Abimael Guzmán, der Gründer und Führer des “Leuchtenden Pfades” bei seiner Gefangennahme am 12. Oktober 1992 (Foto: Andina Archivo)

“Leuchtendes” Gedankengut auf dem Vormarsch?

In Peru macht in den letzten Monaten der politische Arm der bewaffneten Organisation „Leuchtender Pfad“ unter dem Namen MOVADEF vermehrt Werbung unter Studierenden und unter Lehrerinnen und Lehrern. Ein Teil der linken Lehrergewerkschaft SUTEP hat sich unter dem Namen CONARE abgespalten und hat die Schulen vor allem in den Provinzen monatelang bestreikt und lahmgelegt.  Heinz Schulze analysiert in nachfolgendem Artikel dieses Phänomen und warnt vor der Rückkehr des Leuchtenden Pfades unter politischen Vorzeichen.

MOVADEF ist keine peruanische Modemarke sondern die Abkürzung für den neuen „politischen Flügel“ des „Leuchtenden Pfads/Sendero Luminoso“. Angetrieben von der Ideologie des Abimael Gúzman, alias camarada Gonzalo (der – wie große Teile der Sendero-Führung – im Gefängnis sitzt) war der „Leuchtende Pfad“ hauptverantwortlich im letzten Jahrhundert für unvorstellbares Leid und ca. 60.000 Toten. Als 2011 die Neo-Sendero-Vereinigung MOVADEF (Movimiento por la Amnestía y Derechos Fundamentales) sich meldete mit dem Anspruch „linke, wirklich klassistische Politik“ als Partei zu vertreten, war der Protest in Peru stark. „Nie wieder Sendero“ hieß es übereinstimmend. Aber „der Schoß ist noch fruchtbar“; und es ist daran zu erinnern, dass es in der Anfangszeit auch Lehrer waren, denen die Ausrichtung ihrer Lehrergewerkschaft SUTEP – beeinflusst von der maostischen Partei Patria Roja (Rotes Vaterland)  –  nicht radikal genug war, die zu den anfänglichen Unterstützern des Leuchtenden Pfads gehörten.

Ausgerechnet in der Andenregion von Ayacucho, dort, wo der Sendero-„Wahnsinn“ begann, und wo kleine Landsiedlungen wegen den Morden Senderos immer noch traumatisiert sind, rief  CONARE-MOVADEF (Nationales Komitee zur Reorganisation und Restrukturation der Lehrergewerkschaft SUTEP) dazu auf, am Streik teil zu nehmen und – wie in anderen Städten auch – radikaler zu werden, sich an der Ideologie vom „Kameraden Gonzalo“ (dem inhaftierten Anführer Abimael Guzmán) zu orientieren.

Lehrer und der Leuchtende Pfad

CONARE ist eine Abspaltung der Lehrergewerkschaft SUTEP. Das ist eine Folge, wie Kenner dieses Bereichs sagen,der Schwäche der Gewerkschaft SUTEP selbst. CONARE ist auf nationaler Ebene nicht stark, aber hat in den Departamenten Puno, Apurimac, Tacna, Huancavellica, Ayacucho und Cusco eine sichtbare Basis. Im Jahr 2011 gewannen die Leute von MOVADEF (der politische Arm des Leuchtenden Pfades) die Leitung. Ein Grund für die Schwäche der nationalen Leitung von SUTEP wird in folgender Tatsache gesehen: Die peruanischen staatlichen LehrerInnen müssen eine Zwangsabgabe leisten (derrama magisterial), die u.a. für (soziale) Projekte der Lehrerinnen dienen soll. Diese Institution „derrame magisterial“ unterhält z.B. ein „Erholungs-Hotel“ in der Huaca China, dem See in der Wüste bei der Stadt Ica und hat Gebäude in Lima, die durch Vermietung Einnahmen erzielen. Diese Institution wird durch die Sutep-Leitung (also Patria Roja) verwaltet – und das beschäftigt die Leitungsgremien sehr stark. Eine andere Kritik der Lehrerinnen besteht darin, dass SUTEP keine wirklichen Vorstellungen zur Verbesserung der Schuldidaktik oder des zweisprachigen Unterrichts macht. Auch wenn die Aussagen zu Untersuchungen für PISA nicht kritiklos gesehen werden können. In Lateinamerika liegt Peru im Bereich der staatlichen Schulbildung auf dem vorletzten Platz. Eine Untersuchung in 7 Provinzen des Departaments Ayacucho in den südlichen Anden brachte zum Vorschein, dass 80 on 100 Grundschülern nicht verstehen , was sie lesen und dass sie unfähig sind, größere Rechenaufgaben zu bewältigen. Das zu verbessern ist aber auch nicht der Schwerpunkt der Streiks von CONARE. Der senderistische Arm der Lehrergewerkschaft CONARE fordert die Abschaffung der Bildungsreform (die u.a. eine regelmässige Beurteilung und darauffolgende Einstufung der Lehrer vorsieht); sie sind für mehr Lohn und dafür, dass die Unterrichtsvorbereitung bezahlt wird.Da, wo CONARE jetzt auftritt, schaffen deren Leute es immer wieder, das Thema „Freilassung von Abimael Guzmán“ auch in die Streikaktivitäten rein zu bringen. Junge Menschen, so auch in Ayacucho kennen die Gräueltaten des Leuchtenden Pfades nicht mehr aus eigener Erfahrung, Einige glauben, dass die Senderistas soziale Kämpfer gewesen seien, die innerhalb eines zivilen Krieges auf Seiten der Gute gekämpft haben. (Jornada de Ayacucho, 20.8.12)

CONARE-MOVADEF mischt  auch bei anderen sozialen Kämpfen mit. Beim „Marsch für das Wasser“, 2012 in Lima (gegen das Bergwerksprojekt Conga) waren sie mit ihren Transparenten präsent. Sie wurden, hauptsächlich von Studierenden, heftig vertrieben mit den Rufen „Sendero Nunca Más“ –Niemals mehr Sendero. Anfang August 2012 drangen Aktivitisten von CONARE in einen Lehrerkongress in der südlichen Andenstadt Apurimac ein, um für ihre „klassistische Richtung“ zu „werben“.Studierende der größten staatlichen Universität Perus, San Marcos in Lima, berichten von Neo-Sendero-Aktivitäten durch Movadef.

Dabei ist es gerade Sendero Luminoso zu verdanken, dass der Begriff „links“ durch ihre menschenverachtende Ideologie und Handlungen bis heute in Misskredit geriet.

Wenn es längere Zeit so aussah, dass die Ueberbleibsel des Sendero als Schutzorganisation für den Drogenhandel im Regenwald von Ayacucho, Flüsse Ene und Tambo (VRAE-Region) ihr Dasein fristeten, so stimmt das heute nicht mehr. Durch SUTEP-CONARE sind sie in Teilen der peruanischen Lehrergewerkschaft aktiv.

Wider das Vergessen

Bei einer Befragung in Lima gaben junge Menschen an, wenig zu wissen über den Leuchtenden Pfad.  Hier würde dem Museum, das darüber informieren sollen, eine große Rolle zukommen.

Die deutschen Erziehungsgewerkschaften GEW oder VerdI müssen genau hinschauen, wenn sie von peruanischen Gewerkschaftskolleginnen um solidarische Unterstützung gebeten werden, um nicht die Falschen zu unterstützen.

 

(Heinz Schulze, nach Gesprächen mit Lehrerinnen in Ayacucho, Studierenden von San Marcos, MitarbeiterInnen in Basisorganisationen in Lima, Huancavellica, etc.)