Bezirksbürgermeister Oliver Igel besucht den Stand der Städtepartnerschaft bei der Seniorenolympiade 2020. (© Michael Schrick)

„Wir sehen uns jetzt viel öfter“

Seit bald 23 Jahren unterhält der Berliner Bezirk Treptow-Köpenick eine Städtepartnerschaft mit dem peruanischen Cajamarca. Michael Schrick war von Anfang an dabei.

 

Infostelle Peru: Seit wann gibt es die Städtepartnerschaft zwischen Cajamarca und Berlin-Köpenick?

 

Michael Schrick: Offiziell seit dem 20. Mai 1998, da haben die beiden beteiligten Bürgermeister in Cajamarca den Partnerschaftsvertrag unterschrieben, aber vorangegangen waren schon etwa drei Jahre Vorarbeit.

 

Aus welchem Anlass ist die Partnerschaft entstanden?

 

Es gab 1993 bereits den UN-Nachhaltigkeitsgipfel und 1995 in Folge dessen den Weltklimagipfel mit einer Bürgermeisterkonferenz in Berlin. Da haben sich die beiden damaligen Bürgermeister Klaus Ulbricht und Lucho Guerrero kennengelernt und beschlossen, eine Partnerschaft zu gründen. Ich war damals im Rathaus Köpenick bei einer Veranstaltung zur lokalen Agenda 21, die ich moderieren durfte, und die beiden Bürgermeister kamen und kamen nicht, da musste ich zwei Stunden lang die Veranstaltung am Laufen halten.

 

Was für Aktionen habt ihr seitdem dann durchgeführt? Oder weil das wahrscheinlich den Rahmen sprengen wird, was ist denn der Fokus eurer Zusammenarbeit?

 

Wir haben uns die meiste Zeit um soziale Fragen gekümmert, wie Erziehung, Senior:innenarbeit, Gesundheitsarbeit, aber auch um Umweltprobleme, zum Beispiel Wasserver- und -entsorgung. Von Anfang an hatten wir eine Zusammenarbeit zwischen den Kindergärten. 2003 war der erste Austausch, 2019 hatten wir dann gleich sieben Kindergärtnerinnen aus den Partnerkindergärten in Cajamarca zu Besuch, die einen sehr fröhlichen und instruktiven Austausch mit den Kolleginnen aus den zwei Kindergärten bei uns hatten. Das war wirklich eine produktive Sache und die geht jetzt auch zu Corona-Zeiten weiter. Vor kurzem war wieder eine Videokonferenz, wo sie vereinbart haben, dass sie, sobald es möglich ist, nächstes Jahr wieder persönlich hinfahren wollen. Da sind also auch wirklich gute Freundschaften entstanden. In den letzten Jahren waren die Kooperationen der Senioren und Seniorinnen am intensivsten, einschließlich der Senioren-Olympiade. Dann sind wir eingetreten in ein Projekt der „kommunalen Nachhaltigkeitspartnerschaft“ in der Servicestelle „Kommunen in der einen Welt“. Letztes Jahr ist ein Projekt „Gemeinsam gegen Covid-19 in Cajamarca“ hinzugekommen mit einer Finanzierung der Landesstelle für Entwicklungszusammenarbeit in Berlin, die Öffentlichkeitsmaßnahmen in den Kindergärten und Senioreneinrichtungen und Radiospots unterstützt haben. Und relativ neu ist auch die Zusammenarbeit in der außerschulischen Bildungsarbeit von zwei Einrichtungen, die in Treptow-Köpenick und in Cajamarca eine Kooperation eingegangen sind.

 

Kannst du mittlerweile schon eine Bilanz aus diesen ganzen Projekten ziehen?

 

Es gibt viele Bilanzen! Zum einen, dass wir in beiden Städten mittlerweile bekannter geworden sind, sowohl in der Zivilgesellschaft als auch in der Verwaltung, als auch, dass wir als Freundinnen und Freunde mehr oder weniger zusammengewachsen sind. Wir freuen uns immer, wenn wir uns in Pandemiezeiten per Videokonferenz sehen und austauschen können und uns die letzten Neuigkeiten erzählen und planen können, wie es in Zukunft weitergeht. Die Bilanz des Covid-19-Projekts ist, dass wir einkommenschaffende Maßnahmen für die Seniorinnen und Senioren und auch in der außerschulischen Bildungsarbeit und teilweise auch in den Kindergärten erreichen konnten. Und die Radiospots, die da mitfinanziert wurden, sind mittlerweile in ganz Peru nachgefragt worden, zum Beispiel Spots, wie man richtig Hände wäscht oder Abstand hält.

 

Was hat dich denn dazu gebracht, dich zu engagieren?

 

Michael Schrick, Gründungsmitglied und zivilgesellschaftlicher Koordinator der Städtepartnerschaft Treptow-Köpenick mit Cajamarca

Ich habe Linguistik, Altamerikanistik und Soziologie studiert. Da hatte ich schon als Student relativ viel interessemäßig mit Lateinamerika zu tun. 1979 habe ich an einer Exkursion des Lateinamerikainstituts der FU Berlin teilgenommen, die sich Entwicklungshilfeprojekte in verschiedenen Regionen in Ecuador und Peru angeschaut hat. Ich wäre damals um ein Haar schon nach Cajamarca gekommen, war dann aber doch in anderen Gegenden von Peru und habe anschließend eine Magisterarbeit geschrieben über den Einfluss des Spanischen auf das Quechua in Ayacucho. 1993 bin ich dann mehr oder weniger zufällig von Tempelhof nach Köpenick gezogen und saß dann wieder zufällig in einer Konferenz zu kommunaler Entwicklungszusammenarbeit neben dem Bürgermeister und dem Umweltstadtrat von Köpenick. Als ich dann hörte, es tut sich was mit einer Städtepartnerschaft, vielleicht sogar mit einer Stadt in Peru, bekam ich ganz große Ohren und bin dann dabeigeblieben! Also war ich von Anfang an, seit den ersten Verhandlungen dabei.

 

Also hast du wirklich schon eine lange Geschichte mit der Städtepartnerschaft! Was bedeutet sie denn persönlich für dich?

 

Man lernt immer noch dazu, das ist eine gewaltige Horizonterweiterung. Man sieht die Lebensbedingungen und jetzt auch, was während der Pandemie in Peru so vor sich geht, man bekommt mit, wie die Stadt und das Land politisch ticken. Ich versuche mich auch, nicht nur auf die Städtepartnerschaft zu beschränken, ich bin aktiv in der Infostelle, ich bin aktiv in der „Kampagne Bergbau Peru – Reichtum geht, Armut bleibt“. Alles das fügt sich ein in einen gemeinsamen Kampf für eine bessere Umwelt und bessere Menschenrechte. Was dazu gekommen ist, ist ein interkultureller Austausch, aber auch ein intergenerationeller Austausch. Und es sind ganz viele persönliche Freundschaften daraus entstanden.

 

Warst du dann im Rahmen der Partnerschaft oft in Peru?

 

Zwölf Mal ungefähr! Etwa alle zwei bis drei Jahre, jetzt natürlich weniger. Ich habe auch alle Bürgermeister:innen seit der Wende in Cajamarca begleitet. Und es macht mir immer noch viel Spaß, ich will weiter dabeibleiben.

 

Ich habe auf eurer Website gelesen, dass ihr euren Partnerschaftsvertrag neu unterzeichnet habt, was hat sich da denn jetzt verändert?

 

Das war zum einen aus einem eher formalen Grund. Verträge in Peru werden immer nur so lange geschlossen, wie die Amtszeit der jeweiligen Amtsträger ist und meistens wird nach etwa vier Jahren die komplette Verwaltung ausgetauscht und dann kommt immer wieder der Wunsch von Cajamarca, den Vertrag neu zu unterzeichnen. Wir haben dann vorgeschlagen, dass wir uns mal gemeinsam Gedanken machen, wie wir die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen miteinbeziehen können. Daher haben wir beschlossen, auf Basis der Agenda 21 die globale Verantwortung in den Vertrag aufzunehmen. Das sollte dann ein Rahmenvertrag sein, ohne aber konkrete Details festzuschreiben, wie die konkreten Namen von Verantwortlichen. Dazu haben wir vereinbart, dass wir jedes Jahr Arbeitspläne machen, wo wir unsere Vorhaben für das jeweilige Jahr festhalten. Dieser Prozess hat ziemlich lange gedauert, weil diese Art von Verträgen auch für Cajamarca ziemlich neu war.

 

Wie lange soll der Vertrag jetzt diesmal halten?

 

So lange, bis es keine Städtepartnerschaft mehr gibt!

 

Zu meiner letzten Frage: Was hat denn die globale Pandemie für Auswirkungen auf eure Partnerschaft? Hat euch das eher enger zusammengerückt oder die Zusammenarbeit auch erschwert?

 

Du ahnst die Antwort schon: wir sehen uns jetzt viel häufiger als früher! Dadurch, dass wir so viele gemeinsame Projekte haben und die Mittel der digitalen Zusammenkunft viel weiter verbreitet sind, haben wir häufig im Wochentakt, manchmal auch zweimal pro Woche Videokonferenzen zusammen gehabt. Die Konferenzen zwischen den Kindergärten oder auch den außerschulischen Bildungseinrichtungen sind auch mehr geworden. Das hat also dazu beigetragen, dass es letztendlich keinen Bereich gab, in dem die Zusammenarbeit eingeschränkt war. Ein kleines Problem ist natürlich, dass wir jetzt nicht mehr alle mitnehmen können. Wir haben auch eine Reihe von Älteren in den Arbeitsgruppen, die sich nicht so sehr an die digitalen Konferenzen herantrauen.

 

Hast du noch abschließende Worte? Etwas, das du gerne noch mitteilen möchtest?

 

Ja, was ich gemerkt habe in all den Jahren, neben den Aspekten von interkulturellem und intergenerationellem Austausch und Horizonterweiterung, ist, wie wichtig auch eine gewisse Vernetzung ist. Dass man versucht, Allianzen zu gründen zwischen Verwaltung und Zivilgesellschaft, innerhalb der Infostelle oder in anderen Bereichen gemeinsamer Aktivitäten. Ich versuche auch im Bezirk selber in den Bereichen, die mit den SDGs zu tun haben, weiter vernetzt zu sein. Das hat sich eigentlich in allen Fällen immer als sehr erfolgreich erwiesen.

 

Dann bedanke ich mich herzlich für das Interview!

 

Anlässlich der Unterzeichnung der aktualisierten Städtepartnerschafts-Vereinbarung ein Video, was die Städtepartnerschaft für die Menschen in Cajamarca und Treptow-Köpenick bedeutet:

https://youtu.be/PM3vc7eMYYU

Weitere Informationen zur Städtepartnerschaft: https://www.staepa-cajamarca.de

 

Das Interview führte Clara Uhlemann mit Michael Schrick, Gründungsmitglied und zivilgesellschaftlicher Koordinator der Städtepartnerschaft