Oligopole bestimmen Perus Wirtschaft

Der Soziologe Francisco Durand forscht seit Jahren über die peruanischen Unternehmer. 12 grosse Familien seien es, die in Peru das Geld haben und mit allen Mitteln Einfluss auf den Staat nehmen.

InfoPeru: Professor Durand, Sie bezichtigen in Ihrer neuesten Studie die peruanischen Unternehmer der Unterwanderung des Staatswesens. Was genau meinen Sie damit ?

 

Francisco Durand: Seit 25 Jahren fährt Peru die selbe Wirtschaftspolitik. In dieser Zeit haben sich Machtklüngel gebildet, die grossen Einfluss auf den Staat haben. Das passiert zwar auch in anderen Ländern, aber hier in Peru ist diese wirtschaftliche Super-Elite besonders mächtig.

Infoperu: Warum das ?

Francisco Durand: Weil sich die wirtschaftliche Macht in Peru auf wenige Familien und Holdings konzentriert. Schau Dir die Banken an, es sind vier grosse Banken: Banco Continental (Spanien), Interbank (Grupo Rodriguez Pastor), Banco del Credito del Perú BCP (Grupo Romero) und Scotiabank (kanadisches Kapital).  Wir haben in Peru ein paar starke Oligopole. Auch in anderen Sektoren: Hühner (San Fernando), Telekommunikation (Telefonica und Claro), Zucker (Grupo Rodriguez und Grupo Gloria), Medien (Familie Miró Quesada) , Nahrungsmittel (Alicorp, Grupo Romero), Kaffee (Grupo Huancaruna), Bier (Backus).

In anderen Ländern sind die Genossenschaften, der Staat oder die Konkurrenz durch kleinere Unternehmen grösser.

Die OECD hat Peru bereits darauf hingewiesen, dass  Peru beim Kartellgesetz, bei einem Gesetz gegen Steuerhinterziehung sowei bei der Lockerung des Bankgeheimnisses nachbessern muss, wenn es in den Club der entwickleten Länder OECD aufgenommen werden will. Mit diesem Druck von aussen – denn Peru möchte unbedingt zur OECD gehören – fängt eine öffentliche Debatte zu diesen Themen langsam an.

InfoPeru: Sind diese ökonomischen Machtgruppen noch ein Erbe der Kolonialzeit oder der jungen Republik ?

Francisco Durand: Die peruanische Wirtschaft war auch während der Kolonialzeit und nachher in der Republik in den Händen weniger. Aber dieses Machtmonopol hat die Militärrevolution unter Juan Velasco 1968 zerstört. Erst ab den 90-er Jahren des letzten Jahrhunderts, unter Fujimori, haben sich diese Wirtschaftseliten wieder neu gebildet. Zum einen sind das die alten Familien aus Lima vor Velasco – dazu gehören die Familien Romero, Brescia, Benavides, Hochschildt   – aber auch neue Wirtschaftsclans aus Provinzstädten, die dazu gekommen sind: die Gloria-Gruppe der Familie Rodriguez Banda, das Kaffee-Imperium der Familie Huancaruna, die Getränkehersteller Anhanhos, César Acunha mit seinen Privatuniversitäten.

Beide Gruppen vermischen sich nicht. In der Unternehmervereinigung CONFIEP sind die alten aristokratischen Familien aus Lima vertreten. Die neu hinzugekommenen Wirtschaftseliten aus der Provinz, die sog. Cholo-Kapitalisten haben einen eigenen Verband gegründet, den Verband der peruanischen Familienunternehmen.

Die Politik und die Wirtschaft haben sich etwas demokratisiert, aber in der Gesellschaft werden die alten Schranken aufrecht erhalten.

InfoPeru: Und das ausländische Kapital ?

Francisco Durand: Ausländisches Kapital hat sich mit peruanischem gemischt. Z.Bsp. gehört die Banco Continental zur Hälfte den Spaniern, und 50% der Banco de Crédito gehören einem Pensionsfond aus den USA. Interbank gehört einer Holding mit Sitz in Panama, von der niemand genau weiss, wem sie letztlich gehört. Dasselbe sieht man im Bergbau, wo peruanische und internationale Geldgeber zusammengehen. Dabei kommen die internationalen Geldgeber aus aller Welt, von China bis Mexiko bis Indien, längst nicht mehr nur aus Nordamerika und Europa.

InfoPeru: Und wie funktioniert die Unterwanderung des Staates ?

Francisco Durand: Mit den selben Tricks, wie sie überall auf der Welt angewendet werden. Durch direktes Lobbying, durch die Finanzierung von Wahlkampagnen, durch die Drehtür-Politik (ranghohe Angestellte wechseln in den öffentlichen Sektor und umgekehrt), und durch die Konzentration des Medienbesitzes. So haben sie auch die sog. Investitionserleichterungen , den “paquetazo ambiental”, durchgeboxt, der eine Erleichterung der Umweltprüfungen für die Unternehmen bedeutet. Und dabei ist der Auslöser des Rückgangs des Wirtschaftswachstums ganz einfach der fallende Rohstoffpreis, für den Peru absolut nichts kann. Und dennoch diente er als Vorwand um den “paquetazo ambiental” durchzubekommen.

InfoPeru: Rührt sich in Peru kein Protest gegen diese Unterwanderung des Staates ?

Francisco Durand: Doch, es gab vor zwei Jahren die Jugend-Proteste gegen die Flexibilisierung des Arbeitsgesetzes, und es kam zu Protesten gegen verbotene Preisabsprachen. Und dann möchte Peru in den Klub der entwickelten Länder aufgenommen werden. Die OECD fordert gerade in diesen Sektoren Reformen von Peru: Auflösung des Bankgeheimnisses, Kartellgesetz, Gesetz gegen Steuerhinterziehung.

InfoPeru: Wie wird sich die Wahl Donald Trumps in den USA auf Peru auswirken ?

Francisco Durand: Zum einen werden illegale Peruaner zurückgeschickt werden. Dann wird der Transpazifische Freihandelsvertrag TPP fallen – das hat Trump ja bereits angekündigt. Agro- und Textil-Exporteure in die USA werden es schwerer haben. Und wahrscheinlich wird es auch weniger Entwicklungshilfe aus den USA geben.

InfoPeru: Professor Durand, vielen Dank für das Gespräch.

 

Die neueste Studie von Francisco Durand über die Einflussnahme der Wirtschaftselite auf die peruanische Politik kann hier heruntergeladen werden https://peru.oxfam.org/sites/peru.oxfam.org/files/file_attachments/capturadurand%20VF_0_2.pdf

Das Interview führte Hildegard Willer in Lima