Mattes Tempelmann und Javier Jahncke von Red Muqui

Die Mär vom hochrentablen Bergbau

Bergbau in Peru ist zwar konfliktiv, sei aber eben auch hoch rentabel – zumindest für die operierenden Unternehmen. Letzteres ist zumindest das Argument aller bisherigen peruanischen Regierungen, warum sie auf den Ausbau des Bergbausektors setzen.

Was aber, wenn der Bergbau gar nicht so rentabel ist, wenn man die tatsächlichen Umweltkosten in Rechnung setzt? Und wenn die Alternativen zur wirtschaftlichen Entwicklung rentabler sind als sie scheinen?

Dieser Hypothese ist eine Gruppe Studierender des Seminars für Ländliche Entwicklung der Humboldt-Universität Berlin nachgegangen. Im Auftrag des Hilfswerks MISEREOR und in Zusammenarbeit mit dem peruanischen Netzwerk Red Muqui haben sie die Studie “Entwicklungsalternativen in Bergbauregionen Perus” veröffentlicht.

Susanne Friess von Misereor und Mattes Tempelmann von Red Muqui erzählen, ob sich die Ausgangshypothesen der Studie beweisen ließen und wie sie mit den Ergebnissen weiterarbeiten wollen.

Infoperu: Wie kam es zur Studie und warum habt Ihr die Regionen Junín und Cajamarca dafür ausgewählt?

Susanne Friess: Misereor beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Thema Bergbau und die Fragen nach Alternativen werden immer drängender. Während wir in Deutschland immer mehr Rohstoffe verbrauchen und die Politik dafür sorgt, dass diese günstig und ungehindert nach Deutschland kommen, werden die Gemeinden im Umfeld der Minen in Lateinamerika durch Bergbauprojekte massiv geschädigt. Wir wollten der Frage nachgehen, ob der Diskurs des ach so rentablen Bergbaus wissenschaftlich wirklich haltbar ist und haben deshalb das Seminar für Ländliche Entwicklung (SLE) mit der Studie beauftragt.

Mattes Tempelmann: Die zwei untersuchten Regionen wurden vom Vorstand des Red Muqui ausgesucht: zum einen das Mantaro-Tal in Junín, welches eine alte Bergbauregion ist und die Altlasten aus 100 Jahren Bergbau in Cerro de Pasco, La Oroya oder heute Morococha trägt – und das zugleich als Kornkammer Perus gilt. Das Mantaro-Tal versorgt die 10-Millionenstadt mit Gemüse und Getreide.

Zum anderen haben wir das Gebiet der geplanten Mine Conga in Cajamarca untersucht – eben als Gegenbeispiel für eine Zone, die bisher noch nicht von Bergbau betroffen ist.

Infoperu: Das erste Vorhaben war, die Umweltauswirkungen im Mantaro-Tal zu dokumentieren und zu quantifizieren. Was habt Ihr dabei herausgefunden?

Mattes Tempelmann: Das Mantaro-Tal ist die Korn- und Gemüsekammer von Lima; in den Medien war schon mehrfach die Rede von Gemüse-Containern aus dem Mantaro-Tal, welche wegen hoher Schwermetallbelastung aus dem Ausland zurückgeschickt worden sind. Auch zivilgesellschaftliche Gruppen haben immer wieder Messungen gemacht und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass im Mantaro-Tal an vielen Stellen eine hochgradige Verschmutzung mit Schwermetallen vorliegt. Deswegen dachten wir, dass es einfach sein müsste, die Umweltverschmutzung zu dokumentieren. Das war es jedoch nicht. Erstaunlicherweise gibt es nur sehr wenige staatliche Daten zum Grad der Belastung der Gewässer und Böden im Mantaro-Tal. Sei es, dass der Staat die Daten nicht erhebt oder dass er sie nicht herausrücken will. Auf jeden Fall ist die wissenschaftliche Datenlage nicht ausreichend, um den Grad der Belastung zu berechnen und noch weniger, dessen Verursachung durch den Bergbau. Die Empfehlung der Studie geht deshalb dahin, dass der peruanische Staat vermehrt und transparenter Messungen und Auswertungen vornehmen muss, um einerseits die Ursache der Verschmutzung zu identifizieren und auch mehr Informationen über den tatsächlichen Grad der Verschmutzung zu erheben.

Infoperu: Und was habt Ihr für Conga berechnet? Für dieses geplante Bergbaugebiet liegt ja eine umfangreiche Umweltstudie vor, die das Bergbauunternehmen als Teil des Antragsverfahrens beim peruanischen Staat vorlegen musste. Seid Ihr zum gleichen Schluss gekommen?

Mattes Tempelmann: Nein. Denn die Studie des Unternehmens hat nur das direkte Einzugsgebiet der geplanten Tagebaumine angeschaut, das SLE aber alle betroffenen Gemeinden, auch außerhalb des engeren Einzugs. Denn der von der Mine vorgesehene 660 Meter tiefe Tagebau wird das Grundwasser weit über das direkte Einzuggebiet absenken. Mit der vorgesehenen Mine wird einerseits der Stadt Cajamarca aber auch der Landbevölkerung in den Provinzen Celendín und Hualgayoc weniger Wasser zur Verfügung stehen, weil das Ökosystem der “Jalca”, der Feuchtwiesen auf 4.000 Meter Höhe, durch das Projekt Conga zerstört wird. Die “Jalca” ist aber der natürliche Wasserspeicher der ganzen Region, der sich in Jahrhunderten aufgebaut hat. Wenn er einmal zerstört ist, dann kann das nicht mehr rückgängig gemacht werden.

InfoPeru: Wie sieht es auf der anderen Seite bei den Alternativen zum Bergbau aus?

Mattes Tempelmann: Die Studie hat nur den landwirtschaftlichen Sektor als Alternative angeschaut. So leben zum Beispiel 130.000 Menschen von diesem Wirtschaftssektor allein im Einzugsgebiet des Projektes Conga. Die Studie hat in den Regionen Junín und Cajamarca jeweils das landwirtschaftliche Potential analysiert und kam zum Schluss, dass die Landwirtschaft noch wesentlich lukrativer sein könnte, wenn man einerseits bestimmte Produkte ausbaut, zum Beispiel Quinoa oder Kiwicha, und andererseits der Staat die kleinbäuerliche Landwirtschaft aktiv fördert.

InfoPeru: Aber wir sehen doch eine massive Abwanderung vom Land in die Stadt, auf den Dörfern der Anden findet man oft nur alte Menschen vor. Die Flächen sind klein, und die Jungen wollen auch Geld verdienen, nicht nur von der Subsistenzlandwirtschaft leben.

Susanne Friess: Leider ist das Image der Landwirtschaft in Peru sehr schlecht. Es braucht eine Imagekampagne und massive politische Unterstützung, um den Kleinbauernsektor zu stärken.

Mattes Tempelmann: Im Red Muqui bin ich verantwortlich für die Entwicklung von lokalen und regionalen „Zukunfts- und Aktionsplänen“ in Workshops mit ländlichen Gemeinden, die vom Rohstoffabbau betroffen sind. Die Menschen in diesen Workshops berichten häufig, dass sie gerne in der Landwirtschaft weiter arbeiten würden und nicht abwandern möchten, sondern weiterhin mit ihrer Familie auf dem Land leben möchten. Sie fordern dafür, dass sich die Lebensqualität auf dem Land verbessert und dass die kleinbäuerliche Landwirtschaft vom Staat unterstützt wird. Am dringendsten fordern sie dafür zum Beispiel landwirtschaftlich technische Beratung, Vergabe von Mikrokrediten, verbessertes Saatgut, bessere Marktanbindung, Ausbau der Infrastruktur, Bewässerungstechniken, aber auch Verbesserung der Gesundheits- und Bildungseinrichtungen und Jobs außerhalb der Landwirtschaft.

InfoPeru: Welche Reaktionen habt Ihr bei den deutschen Ministerien erhalten, bei denen Ihr die Studie vorgestellt habt?

Susanne Friess: Verschiedene deutsche Ministerien – wie BMZ, BMUB und BMWI, auch die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe – haben großes Interesse gezeigt an der Studie. Die Erkenntnis, dass einerseits die Präsenz von Schwermetallen zumTeil sehr hoch ist, zum anderen aber auch viele Daten fehlen zum Grad und zu den Ursachen der Umweltverschmutzung, zeigt in alarmierender Weise, wie mangelhaft die Umweltaufsicht von Seiten des peruanischen Staates ist.

Wir wollen mit der Studie auch die Systemfrage stellen und deutlich machen, dass es nicht sein kann, dass Industrie und Konsumenten in Deutschland weiterhin so viele Rohstoffe verbrauchen und die ökologischen und sozialen Kosten dieses unglaublich ressourcenintensiven Lebensstils den Menschen im Umfeld der großen Minen in anderen Ländern aufbürden. Dass wir nicht so weitermachen können. Wenn wir die deutschen Regierungsvertreter auf die planetarischen Grenzen und auf das Stichwort “Ressourcengerechtigkeit” ansprechen, sehen wir vor allem betretene Gesichter. Denn natürlich wissen alle, dass wir viel zu viele Ressourcen verbrauchen und dass andere Menschen für unseren Konsum den Preis bezahlen. Aber niemand hat eine Antwort auf die Frage, wie wir hier umsteuern und die Rohstoffwende einläuten können.

Ich war auch positiv überrascht über das große Interesse des Publikums an der Studie, es scheint, die Frage nach den Alternativen hat bei vielen Leuten einen Nerv getroffen.

InfoPeru: wie wollt ihr weiter mit der Studie arbeiten?

Mattes Tempelmann: Wir werden die Studie nun in Peru vorstellen, im Kongress und an einer Universität in Lima debattieren. Danach in Cajamarca, Huancayo, Cusco und Arequipa, zusammen mit den Regionalregierungen. Die Studie ist nur ein erster Schritt, es werden weitere Studien folgen, um die Datenlage zu verbessern und aufzuzeigen, dass es attraktive und funktionierende gute Alternativen zum Bergbau gibt.


Die Studie des Seminars für ländliche Entwicklung „Alternativas de desarrollo en regiones mineras del Perú“ in spanischer Sprache kann unter diesem Link geladen werden: https://edoc.hu-berlin.de/handle/18452/19483

In deutscher Sprache hier: https://edoc.hu-berlin.de/bitstream/handle/18452/19346/SLE-272-1-Entwicklungsalternativen%20in%20Bergbauregionen%20Perus.pdf?sequence=2&isAllowed=y

Die Peru-Gruppe der Infostelle Peru wird einen Gesprächsabend zum Thema der Studie in Lima veranstalten, bei dem Mattes Tempelmann über die Aussagen der Studie und ihre aktuellen Präsentationen und Resonanzen in Peru berichten wird, und zwar am Dienstag, dem 19. Juni, 18.30 Uhr. Ort wird noch bekanntgegeben. Interessenten mögen sich bei Hildegard Willer melden: hilwiller@yahoo.es