Unternehmen Newmont liegt zwar momentan auf Eis – ein endgültiges Aus ist aber noch nicht erfolgt. Im Konflikt um die Kupfermine Tintaya in Espinar/Cusco hat das Umweltministerium zusammen mit der Provinzregierung nach über einjährigen Verhandlungen und Untersuchungen ein gemeinsames Umweltgutachten vorgelegt  – dieses sollte Modellcharakter für ähnlich gelagerte Konflikte haben. Das Gutachten stellte erhöhte Umweltbelastungen an einigen Messpunkten fest, benennt aber keinen eindeutigen Verursacher. Aus diesem Grund hat die Provinzregierung erneute Einwände eingelegt. Der Konflikt ist bei weitem nicht beigelegt.

Wer ist Indigena ?

Das Instrument, das vor drei Jahren als das Heilmittel gegen die Umweltkonflikte genannt wurde, ist inzwischen selbst zum Zankapfel geworden: die „consulta previa“, die verpflichtende Vorabkonsultation indigener Völker, die von der ILO-Konvention 169 vorgeschrieben und von Präsident Ollanta Humala bei seinem Amtsantritt vor drei Jahren vollmundig verkündet wurde. Streitpunkt für die verbindliche Umsetzung ist bis heute die Frage, welche Völker in Peru als indigen gelten und damit auch konsultiert werden müssen.  Der Uno-Sonderberichterstatter für indigene Rechte, James Anaya, besuchte Peru im Dezember 2013 und wies in seinen Empfehlungen auf die ausstehende Umsetzung der Vorab-Konsultation hin. Anaya besuchte Indigena-Gemeinden im Regenwald, die unter langjährigen Umweltschäden bei der Erdölförderung leiden, oder wie im Camisea-Erdgas-Projekt zu wenig in die Planung des Erweiterungsprojektes von Camisea eingebunden sind.

Neben dem Grossbergbau ist 2013 auch der meist informelle Kleinst- und Kleinbergbau in die öffentliche Aufmerksamkeit getreten. 20% des von Peru exportierten Goldes stammen aus meist nicht genehmigten Schürfgebieten, die sich wie eine schwärende Wunde durch das gesamte Amazonas-Gebiet ziehen. Besonders in Mitleidenschaft gezogen sind die Departamente Madre de Dios und Puno. Die hohe Quecksilberbelastung der Speisefische im Amazonas ist inzwischen wissenschaftlich nachgewiesen.  Die peruanische Regierung will dem Übel mit der Formalisierung der illegalen Bergleute Abhilfe schaffen. Wer sich bis April 2014 nicht formalisiert hat – also auch Umweltauflagen beachtet und Steuern bezahlt – der soll strafrechtlich ebenso verfolgt werden, wie ein Kokabauer, der seine Koka an Drogenhändler verkauft.

Rückhalt hat der informelle Goldabbau in den abgelegenen Gegenden, weil er wesentlich arbeitsintensiver ist als der industrielle Goldabbau. In Puno und Madre de Dios ist die Armutsquote in den letzten Jahren um ein vielfaches gefallen – ebenso wie die Umweltbelastung gestiegen ist.

In der politischen Landschaft haben verschiedene Akteure im Jahr 2013 an Ansehen verloren. Die beiden Ex-Präsidenten Alejandro Toledo und Alan García wurden in Korruptionsskandale verwickelt, die ihre Chancen für die Präsidentschaftswahlen 2016 schwächen werden.

Gegen Ende des Jahres geriet auch die Regierung Humalas in das Netz der Korruption. Ein ehemaliger enger Vertrauter des früheren Fujimori-Geheimdienstchefs Vladimiro Montesinos  unterhält bis heute Verbindungen zum Polizeiapparat, wie eine Zeitungsrecherche ergab. Dies lässt Vermutungen zu,dass die Korruptionsnetze um Montesinos beileibe nicht ausgeschaltet sind.

Das Jahr 2014 wird in Peru auch unter dem Thema „Klimaschutz“ stehen. Im November 2014 treffen sich in Lima die Vertreter aller Länder zum jährlichen Klimagipfel, bei dem das für 2015 anstehende neue Klimaschutz-Abkommen genaue Formen annehmen soll. Peru hat dabei einiges zu tun: Das peruanische Treibhausgas-Inventar hat bekannt gegeben, dass der Ausstoss von Treibhausgasen in den letzten Jahren um 53% angestiegen ist.  Im Jahr 2009 habe Peru 138 Millionen Tonnen CO2 ausgestossen, 32% davon durch den Strassenverkehr hervorgerufen, 28.2% durch den zusätzlichen Energieverbrauch, besagt ein Bericht des Umweltministeriums.  Peru steht vor der Herausforderung, wie sie das Wirtschaftswachstum umweltverträglich(er) machen können.

Hildegard Willer