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Operation „Quecksilber“ gegen illegale Goldschürfer: was bringt es?

Schwer bewaffnete Soldaten springen aus Hubschraubern, laufen kilometerlang durch Sandwüsten und Zeltstädte. Man könnte meinen, es handelt sich um einen US-amerikanischen Militäreinsatz irgendwo in der Wüste Nordafrikas.

Doch die Bilder stammen aus Peru. Am 19. Februar 2019 begann die Invasion des illegalen Goldgräbercamps „La Pampa”. 1200 Polizisten, 300 Soldaten und 70 Staatsanwälte betraten in einer konzertierten Aktion das berüchtigte Gebiet rund um Kilometer 100 an der Interoceánica-Schnellstraße, die durch das Departament Madre de Dios nach Brasilien führt. “Operation Quecksilber 2019“ heißt die Militäroperation. Denn Quecksilber verwenden die Goldschürfer, um den Goldstaub zu binden. Danach verseucht das gefährliche Metall Flüsse, Luft, Fische und Menschen.

Warum gerade La Pampa?

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Die Luftbilder von den Abbaugruben illegaler Goldgräber im Departament Madre de Dios gehen seit Jahren um die Welt: da wo einst mächtige Bäume standen, ist jetzt eine karge Mondlandschaft. Der illegale Goldabbau ist einer der wichtigen Gründe für die Abholzung des Amazonas-Regenwaldes.

Schon immer wurde in Madre de Dios Gold geschürft, aber in kleinem Maßtab, ohne Maschinen, und ohne den großen Gewinn. Erst seit der Weltmarktpreis für Gold in die Höhe geschossen ist, wurde Madre de Dios zum El Dorado des 21. Jahrhunderts. Tausende von Subsistenzbauern aus den Hochlandgebieten Perus suchten ihr Glück im Gold, beantragten Konzessionen, machten Verträge mit Konzessionseignern oder fingen ohne jede Genehmigung an zu buddeln.

Das 11 000 Hektar große Gebiet von La Pampa ist dabei zum Synonym für alle Übel des Goldabbaus im Regenwald geworden. La Pampa liegt in der Pufferzone des Nationalparks „Bahuaja Senone” und kann deswegen nie als Minengebiet ausgewiesen werden. Die in La Pampa tätigen Goldschürfer sind also illegal tätig und verstoßen gegen geltendes Gesetz. Nur ist das Gesetz schwer durchzusetzen.

La Pampa war also in den letzten Jahren zum Hotspot der illegalen Goldschürfer von Madre de Dios avanciert. Illegal bedeutet auch, dass sich dort niemand den Anschein geben muss, legal zu werden. Banditen, Desperados aus allen Teilen Perus oder anderer Länder, Drogenhändler, Menschenhändler: La Pampa war zur No-Go-Area geworden, ein 11.000 Hektar großes Gebiet, das niemand betreten durfte, der nicht dazu gehörte.

Was unterscheidet informelle von illegalen Goldschürfern?

Mehrere Hunderttausende Menschen leben in Peru vom Goldschürfen, sei es im Regenwald, sei es in aufgelassenen Minen der Anden. Früher, als der Goldpreis noch niedrig war, haben die Subsistenzbauern sich mit Schürfen etwas dazu verdient. Das Schürfen geschah mit einer Waschpfanne, oder mit Schaufel und Pickel. Seit der Goldpreis in die Höhe geschossen ist, ist es jedoch viel lukrativer, Gold abzubauen, und dazu auch Maschinen zu verwenden. Die Abbaugebiete wurden immer größer, die Schäden in der Natur immer sichtbarer, und einige der Goldschürfer immer reicher. Die meisten Goldschürfer haben keine staatliche Erlaubnis, um zu schürfen. Damit gehören sie zur großen Menge der informell tätigen Peruaner, die ihre Jobs ohne jegliche staatliche Aufsicht machen und keinerlei Steuern bezahlen. Kann Peru das Goldschürfen einfach verbieten? Welche Alternativen kann der peruanische Staat den Goldschürfern anbieten? Die Antwort lautet: keine.

Die Strategie aller Regierungen heißt deshalb „Formalisierung”. Illegal schürfende Goldschürfer sollen zu legalen Goldschürfern werden, wenn sie nach und nach bestimmte Vorgaben einhalten: eine Konzession besitzen oder pachten; Umweltvorschriften einhalten; Steuern bezahlen. Eine Formalisierung ist nur möglich in grundsätzlich für Bergbau ausgewiesenen Gebieten. Auch in Madre de Dios gibt es solche Gebiete: rund um Huepetue, Delta, Laberinto wird weiterhin Gold geschürft, und nicht wenig. Da die dortigen Goldschürfer – in der Theorie – dabei sind, sich zu formalisieren, wird das Militär dort nicht einschreiten.

In der Praxis ist der Unterschied zwischen einem informellen und einem illegalen Goldschürfer jedoch gering: denn die Bergbauabteilungen kontrollieren äußerst selten, ob ein sich formalisierender Goldschürfer auch die Vorgaben einhält. Und die staatlichen Übergangsregelungen sind sehr großzügig. Bisher sind in Madre de Dios 5000 Goldschürfer in das staatliche Formalisierungsregister eingeschrieben, aber erst 20 haben ihre staatliche Lizenz bereits erhalten.

Fazit: auch wenn in La Pampa kein Gold mehr gefördert wird, so wird an anderen Orten von Madre de Dios weiterhin, unter Billigung des Staates, abgebaut.

Warum soll Operation Quecksilber dieses Mal erfolgreich sein?

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Der Militäreinsatz Quecksilber 2019 ist beileibe nicht der erste Versuch, in La Pampa die staatliche Ordnung wiederherzustellen.

„Wenn wir mit Polizei eine Razzia in La Pampa machten, dann vertrieben wir zwar ein paar Goldgräber, aber am nächsten Tag waren sie schon wieder da”, erzählt die für Umweltstraftaten zuständige Staatsanwältin Karina Garay. Zudem wurden die Razzien oft vorher schon verraten. Die Korruption unter den Polizisten in Madre de Dios ist groß. Auch groß angelegte Militäraktionen wurden in früheren Jahren medienwirksam durchgeführt, ohne dass sie eine bleibende Wirkung hatten.

Warum also soll es dieses Mal anders sein? „Wir sind gekommen, um zu bleiben”, verkündet Präsident Vizcarra. An die Großoffensive von zwei Wochen schließen sich 6 Monate polizeiliche und staatsanwaltschaftliche Interventionen an. Danach soll eineinhalb Jahre lang aufgeforstet werden. All dies unter dem Schutz von 300 Polizisten, die dauerhaft in La Pampa installiert werden sollen. Dieses Mal soll es den Goldschürfern nicht leicht gemacht werden, einfach wieder an ihre alten Abbauorte zurückzukehren.

Kann man ehemaliges Minengebiet überhaupt wieder herstellen?

Man mag es kaum für möglich halten, wenn man die Bilder von den wüstenhaften Mondlandschaften vor Augen hat: aber eine Renaturierung der Flächen ist möglich. Das sagen die Biologen, die in Madre de Dios mit Renaturierungspflanzen bereits seit längerem experimentieren. „Es wird nicht mehr wie vorher aussehen, aber die Funktion für das Ökosystem und die Struktur kann wiederhergestellt werden”, sagt der Biologe Francisco Román, der beim von USAID unterstützten Projekt CINCIA für die Forschung zuständig ist. „Allerdings haben wir in Madre de Dios zu wenige Baumschulen, so dass wir in einem Jahr gerade mal 100 Hektar bepflanzen können”. Und dann ist die Frage, wer die Renaturierung bezahlen wird.

Schwieriger zu sanieren sind die von Quecksilber und Schweröl verschmutzten Wasserläufe.

Welches sind die Alternativen?

Straßendorf La Pampa

„Hoffentlich kommen die Goldgräber von La Pampa jetzt nicht auf mein Land”, sagt Alejandra Mamani. Sie hat, auch mit Hilfe der Caritas, eine gut gehende Kakaopflanzung und einen Hühnerhof aufgebaut und will vom Goldschürfen nichts wissen. Die aus La Pampa vertriebenen Goldschürfer seien jetzt in das der Straße gegenüberliegende Gebiet gegangen, wo man legal schürfen kann. Die Befürchtung ist, dass sie auch landwirtschaftlich genutztes Land besetzen werden.

Zwar hat der peruanische Staat angekündigt, dass er sehr viel Geld investieren wird für alternative Arbeitsbeschaffung, aber das ist noch Zukunftsmusik. Tatsache ist, wie es Mons. Martínez, der Bischof von Puerto Maldonado, gesagt hat: „Peru kann nicht all seinen Bürgern ein würdiges Leben anbieten”. Viele suchen deshalb ihr Auskommen in illegalen oder halb legalen Geschäften, sei es der Schmuggel, die Koka oder eben das Gold.

Letztlich wird die Zahl der Goldsucher von zwei Faktoren bestimmt: vom Weltmarktpreis für Gold und davon, ob es eine Straße in der Nähe hat. Beide Faktoren stimmen heute. Und genau deshalb wird wohl, trotz der Militäraktion in La Pampa, auch weiterhin der Regenwald abgeholzt werden auf der Suche nach Gold.


Hildegard Willer