KLima-Reporteros: Identität kommt von innen. Perspektiven eines jungen Indígena

Plinio Pizango, 24 Jahre alt,  ist Politikwissenschaftler und  studiert Jura; er hat für den Staat gearbeitet und ist als Vertreter der Indigenen durch die Welt gereist. Am liebsten jedoch möchte er in sein Dorf Itaparay in der Provinz Alto Amazonas zurückkehren. Er möchte das, was er in der Stadt und auf Reisen gelernt hat, zusammenbringen mit den seit Jahrtausenden  vererbten Kenntnissen seiner Vorfahren. Er findet, die Indigenas sollten sich nicht mehr ausgeschlossen und als Opfer fühlen, sondern vielmehr als politische Schlüssel-Figuren bei der Entwicklung des Landes.

Als Plinio zum Studium nach Lima kam, erkannte er, dass der Rhythmus und das Leben in der Hauptstadt nichts mit seinem Heimatort zu tun hatte. Trotz des feinen Essens, das er in Lima kennenlernte, und obwohl er hier zum ersten Mal das Meer sah, so vermisste er doch seine Gerichte vom Amazonas, das Schwimmen im heimatichen Fluss Huallaga, wie er dies von klein auf getan hatte. Er verstand nicht, warum die Bewohner Limas so egoistisch waren, nur auf ihr eigenes Wohl bedacht. Er vermisste sein Dorf, wo sich alles um das Wohlergehen der Gemeinschaft drehte.

Der Baguazo als Wendepunkt

An der Universität San Marcos in Lima lernte Plinio ganz Peru kennen. Seine Mitstudierenden kamen aus allen Teilen des Landes. Schnell wurde Plinio gewahr, dass die meisten fast nichts über den Teil Perus wussten, aus dem er kam, das Amazonasgebiet ode Regenwaldgebiet, die Selva.

Während seiner Studienzeit in Lima fand der “Baguazo” statt, das Massaker von Bagua, ein sehr wichtiges  und traumatisches Ereignis für die Indigenas Perus. „Auf einmal schauten alle auf das Amaznasgebiet, es schien, als ob wir erst seit dem Baguazo anfingen, für sie zu existieren. Man nannte uns Radikale, dass wir uns gegen die Entwicklung sträuben würden. Ich wurde aktiv, wollte, dass die Menschen in Lima verstanden, was in der Selva wirklich passiert war“, erzählt Plinio. Er sprach auf Podien und runden Tischen an der Universität über die Vision von Entwicklung in den Indigena-Gemeinden, und machte auf die Bedeutung der Vorab-Konsultation „consulta previa“ aufmerksam.

Indigena mit Handy

Plinio war ein Student wie jeder, aber er war auch Indigena. Indigena-Sein bedeutet mehr als die Kleidung, die einer trägt, oder mit welchen technologischen Geräten man sich umgibt. Ein Indigena mit Handy ist nicht weniger Indigena, ganz egal, was peruanische Politiker davon halten mögen. Die Identität ist innerlich. „Du musst deine Wurzeln klar haben. Ganz egal ob Du an die Uni oder eine Schule gehst, Du bleibst der gleiche, weil Du Deine Identität in Dir hast”, erklärt Plinio. Ein Indigena des 21. Jahrhundertes ist für ihn einer, der seine Kultur wieder wertschätzt, seine einheimische Sprache, ohne die Vision für sein Leben aus den Augen zu verlieren.

Als er noch klein war, stellte Plinio sich vor, Jura zu studieren und grosser Kämpfer für die Sache der Indigenas zu werden, ein Jurist. Je älter er wurde, desto besser verstand er, dass die Zeiten andere waren, und es nicht so sehr darauf ankam, neue Gesetze zu schaffen, sondern die bestehenden einzuhalten und durchzusetzen. Mit der Politikwissenschaft, so meint er, könnte er die Organisation und die Arbeit der Indigenas als politisch Handelnde stärken. „Ich entschied mich für dieses Fach, weil ich glaube, dass Änderungen dort passieren. Die indigenen Völker müssen politisch Handelnde werden und die neuen Herausforderungen des Entwicklungsmodells annehmen“.

In seiner Indigena-Gemeinde ist Plinio Pizango ein einfaches Mitglied. Dank seines Studiums, für das er mehrere Jahre in Lima verbrachte, kann er die Fähigkeiten seiner indigenen Mit-Brüder und –schwestern stärkend begleiten. Ansprüche auf ein politisches Führungsamt hat er keine. „Ich bin nur zu Hause Chef“, witzelt er, „innerhalb der Führungsstruktur meiner Gemeinde habe ich kein Amt inne. Ich bin einfach ein fachlicher Berater und gebe Werkzeuge weiter“.

In den Fussstapfen des Vaters ?
Plinio ist Sohn des bekannten Indigena-Führers, Alberto Pizango. Der Wunsch, mit seinem Studium seiner Gemeinschaft zu helfen, habe aber nichts mit seinem Vater zu tun. Im Gegenteil. „Mein Interesse für die indigenen Bewegungen kommt nicht von meinen Eltern. Mein Vater wollte nicht, dass ich mich da reinbegebe, ich habe es aus eigenem Willen getan“, ist ihm wichtig zu betonen. Vorher arbeitete Plinio bei der Nationalen Wahlbehörde JNE, aber die Büroarbeit lag ihm nicht. „Ich habe studiert, um meine Mitbrüder als freie Menschen sehen zu können, die eigenständige Entscheidungen treffen“.

Plinio Pizango nahm während des Weltklimagipfels als Referent an mehreren Veranstaltungen teil, als Mitglied des Indigenen-Verbandes AIDESEP. Er möchte so schnell wie möglich ins heimische Yurimaguas zurückkehren. „Ich kam nur nach Lima für das Studium, und möchte jetzt zurück,um mich dort einzusetzen“. Die meisten jungen Indigenas, so Plinio, hätten dieses Ziel.

Die Indigena-Gemeinden sollten den legalen Rahmen zu ihren Gunsten ausnutzen und ihre traditionellen Kenntnisse mit den neuen Perspektiven der Entwicklung kombinieren. Die Indigenas spielen dabei eine zentrale Rolle, denn die grossen geplanten Investitionen inder Selva sollen auf indigenem Gebiet stattfinden. Und wer wüsste besser als die Indigenas, wie man die Natur schützt.

Entwicklung kann für die Indigenas nur stattfinden, wenn die Natur nicht in Mitleidenschaft gezogen wird. „Wie können wir Bäume fällen, ohne zu verschmutzen? Wir indigenen Völker haben seit Jahrtausendenden Wald nachhaltig bewirtschaftet. Meine Vorfahren wussten, wo das Holz holen, um unsere Häuser zu bauen. Das Ziel ist, das Gleichgewicht zwischen Mensch und Natur zu bewahren“

Zur Zeit ist Plinio Pizango beim peruanischen Indigena-Verband AIDESEP für Klimawandel, Wälder und Waldschutz zuständig. Sein Ziel ist klar: die erworbenen Kenntnisse für eine gute indigene Regierungsführung einzusetzen.


Texto: Rosa Laura Gerónimo
Übersetzung: Hildegard Willer

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