Gestern Donnerstag wurde der Hafen in der peruanischen Kleinstadt Chancay eröffnet. Das Projekt mit einer Investitionssumme von 3,4 Milliarden Dollar soll den Handel mit asiatischen Ländern sowie Indien erleichtern. Doch kritische Stimmen warnen schon länger vor entsprechenden Umwelt-Beeinträchtigungen. Und schon jetzt gibt es Streit zwischen dem Unternehmen und der staatlichen Aufsichtsbehörde.
In Anwesenheit des chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping wurde am 14. November der Megahafen in der Küstenstadt Chancay eingeweiht, im Rahmen des Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsforums (APEC). Aus Sicherheitsgründen nahmen Xi Jinping und Präsindetin Dina Boluarte online vom Präsidentenpalast aus an der Einweihung teil.
Der Hafen befindet sich ca. 80 Kilometer nördlich der Hauptstadt Lima und wurde von der chinesischen Firma Cosco Shipping Ports Limited gebaut. Er stellt in mehrerlei Hinsicht ein Novum dar, nicht nur wegen der prominenten Gäste bei der Einweihungsfeier. Auch die finanziellen Dimensionen sind für Peru ungewöhnlich: Insgesamt wird mit einer Investition von 3,4 Milliarden Dollar gerechnet, 1,3 Milliarden sind es in der ersten Phase. Der Hafen soll durch schnelleren Transport vor allem den Handel mit Ländern wie China, Japan, Südkorea, Indonesien und Indien erleichtern. Chinesische Waren im Wert von 500 Millionen Dollar sollen über den Hafen den lateinamerikanischen Markt erreichen.
Kritische Stimmen aus der Zivilgesellschaft weisen schon länger auf die großen Probleme hin, die das Megaprojekt mit sich bringt, unter anderem im Zusammenhang mit der Beeinträchtigung der Wasser-, Luft und Bodenqualität. Konkreter nennen die Frente de defensa por la dignidad y libertad de Chancay und auch die sie unterstützende Nichtregierungsorganisation CooperAcción folgende Faktoren: Die Austrocknung der Feuchtgebiete Santa Rosa, die Verschlechterung der biologischen Vielfalt im Wasser und an Land, eine starke Beeinträchtigung der lokalen Fischerei und damit eine Verschlechterung der Ernährungssicherheit, die Einsturzgefährdung von Häusern und auch die Zunahme der Luftverschmutzung durch den LKW-Verkehr zum und vom Hafen.
Eine andere Frage ist, wie sich dieses Projekt auf die Beziehungen zu den Nachbarländern Chile, Ecuador und Kolumbien auswirkt, wissend, dass die Transportwege aus Peru jetzt kürzer und deshalb billiger sind. Gibt es einen Plan, wie der Verkehr auf der sowieso schon überfüllten Autostraße zur nördlichen Küste geregelt wird? Wie wirkt sich die stark zunehmende wirtschaftliche Präsenz Chinas aus, womit Peru nach Brasilien das Land mit dem zweitgrößten chinesischen Einfluss in Lateinamerika ist?
Trotz all dieser Fragen erreichten weder die Organisation der Bevölkerung von Chancay noch ihre Unterstützer*innen wie CooperAcción, die peruanische Organisation für Umweltrechte (SPDA) oder die international tätige Organisation Mundo Azul sachliche Gespräche mit dem zuständigen Ministerium für Transport und Kommunikation oder dem Umweltministerium. Cosco Shipping seinerseits reagierte auf die Vorwürfe, indem kleinere Entschädigungszahlungen an 3000 Familien bezahlt wurden, auf der anderen Seite aber 25 Personen wegen Protestaktionen angezeigt.
Ein weiteres Novum ist die Rechtsform des Hafens: Es handelt sich hier nicht – wie beim Hafen von Callao – um eine Konzession, also einen Vertrag zwischen dem Staat und einem Investor über die Ausführung und Nutzung einer Infrastruktur, sondern um ein Terminal in Privatbesitz mit einer Hafengenehmigung zur öffentlichen Nutzung. Für die Errichtung des Terminals wurde also kein Vertrag zwischen dem Staat und Cosco Shipping unterzeichnet. Dieses rechtliche Konstrukt stellt eine neue Herausforderung dar und führte einen Monat vor der Einweihung schon zu Spannungen zwischen Cosco Shipping und der zuständigen Aufsichtsbehörde Ositran (Organismo Supervisor de la Inversión en Infraestructura de Transporte de Uso Público). Diese hatte Cosco Shipping an seine gesetzlichen Verpflichtungen erinnert und vor möglichen Sanktionen gewarnt, falls diese nicht eingehalten werden. Doch das chinesische Unternehmen erkennt die Befugnisse der Behörde in Bezug auf seinen Hafenbetrieb nicht an, da der Hafen ja im Privatbesitz sei. Ositran wiederum argumentiert, jenseits der Frage der Besitzverhältnisse sei der Terminal für die öffentliche Nutzung bestimmt, unterliege also der Aufsicht der staatlichen Behörde. Nun hat das Unternehmen Klage eingereicht. Cosco Shipping will erreichen, dass Ositran angewiesen wird, jegliche Kontrolle und Sanktionierung innerhalb des Hafens zu unterlassen. Zur Begründung führt das Unternehmen an, dass die Aufgaben der Aufsichtsbehörde seine verfassungsmäßigen Rechte auf Eigentum und Unternehmensfreiheit gefährde.
Angesichts dieser Auseinandersetzungen dürfte die Freude der Regierung über die große Eröffnungszeremonie des Hafens nicht ganz ungetrübt sein. Am 22. November wird der Fall verhandelt. Man darf gespannt sein, wie das Gericht entscheidet.