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Kurz gemeldet: Dezember 2020

Kurznachrichten aus und zu Peru

Endlich: Bundeskabinett beschließt Gesetz zur ILO 169

Es hat lange gedauert: Am 2. Dezember hat das Bundeskabinett in Berlin ohne Diskussion den „Entwurf eines Gesetzes zu dem Übereinkommen Nr. 169 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 27. Juni 1989 über eingeborene und in Stämmen lebende Völker in unabhängigen Ländern“ beschlossen. Die „ILO 169“ ist die einzige völkerrechtlich bindende Norm über indigene Völker. Sie beinhaltet u.a. Vereinbarungen über die vollständige Gewährleistung der Menschenrechte, über die Rechte auf kulturelle Identität und Traditionen, politische Partizipation, das Recht auf Land mitsamt dessen Ressourcen, auf Beschäftigung und angemessene Arbeitsbedingungen und auf Ausbildung und Zugang zu Kommunikationsmitteln.

Der Koordinierungskreis ILO 169, in dem auch die Infostelle Peru aktiv mitarbeitet, hatte sich im Rahmen einer Kampagne für die Ratifizierung eingesetzt. Nun muss der Bundestag dem Gesetzesentwurf noch zustimmen.

 

Schweiz und Peru unterzeichnen ein Abkommen für den Klimaschutz

Die Schweiz und Peru haben im Oktober ein Abkommen unterzeichnet, mit dem die Schweiz CO2-Emissionen über Klimaschutzrojekte in Peru kompensieren kann. Es ist weltweit das erste Abkommen dieser Art unter dem Pariser Klimaabkommen. In dessen Rahmen hat sich die Schweiz verpflichtet, ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 gegenüber 1990 zu halbieren. Dies kann sie nun nicht allein mit Anstrengungen im eigenen Land, sondern auch durch die Förderung entsprechender Projekte in Peru tun, die ihr auf das eigene Reduktionsziel angerechnet werden.

Jürg Staudenmann, Klima- und Umweltexperte bei der Schweizer NRO Alliance Sud, kritisiert, das Abkommen stelle nicht sicher, dass die geförderten Klimaschutzmaßnahmen in Peru nicht auch ohne das Abkommen umgesetzt würden und somit keinen zusätzlichen Effekt hätten.

https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/klima/mitteilungen.msg-id-80791.html

https://www.servindi.org/actualidad-opinion/27/11/2020/los-claroscuros-del-pionero-acuerdo-de-reduccion-de-emisiones-entre

 

Mennonitische Gemeinden holzen mehr als 3.000 Hektar Regenwald ab

Von 2017 bis Oktober 2020 wurden 3.400 Hektar Wald in drei mennonitischen Kolonien im Amazonasgebiet gerodet, allein 2020 waren es 780 Hektar. Zwei Kolonien befinden sich in der Region Loreto, eine in Ucayali. Es gibt starke Indizien dafür, dass die Abholzungen illegal waren. Regionalregierung und Staatsanwaltschaft haben Ermittlungen eingeleitet.

https://www.servindi.org/actualidad-noticias/27/10/2020/colonias-menonitas-deforestan-mas-de-3-mil-hectareas-en-la-Amazonia

 

Fünf Jahre Klima-Klage

Vor genau fünf Jahren, kurz vor der Pariser Klima-Konferenz, hat der peruanische Bauer und Touristenführer Saúl Luciano Lliuya beim Landgericht Essen Klage gegen den Energiekonzern RWE eingereicht. Denn ein durch die Klimaerwärmung schnell wachsender Gletschersee bedroht ihn – und alle Bewohner*innen der Andenstadt Huaraz – mit einer großen Flutwelle. Da RWE zu 0,5 Prozent für den menschengemachten Klimawandel mitverantwortlich sei, fordert Luciano von dem Unternehmen diesen Anteil an der möglichen Schadenssumme durch die Flutwelle. Germanwatch unterstützt die Klima-Klage und hatte zu einer Online-Veranstaltung „Fünf Jahre Klima-Klage“ eingeladen.  Lucianos Rechtsanwältin Roda Verheyen berichtete von fünf Jahren „Achterbahn“ im Klageverfahren. Die Klage Lucianos ist weltweit die einzige, die im Verfahren so weit fortgeschritten ist. (Wir haben mehrfach darüber berichtet.) Als nächstes steht ein Ortsbesuch in Huaraz zum Beweisantritt an. RWE habe das Verfahren durch Verfahrenstricks verzögert, es gelte Fragen im internationalen Kontext zu klären, und zuletzt habe natürlich auch die Corona-Krise das Verfahren verzögert, so Christoph Bals von Germanwatch. Jetzt hoffen alle, dass es im nächsten Jahr endlich weitergeht.

 

Peruanisches Verfassungsgericht lehnt Zivilehe von Oscar und Fidel ab

Vor vielen Jahren haben der Peruaner Oscar Ugarteche und der Mexikaner Fidel Aroche in Mexiko ganz legal geheiratet. In Mexiko (wie in Argentinien, Brasilien, Kolumbien, Costa Rica oder Ecuador) ist eine Zivilehe zwischen gleichgeschlechtlichen Partner*innen möglich. Vor neun Jahren beantragte Oscar Ugarteche, sich auf eine Vereinbarung zwischen den mittel- und südamerikanischen Ländern beziehend, beim zuständigen peruanischen zentralen Personenregister RENIEC die Anerkennung seiner Ehe in Peru. Seit 2012 läuft das Verfahren vor der peruanischen Justiz. (Wir berichteten darüber.) Ein Richter gab ihm Recht, aber RENIEC weigerte sich und gab das Problem an das peruanische Verfassungsgericht weiter. Da lag es, und erst jetzt im November 2020 lehnte dieses Gericht die Anerkennung der Zivilehe ab. Im Vorfeld forderte unter anderem der Ombudsmann das Gericht auf, dem Kläger statt zu geben, weil das Klagebegehren von der peruanischen Verfassung garantiert sei. Verfassungsjuristen wiesen darauf hin, dass die Verfassung den Schutz der Familie garantiert, aber nicht festlegt darüber, dass diese Familie obligatorisch aus einem Mann und einer Frau bestehen muss.

Zum negativen Urteil meinte Oscar Ugarteche, dass er auf keinen Fall das Handtuch werfen wird. Er bringt seinen Fall jetzt vor den Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte in Costa Rica. Dieser hat bereits mehrfach geurteilt, dass eine LGTBI-Familie nicht diskriminiert werden darf.

 

Neuer Bergbauminister will das Gesetz zur Vorabkonsultation ändern

Jaime Galvez Delgado, neuer Energie- und Bergbauminister, kündigte im 23. November ein Gesetz an, das die Vorabkonsultation (consulta previa) in eine „Vorabübereinkunft“ (acuerdo previo) umändern soll. Damit würden Bergbauprojekte beschleunigt und der Erdölsektor „attraktiver“ gemacht.

Der Prozess der Vorabkonsultation soll von bisher einem Jahr auf sechs Monate verkürzt werden, damit das Land für Investitionen wettbewerbsfähig bleibe. Der neue Mechanismus sei „wichtig für die Zukunft des Bergbaus in Peru“, deshalb hofft Galvez auf die Zustimmung der Zivilgesellschaft und der Unternehmen. Auch die umweltpolitischen Genehmigungen für den Bergbau dauerten „ein bisschen lang“, weshalb er dafür arbeite, sie abzukürzen.

Die Vorabkonsultation zu ersetzen und den Dialog zu reduzieren, bedeutet eine Einschränkung der Rechte der indigenen Gemeinschaften in Entscheidungsprozessen des Staates zu Investitionsprojekten. Bei der „Vorabübereinkunft“ würde es sich in der Regel um einen Vertrag zwischen dem Mineninhaber und der betroffenen Gemeinschaft handeln. Bei der „Vorabkonsultation“ hingegen wird der Vertrag zwischen dem Staat und der Gemeinschaft geschlossen. Mindestens zwei Drittel der Gemeinschaft müssen der Nutzung ihrer Gebiete zustimmen. Die „Vorabkonsultation“ ist ein allgemeines Recht, das Gemeinschaften hilft und ermöglicht, an Entscheidungen des Staates, die sie betreffen können, teilzunehmen. Sie soll helfen, die möglichen Schäden zu minimieren und Menschenrechte nicht zu gefährden. Deshalb ist die „Vorabkonsultation“ eines der wichtigsten Rechte der indigenen Gemeinschaften. Die „Vorabübereinkunft“ kann also die „Vorabkonsultation“ nicht ersetzen.

Am 26. November forderte die „Coordinadora Nacional de Derechos Humanos“ die Regierung Sagasti auf, das Recht zur „Vorabkonsultation“ zu garantieren. Der Vorschlag von Minister Galvez stelle eine „Bedrohung für die Rechte der indigenen Völker“ dar.

https://www.servindi.org/actualidad-noticias/23/11/2020/ministro-galvez-prepara-ley-para-cambiar-consulta-previa-en-sector

https://www.servindi.org/actualidad-opinion/24/11/2020/ministro-galvez-acuerdo-previo-no-es-igual-que-consulta-previa

https://www.servindi.org/26/11/2020/exigen-al-gobierno-de-sagasti-respeto-la-consulta-previa

 

 

Mehr als 2.500 Brände auf indigenen Territorien

Die Brände geben keine Ruhe. Zwischen Januar und Februar dieses Jahres wurde 13.085 Brände im Land gemeldet, von denen 2.522 auf indigenem Territorium und 1.050 in indigenen Gebieten des peruanischen Amazonasgebietes auftraten. Mit 564 Bränden ist Ucayali die am meisten betroffene Region. An zweiter Stelle steht Loreto mit 303 Bränden in seinen indigenen Gemeinschaften.

Die Organisation Amazon Watch deckte auf, dass 218 Brände in Naturschutzgebieten gemeldet wurden. Diese Informationen stehen ihr aufgrund von Satellitenbildern der Überwachungsplattform Amazon Watch Maps zur Verfügung. Die Organisation bestätigt, dass 90 Prozent der Brände von Menschen gelegt wurden.

2020 könnte für das Amazonasgebiet sogar noch schlimmer werden als 2019, als die Entwaldung um 85 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen war.

https://www.servindi.org/actualidad-noticias/30/10/2020/mas-de-2500-focos-de-incendio-se-registran-en-territorios-indigenas

 

 

Agrarministerium: nur ein neuer Name oder auch eine neue Ausrichtung?

Die Regierung Sagasti hat ein neues „Ministerium für landwirtschaftliche Entwicklung und Bewässerung“ gegründet, das das „Ministerium für Landwirtschaft und Bewässerung“ ersetzen soll und zum Ziel hat, die kleinbäuerliche Landwirtschaft und den nachhaltigen Umgang mit Ressourcen zu fördern. Bisher wurden die großen Agrarexporteure gegenüber den kleinen Produzent*innen bevorzugt. 97 Prozent der 2,2 Millionen landwirtschaftlichen Produzent*innen arbeiten in der kleinbäuerlichen Landwirtschaft. Die Organisation Conveagro (Convencion Nacional de Agro Peruano) hofft, dass es diesmal nicht nur eine Namensänderung, sondern auch einen Kurswechsel geben wird.

Mit diesem Gesetz zum neuen Ministerium werden auch Mechanismen geschaffen, um die Agrarpolitik zu dezentralisieren, und ihre Ergebnisse zu überwachen und zu bewerteten.

Der neue Agrarminister Federico Tenorio hat in seinem ersten Interview angekündigt, das neue Ministerium effizienter zu machen und Lebensmittelimporte nach Peru nicht weiter zu fördern. Das Programm „Null Hunger („Hambre Cero“) soll konkretisiert und nachhaltig verbessert werden. Seine Mission sei es, „für die kleine Landwirtschaft zu arbeiten“.

Der Wirtschaftswissenschaftler Eduardo Zegarra begrüßt es, dass der Name des Ministeriums um den Begriff Entwicklung erweitert wurde. Dies impliziere, für den Wohlstand der Kleinbauern und eine nachhaltigen Ressourcennutzung zu arbeiten.

Die Umstrukturierung ist nicht unbedingt Ausdruck des politischen Willens der Regierung, sondern ein Ergebnis des Engagements der nationalen Landwirtschaftsbewegung. Die Conveagro hat angekündigt, das Handeln des neuen Ministeriums zu beobachten, bis sich wirkliche Veränderungen zeigen.

https://www.servindi.org/actualidad-noticias/24/11/2020/ejecutivo-oficializa-creacion-del-ministerio-de-desarrollo-agrario-y

 

 

zusammengestellt von Clara Uhlemann, Heinz Schulze und Annette Brox