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Nicht jedes peruanische Superfood ist super

Wenn man schon lange in Peru wohnt, ist es ganz schön schwer, jeweils neue Mitbringsel für die Familie und Freunde in Deutschland zu finden: irgendwann hat jedes Baby seine Chullo-Mütze, alle Frauen der Familie Alpaca-Schals und Silberohrringe und die Männer eine Pisco-Flasche zu Hause stehen. Nicht zu vergessen die unzähligen Alpaca-Pullis, die in deutschen Schränken meist ein ungetragenes Dasein fristen, weil die Heizungen  im Winter  so hoch gedreht werden, dass niemand mehr einen dicken Pulli anzieht, um weniger zu frieren.

Die schwierige Suche nach Geschenken aus Peru hat aber nun ein Ende: spätestens seit meine Schwägerin Chia-Samen morgens aufquillt, und meine Mutter von Sacha Inchi -Nüssen schwärmt, weiss ich, was ich mitbringen kann: gesunde Superfoods aus Peru.

Bemerkt hat diesen Boom  auch das peruanische Aussenhandelsministerium und sich die Marke “Peru Superfoods” für die eigene Werbung einverleibt. Als Superfoods wird nun alles vermarktet, was da auf peruanischen Äckern so wächst,und was besonders gesundheitsförderlich sein soll: vom Spargel von der Grossplantage, bis zu Mangos, Avocados, Bananen aus der Küstenregion und natürlich den andinen Körnern Quinoa, Amaranth, Canihua, dem  Stärkungspulver Maca und den neuen Super-Pflanzen aus dem Regenwald: Sacha Inchi oder die Acai-Beere.

So positiv es zu bewerten ist, dass Peru  nicht mehr nur durch fragwürdige Gold- und Kupferexporte Devisen erwirtschaftet, so wenig ist der naive Enthusiasmus angebracht, von der Superfood-Mode würden vor allem die Armen und die Umwelt proftieren.

Das Beispiel Quinoa zeigt, dass Konsumenten genau hinschauen müssen, wenn sie wissen wollen, wer wirklich von diesem Boom profitiert:

Das Jahr 2013 war von der Welternährungsorganisation FAO zum  Internationalen Jahr der Quinoa ausgerufen worden. Die dazugehörige Werbung  vermehrte die  Nachfrage  aus den USA und Europa. Ein weiterer Grund für die steigende Nachfrage: Quinoa ist gluten-frei, und jede Menge Lifestyle-Konsumenten in den USA und Europa hatten ihre Gluten-Unverträglichkeit entdeckt.

Quinoa wächst traditionell in hohen Lagen, auf den 4000 Meter hoch gelegenen Plateaus von Bolivien und Südperu, rund um den Titicaca-See.  Die plötzliche Nachfrage aus dem Ausland liess die Preise in die Höhe schiessen. Wer immer noch ein Stück Land irgendwo in Oruro oder in Puno hatte, kehrte zur Scholle zurück, um Quinoa anzubauen.

Endlich hatten die Bauern aus dem Altiplano dem Markt etwas Exklusives und Wertvolles anzubieten: das ehemals als Schweinefutter verpönte Quinoa-Korn. Bis zu umgerechnet 3 Euro konnten die Altiplano-Bauern für ein Kilo Quinoa verlangen, vor drei Jahren, auf der Höhe des Booms.

Das Los der Kartoffel

Diese Hoch-Zeiten änderten sich jedoch schnell: so wie auch die Kartoffel einst aus den Hochanden kam, und heute weltweit angebaut wird, so kommt die Quinoa zwar ursprünglich aus dem Altiplano, wächst aber auch in tieferen Lagen. Und das erst noch kostengünstiger – weil auf grösseren Flächen – und bei besserem Klima. Folge des vermehrten Anbaus an der Küste: ein Überangebot, und der Preis fiel.

Die wenigsten Konsumenten wissen, dass tiefere Lagen auch mehr Ungeziefer mit sich bringen: Tiefland-Quinoa – wie sie auch in Peru inzwischen an der Küste angebaut wird – ist ökologisch, also ohne Pestizide,  nicht zu haben!

Heute ist Quinoa auf dem besten Weg dahin, ein internationales Cash-Crop zu werden. Das bedeutet, dass es in der ganzen Welt angebaut werden kann, dass Standard-Sorten pflanzentechnisch hergestellt werden, und dass der Weltmarktpreis an den Börsen festgelegt wird, wie dies bei Weizen oder Kaffee schon längst der Fall ist.

So wie den wenigsten heute bewusst ist, dass die Kartoffel einst aus den Hochanden kam, so kann in 10 Jahren ein Quinoa-Säckchen aus deutschen Landen zum Standardrepertoire deutscher Küche werden.

Wer hat das Nachsehen  ?  Wieder einmal die Kleinbauern aus dem peruanischen und bolivianischen Hochland, die ob ihrer klimatischen und geographischen Lage es sowieso schwer haben, im weltweiten Wettbewerb zu bestehen. Für sie ist der Quinoa-Boom bereits vorbei.

Der  hohe Endpreis in peruanischen oder deutschen Supermärkten täuscht einen Boom vor, von dem nur Zwischenhändler etwas haben. Im deutschen Reformhaus zahlt man 12 Euro für ein Kilo weisser Quinoa. 10 Euro zahlt man im Supermarkt in einem schicken Viertel von Lima. Immerhin noch 3 Euro verlangt der Händler auf einem traditionellen Markt in Lima.

Der Kleinbauer im Hochland von Puno bekommt für 1 Kilo weisser Quinoa heute gerade noch 1,20 Euro.

Jeder kann sich ausmalen, wer hier den Hauptgewinn einstreicht. Ganz sicher nicht der Kleinbauer in Puno oder Oruro.

Nur die Konsumentinnen und Konsumenten können dem entgegenwirken: kaufen Sie Superfoods aus Peru – aber nicht irgendeines. Fragen Sie nach, aus welcher Region es kommt, und unter welchen Bedingungen  es produziert wurde.  Fragen Sie nach Quinoa (resp. Maca, Sacha Inchi……..)  die nicht nur in Peru oder Bolivien produziert wurde, sondern die im Hochland von Kleinbauern und Kooperativen gesät und geerntet wurde.

Hildegard Willer