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Energiewende in Peru

Paul Maquet stellt die aktuelle Energiesituation vor und argumentiert, warum Peru eine Energiewende braucht.

Peru ist kein großer Verursacher von Treibhausgasen, seine Emissionen sind, global gesehen, eher marginal. Das Land ist für 0,02 Prozent der heutigen Emissionen (ab 2019) und 0,1 Prozent der historischen Emissionen (seit 1750) verantwortlich. Selbst wenn man die Landnutzungsänderung mit berücksichtigt, ist Perus Anteil zwar etwas höher, aber mit 0,38 Prozent im Vergleich zu China (24 %), den USA (11,6%) und der Europäischen Union (6,3 %) immer noch sehr gering.

Von diesem geringen Beitrag stammen der größte Teil (über 65 %) aus Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft und 28 Prozent aus dem Energiesektor.

Für den Kampf gegen den Klimawandel spielt eine Energiewende in Peru also keine große Rolle. Hierfür ist es viel dringender, das Amazonasgebiet zu schützen, das aufgrund der Abholzung der Wälder die meisten Treibhausgase ausstößt.

Es gibt jedoch vier andere wichtige Gründe, warum Peru eine Energiewende braucht:

Energiesicherheit: Peru ist ein reines Ölimportland. Im Gegensatz zu anderen lateinamerikanischen Ländern verfügt Peru zwar über eine gewisse Erdölproduktion, doch ist diese seit Jahrzehnten rückläufig. Eine Verringerung des Ölverbrauchs würde zu mehr Energiesouveränität und -sicherheit führen. Denn die Energieversorgung sollte nicht von einer einzigen Quelle abhängig sein, die im Land so gut wie nicht verfügbar ist, und auch nicht von deren Preisschwankungen.

Energiearmut: Obwohl der Anteil der Menschen, die Zugang zu Elektrizität haben, mit landesweit 99 Prozent und 96,7 Prozent im ländlichen Sektor[1] hoch ist, verbirgt sich hinter diesen Zahlen eine sehr ungleiche Verteilung: Vor allem in Amazonasregionen wie Amazonas oder Loreto liegt die Versorgung unter 80 Prozent. Das bedeutet, dass Tausende von Familien keinen Zugang zu Elektrizität haben, vor allem in indigenen Gemeinden und abgelegeneren Gebieten, die nicht vom nationalen Stromnetz erreicht werden. Darüber hinaus verwenden schätzungsweise 15 bis 20 Prozent der Haushalte Brennholz zum Kochen, was schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit hat. Erneuerbare, dezentrale Energien würden den Zugang zu Elektrizität in Gebieten ermöglichen, zu  denen der Transport von Brennstoffen oder der Aufbau eines Stromnetzes logistisch schwierig ist.

Luftqualität: Lima ist eine der Städte mit der schlechtesten Luftqualität weltweit, was eng mit dem Alter der Fahrzeuge (und dem Fehlen von Grünflächen) zusammenhängt.  Nach dem Air Quality Life Day Index (AQLI) verringert sich die Lebenserwartung der Bevölkerung im Großraum Lima aufgrund der Luftverschmutzung um durchschnittlich 4,7 Jahre. Eine Elektrifizierung des öffentlichen Nahverkehrs in Lima (zusammen mit einer Reduzierung des Individualverkehrs) würde zu einer besseren Luftqualität beitragen.

Technologische Entwicklung: Peru war schon immer ein Nachzügler bei technologischen Revolutionen. Das passiert jetzt wieder: Wir sind nur noch Rohstofflieferanten für die in den Industrieländern hergestellten Energiegeräte.

Fortschritte bei der Energiewende unter dem Gesichtspunkt des Technologietransfers würden uns helfen, bei einem Wandel, der früher oder später weltweit stattfinden wird, nicht so weit zurückzubleiben.

Welche Prioritäten Peru bei der Energiewende setzen soll

Zunächst müssen wir unterscheiden zwischen den großen nationalen Zahlen und den spezifischen territorialen Gegebenheiten. Betrachtet man beispielsweise die nationalen Zahlen, so stellt man fest, dass die Binnenschifffahrt nur eine sehr geringe Bedeutung hat und daher keine Priorität darstellen sollte. Im Amazonasgebiet, wo der Transport im Wesentlichen auf dem Flussweg erfolgt, könnte die Elektrifizierung jedoch zu einer erheblichen Verbesserung der Autonomie und der Lebenshaltungskosten führen, da die Preise der (von außen eingeführten) Treibstoffe die Preise für alle Transportmittel erheblich erhöhen.

Verkehr, Strom und Gas: einige wichtige Zahlen

Verkehr: Der bei weitem größte Energieverbraucher ist mit 36 Prozent der Verkehr, der folglich auch der größte Verursacher von Treibhausgasemissionen im Energiesektor ist. 63 Prozent der fossilen Brennstoffe und Biokraftstoffe werden im Verkehrsbereich verbraucht.

Hauptverbraucher mit 65 Prozent des Kraftstoffes sind der Individualverkehr und Kleinfahrzeuge. Auf den Güterverkehr (Lkw und Anhänger) entfallen etwa 20 Prozent und auf Busse, Kleintransporter und andere Fahrzeuge für die Personenbeförderung etwa 15 Prozent des gesamten Kraftstoffverbrauchs.[2]

Eine Verkehrswende, die den Kraftstoffverbrauch senkt, erfordert daher in erster Linie eine Reform des Verkehrswesens und nicht einfach einen technologischen Wandel. Der Indiviudalverkehr muss verringert, der öffentliche Nahverkehr gefördert werden. An zweiter Stelle steht die Elektrifizierung des Güterverkehrs durch den Ausbau des Schienenverkehrs.

Elektrizität: Die Stromquellen in Peru sind traditionell erneuerbar: Wasserkraftwerke, die im 20. Jahrhundert gebaut wurden. Seit den 2000er Jahren hat jedoch die Ausbeutung des (billigen) Camisea-Gases den Bau von Wärmekraftwerken in der Nähe von Lima ermöglicht. Derzeit wird fast die Hälfte des Stroms mit Gas erzeugt.

Peru hat ein Gesetz zur Förderung von Investitionen in erneuerbare Energien (Gesetz 1002), in dem das Ziel festgelegt wurde, bis 2013 fünf Prozent des Energiebedarfs durch nicht-konventionelle erneuerbare Energien (d. h. ohne Wasserkraft) zu decken. Dieses Ziel wurde nicht erreicht. 2019 wurden nur 1,8 Prozent des Energieverbrauchs durch Erneuerbare gedeckt.

Der Ausbau der erneuerbaren Energien erfolgte hauptsächlich über Auktionen, um private Investitionen anzuziehen. Bislang wurden vier Auktionen in den Jahren 2010, 2011, 2013 und 2016 durchgeführt. Seither gab es keine mehr.

Das Gesetz 1002 erwähnt zwar die Möglichkeit der dezentralen Stromerzeugung, regelt sie aber nicht, was Technik und Preisgestaltung betrifft. Die Verbraucher*innen werden so nicht zum Bau lokaler Stromerzeugungsanlagen motiviert.

Gas: Einer der populärsten politischen Forderungen in Peru ist es, die Nutzung von Gas zu massiv auszuweiten und diese Ressource “zurückzugewinnen”. Denn Gas ist reichlich vorhanden (Gas aus Los 88, Camisea, in der Region Cusco). Und es ist billig. Der Gaspreis ist gesetzlich geregelt. Seit Beginn der Förderung ist das Gas für den industriellen Verbrauch und die Stromerzeugung in Lima sowie für den Export bestimmt. In den südlichen Regionen und in Cusco, wo es gefördert wird, gibt es keine Erdgasversorgung, was das Gefühl des Missbrauchs und der Ausplünderung erklärt.

Fachleute empfehlen, die Verwendung von Gas im Elektrizitätsmix zu reduzieren. Es kann leicht durch saubere und nachhaltige Quellen ersetzt werden. Verwendung sollte es beim Kochen oder im Verkehr finden.

Soziale Herausforderungen einer Energiewende

Die Energiewende bringt erhebliche gesellschaftliche Herausforderungen mit sich, unter anderem folgende:

Wodurch kann der Gewinn aus fossilen Energiequellen ersetzt werden?

Die Erträge aus den fossilen Energiequellen sind in den Regionen, in denen sie gefördert werden, erheblich. Auf nationaler Ebene mag dies zwar weniger relevant sein, doch stellt sich die Frage, welche Entschädigung den betroffenen Regionen (Piura, Tumbes, Loreto, Ucayali, Huánuco) bei einem geplanten Rückgang der Förderung angeboten wird.

Dialog mit den Gewerkschaften

Einer der Sektoren, die nur ungern über die Energiewende und die Umweltauswirkungen der Ölförderung sprechen, sind die Arbeiter*innen in der Erdölgewinnung. Es ist von entscheidender Bedeutung, mit ihnen einen Plan für eine sozial gerechte Transfomation zu erarbeiten, der ihre Ängste und Forderungen berücksichtigt.

Vermeidung steigender Lebenshaltungskosten

Das große Schreckgespenst der Pläne für eine Energiewende ist das Risiko, dass politische Maßnahmen zur Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs, wie etwa eine Kohlenstoffsteuer oder der Abbau von Subventionen, zu höheren Lebenshaltungskosten führen. Deshalb muss man sich auf soziale Proteste einstellen und umsichtige Maßnahmen ergreifen, um die Bevölkerung nicht zu sehr zu belasten.

Peru als Lieferant von Rohstoffen für die Energiewende

Schätzungen zufolge wird mit der Energiewende der Bedarf an Mineralien um das Vierfache zunehmen. Darunter auch Kupfer. Peru ist der zweitgrößte Kupferproduzent der Welt, mit mehr als 2.000 Tonnen pro Jahr (11 Prozent der Weltproduktion im Jahr 2021). Peru ist auch der zweitgrößte Exporteur nach China und deckt 12,7 Prozent des Kupferbedarfs. Nach Deutschland gehen ca. drei Prozent der peruanischen Kupferexporte.

Die Kupferproduktion in Peru hat sich in den letzten Jahren bereits verdoppelt. Auch die Konflikte im Bergbau haben deutlich zugenommen, insbesondere in den südlichen Anden, wo etwa 65 Prozent des Kupfers landesweit gefördert werden. Die Proteste richten sich gegen die Umweltschäden und für eine gerechtere Verteilung der Gewinne. Der Anstieg des Kupferpreises führt auch zu einer Zunahme des illegalen Bergbaus.

Kann Peru unter den herrrschenden Bedingungen eine weitere Verdoppelung der Kupferproduktion verkraften, um die Nachfrage der Industrieländer zu decken?

 

Der Beitrag ist eine Zusammenfassung eines Vortrags von Paul E. Maquet von der peruanischen Nichtregierungsorganisation CooperAcción bei der Online-Veranstaltung der Infostelle Peru “Energiewende in Peru – ein Weg mit Hindernissen” am 10. November 22.

Zusammenfassung und Übersetzung: Annette Brox

[1] laut Datenbank Sustainable Energy for All SE4ALL

[2] Quelle: INGEI 2020