Der Piuray-See, Wasserreservoir für Cusco (© Nuria Frey)

Mehr Flugzeuge, mehr Tourismus, weniger Wasser…

… was Tourist*innen wissen sollten, wenn sie Cusco besuchen.

 

Die Stadt Cusco, die im Deutschen der «Nabel der Welt» bedeutet, ist auf der ganzen Welt bekannt als die alte Hauptstadt des Inkareichs, das im 16. Jahrhundert nach der spanischen Eroberung bzw. Invasion unterging. Ebenso ist Cusco bekannt als Ausgangspunkt für eine Tour nach Machu Picchu, einer alten Inkaresidenz und dem wohl größten Tourist*innenmagnet Lateinamerikas. Jährlich kommen mehrere Millionen Tourist*innen nach Cusco, das  im Ballungsraum nur knapp eine halbe Million Einwohner*innen zählt. Die Hauptsaison bewegt sich zwischen Mai und September, mitten in der Trockenzeit; doch mittlerweile besuchen das ganze Jahr über viele Tourist*innen die Andenmetropole.

 

Derartige Tourist*innenströme haben nicht nur einen Einfluss auf die Infrastruktur in und um Cusco, sondern auch auf historische Bauwerke wie Machu Picchu, das entgegen den Empfehlungen der UNESCO förmlich überrannt wird. Doch auch auf die Wasserversorgung und Abfallentsorgung der Stadt wirken sich die Tourist*innenströme aus. Der Abfall Cuscos wird in einer Deponie südlich der Stadt in den Bergen in einer mittlerweile überquellenden Mülldeponie  eingelagert, an einem Ort, an dem Teile des Huatanay-Flusses entspringen. Seit einer Weile ist die Abfalldeponie schon an ihren Kapazitätsgrenzen. Die Anwohner*innen des Distrikts Ccorca, in dem die Deponie liegt, leiden an dem Gestank der Mülldeponie und der Gefahr von Infektionsherden, ebenso wie die Fauna und Flora und die Wasserquellen in der näheren Umgebung.

 

Anwohner des Piuray-Sees bei einer Müll-Sammel-Aktion. Foto: Nuria Frey

 

Eine enorm gewachsene Stadt und ein gewandeltes Klima

 

Der Ballungsraum Cusco ist in den vergangenen Jahren enorm gewachsen und zählt heute fast eine halbe Million Einwohner*innen. Das Wachstum ist einerseits zurückzuführen auf die Landflucht und die damit verbundenen ungeordneten Verstädterungsprozesse. Der interne bewaffnete Konflikt von 1980 – 2000 trieb ebenfalls viele Personen vom Land in die Stadt. Neue Gründe für die Landflucht sind die immer schwieriger werdenden Bedingungen für Kleinbäuerinnen und Kleinbauern aufgrund der klimatischen Veränderungen und der fehlenden staatlichen Subventionen,  sowie die fehlenden Ausbildungsmöglichkeiten. Auf dem Land ist oftmals nach der Primar- oder Sekundarschule Schluss.

 

Um die Wasserverfügbarkeit besser zu verstehen, muss man wissen, dass das Klima in den peruanischen Anden geprägt ist von einer Trocken- und einer Regenzeit. Die Regenzeit beginnt ungefähr im September und dauert bis Ende April und fällt mit dem Sommer zusammen, der in den Anden relativ kalt ausfällt. Die Trockenzeit und somit auch der Winter fallen auf die Monate Mai bis September. Zu Beginn der Regenzeit wird angepflanzt, Ende der Regenzeit geerntet. Vielerorts kann nicht bewässert werden, so dass der Ertrag der Ernte einzig von den Niederschlägen abhängt. Seit einigen Jahren ist das Klima in den Anden variabler geworden, nicht nur die Wissenschaft belegt dies. In bald jeder Gemeinde, welche ich besuchen konnte, wurde mir gesagt, dass das Klima anders geworden sei: variablere Niederschlagsmengen über die ganze Regensaison verteilt, oftmals intensivere Regenfälle begleitet von Hagel, Trockenperioden oder Frost in der sommerlichen Regenzeit, welche dann die wachsenden Pflanzen beschädigen oder gar eingehen lassen.

 

Ein geschädigtes Ökosystem

 

Auch der Bergbau spielt eine immer größer werdende Rolle in den südlichen Anden rund um Cusco und beeinflusst die Wasserverfügbarkeit. Zahlreiche Landstriche in ganz Peru und insbesondere in den südlichen Anden stehen unter Konzession und werden früher oder später ausgebeutet werden. Südlich der Stadt Cusco hat sich in den letzten Jahren der «Corredor Minero Sur» gebildet, ein ganzer Landstrich, in dem Bergbau betrieben wird: die Mine Antapaccay in Espinar, Las Bambas in Apurímac und viele weitere Bergbaukonzessionen, welche kurz davorstehen, ausgebeutet zu werden. Bergbau trägt nicht nur zur Wasserverschmutzung bei, wenn Schutzmaßnahmen ungenügend implementiert und kontrolliert werden, sondern benötigt für den Betrieb der Bergwerke sehr große Wassermengen.

 

Die Stadt Cusco bezieht ihr Wasser aus zwei großen sowie ein paar kleineren Quellen. Die eine große Quelle ist der Piuraysee bei Chinchero, auf 3700 Meter über dem Meer und 30 km vor Cusco gelegen. Der andere große Anteil des Trinkwassers entstammt dem Vilcanota-/Urubamba-Fluss, der bei Sicuani, südöstlich von Cusco, entspringt und dann ins Heilige Tal mündet, an Machu Picchu vorbeifließt und sich ins Amazonastiefland hinunterschlängelt, bevor er in den Amazonas-Fluss mündet.

 

Das enorme Städtewachstum in Cusco blieb nicht ohne Folgen auf die Wasserversorgung für die Einwohner*innen von Chinchero, einer indigenen Kleinstadt. Stetig wurde mehr Wasser entnommen – heute sind es mit 300 Liter pro Sekunde eine beträchtliche Menge für einen See von gut zwei Quadratkilometer Fläche. In der Folge sank der Seespiegel, an mehreren Stellen rutschte landwirtschaftlich genutztes Gemeindeland in den See. Die betroffenen Bäuerinnen und Bauern forderten daraufhin eine finanzielle Entschädigung; die Bevölkerung rund um den Piuraysee begann sich zu organisieren. Nach fast 20 Jahren geprägt von Verhandlungen und Protestmärschen gelang es schließlich im Jahr 2013, einen Entschädigungsmechanismus auszuhandeln. Seither bezahlen die Bewohner*innen Cuscos eine Wassersteuer, welche in Ökosystem-Schutzprojekte in den Bergen rund um den Piuraysee zurückfließt. Jedoch sind viele Ökosysteme in den Anden oberhalb von 4.000 Metern geschädigt. Diese Landstriche sind sehr sensibel und wichtig für den Wasserhaushalt, denn hier sollte das Wasser im großen Stil in den Boden sickern, um später und weiter unten Quellen und Bäche zu speisen. Durch massive Überweidung in der Vergangenheit, die dadurch erfolgte Erosion und durch das großflächige Anpflanzen des Eukalyptusbaumes, der in den 1980-er und 1990-er Jahren gefördert wurde, ist dieses Gleichgewicht aus dem Ruder geraten. Eukalyptusbäume haben viele, vor allem wirtschaftliche, Vorteile. Werden sie jedoch zu nahe an Wasserquellen oder in ökologisch sensiblen Zonen gepflanzt, hinterlässt ihr enormer Wasserkonsum negative Folgen, ein Umstand, der noch nicht so lange bekannt und anerkannt ist. Der entsprechende Schutz der hochandinen Ökosysteme, damit diese langfristig ausreichend Wasser speichern und abgeben, ist eine Mammutaufgabe.

 

Ein neuer Flughafen könnte die Wasserversorgung negativ beeinflussen

 

Der Piuray-See oberhalb von Cusco. Foto: Nuria Frey

Zur Problematik hinzu kommt in Chinchero der Bau des neuen internationalen Flughafens von Cusco, der sehr nahe an den Piuraysee gebaut wird. Vergangenes Jahr war er mehrfach in den internationalen Medien, unter anderem wegen seiner Nähe zu Machu Picchu. Auch wenn schon mit dem Bau des Flughafens begonnen wurde, sind bis heute zahlreiche Fragen nicht beantwortet: die Eignung der meteorologischen Verhältnisse für Starts und Landungen der Flugzeuge; die Unklarheit über das wahrscheinliche Vorhandensein von archäologischen Überresten; oder eben auch, welchen Effekt er für die Wasserversorgung für den Piuraysee, Chinchero und die Stadt Cusco haben wird. Unter dem Motto der Entwicklung, welche der Flughafen für die Region und insbesondere Chinchero bringen wird, wurde das Projekt vorangetrieben. Massive Grundstückspekulationen, ungeplante und ungeordnete Urbanisierungsprozesse und das chaotische Ansiedeln neuer Tourismusanbieter waren und sind nach wie vor die Folge. Für den Bau des Flughafens erhielten die Bauherren eine Lizenz zur Wasserentnahme aus einem kleinen See neben dem Piuraysee. Der diente der lokalen Bevölkerung für ihre landwirtschaftlichen Aktivitäten, welche nun die Auswirkungen der abnehmenden Wassermengen zu spüren bekommen. Unbekannt ist auch die Auswirkung des fertigen Flughafens auf das darunterliegende Feuchtgebiet, das sich mit Grundwasser aus einem großen unterirdischen System speist, welches zusammen mit dem Piuraysee und weiteren Seen verbunden ist. Ohne detaillierte Umweltstudie kann also nicht abgeschätzt werden, wie es wassertechnisch für Chinchero, aber auch für die Stadt Cusco aussehen wird.

 

Ausangate: Schutzgebiet mit Bergbau

 

Die andere wichtige Wasserquelle für Cusco aus dem Vilcanotafluss wird von der Bergregion zwischen Cusco und La Raya hinter Sicuani – auf der Strecke Richtung Puno – gespeist. Die Region Ausangate mit ihren zahlreichen Seen und dem für die Bevölkerung wichtigen Berggott Ausangate ist ein wichtiger Teil davon. Nach zehnjährigem Prozedere wurde vergangenen Dezember der Regionale Schutzpark Ausangate deklariert. In der Zwischenzeit wurden jedoch rund um den Ausangate mehrere Bergbaukonzessionen vergeben, die nötigen Formalitäten verliefen viel schneller, als jene zur Deklaration des Schutzparks. Gemäß der zugehörigen Verordnung des Parks sollen zuvor erteilte Konzessionen nicht widerrufen werden. Derzeit wurde noch kein Bergwerk eröffnet, aber dies dürfte eine Frage der Zeit und der globalen Börsenkurse sein. Bergbau in derart sensiblen Landschaftszonen ist an und für sich schon heikel, doch wenn er im Perimeter einer wichtigen Wasserquelle betrieben wird, steigt die Gefahr einer massiven und permanenten Verschmutzung des Wassers nochmals deutlich an.

 

Es stellen sich uns also große Fragen, ob die Stadt Cusco und auch die umliegenden ländlichen Gemeinden in ein paar Jahren bis Jahrzehnten noch ausreichend und vor allem qualitativ vertretbares Wasser zur Verfügung haben werden, oder wo gegebenenfalls weitere Wasserquellen in großem Stil erschlossen werden könnten. Und auch wie es weitergehen wird mit dem Tourismus, der jedes Jahr markant wächst in der Region Cusco und noch markanter wachsen würde im Falle einer Fertigstellung des neuen Flughafens. Der Hauptanteil der Tourist*innen verbringt seine Ferien in der Trockenzeit in Cusco und ist sich wohl des Problems nicht bewusst. Es steht uns viel Arbeit bevor seitens der Zivilgesellschaft und der Nichtregierungsorganisationen, um Tourist*innen und Bewohner*innen über die Problematik und Problem-Verkettung aufzuklären, und den Staat dazu zu bringen, dass er der Wasserverfügbarkeit und -sicherheit Vorrang gibt vor Bergbau- und Grossinfrastrukturprojekten.

 

Nuria Frey

Nuria Frey ist Geographin aus der Schweiz und arbeitet seit mehr als zwei Jahren als Fachperson von COMUNDO in Cusco im Umweltbereich in einer lokalen Nichtregierungsorganisation.