Fair einkaufen, aber wie?

Eine Besprechung des neu aufgelegten Handbuchs für fairen Konsum.

Bereits im Vorwort zu diesem Buch steckt die bekannte Aktivistin Vandana Shiva den Rahmen ab, worum es heute wirklich geht: „Wir leben in einer Welt, die in 1:99 geteilt ist: Ein Prozent – das sind die wenigen Milliardäre, Unternehmer und Politiker, die 99% des Reichtums, der Macht und Menschen kontrollieren. Ein Prozent, das ist auch, was den Erzeugern vom Wert der Lebensmittel, Kleidung und anderen Produkten bleibt… Um dieses 1:99 System zu Fall zu bringen, brauchen wir einen Fairen Handel“ (S. 11).

Viele Solidaritäts- und Partnerschaftsgruppen zu Peru sind im Bereich des Fairen Handels engagiert. Deshalb ist eine Besprechung auf InfoPeru gut angesiedelt.

Das Buch ist ein echtes Handbuch (quasi ein Lexikon) des Fairen Konsums mit 423 Seiten. Das ist das Plus und auch gleichzeitig eine Herausforderung für die Leser*innen. Ich habe aus der Vielzahl der aufgeführten Beispiele und Themen einige herausgegriffen.

Gut und klar werden z.B. die Fairtrade-Siegel und ihre Unterschiede beschrieben. Gut sind auch die „weichen Kriterien“ wie z.B. Rainforest Alliance Certified beschrieben, die sogar Mc Donald´s oder Chiquita-Bananen bekommen. Klar benannt werden auch Produkte der angeblich fairen Firmenstandards (CSR), die nichts taugen, wenn sie nicht wirklich unabhängig kontrolliert werden. Interessant: Zum engeren Bereich des Fairen Handels wird gut verständlich dargestellt, wie entschieden wird und wer über die Prämien entscheidet, die an die Produzent*innen Fairer Produkte bezahlt werden, wie auch der Aspekt: Stärkere Wertschöpfung im Erzeugerland forcieren. (S. 100 ff.)

Ans Eingemachte des Fairen Handels gehen die Autor*innen auch beim Thema Kakao. Für die Kakaobauern (Genossenschaften), auch in Peru, ist es gut und wichtig, wenn sie ihren Kakao als „Bio und Fair“ verkaufen können. Das gibt bessere Preise. Aber es ist auch wichtig, genau hinzuschauen, an welchen „fairen Handel“ (comercio justo) geliefert wird. Eine Antwort gibt das Buch: Geht z.B. dieser Kakao an den echten Fairhandel – den mit dem blau-grünen Fairtrade-Siegel oder an ein Unternehmen mit dem neuen Siegel „Fairtrade Cocoa“? Im Buch wird deutlich gemacht, dass das nicht nur ein Wortspiel ist, sondern knallhartes finanzielles Kalkül. Das Fairtrade-Cocoa-Siegel darf auch verwendet werden, wenn der Kakao-Anteil ihrer Schokolade nicht 100% fair ist oder die Zutaten, z.B. bei Schokokeksen der Zucker, „unfair“ ist.

So intensiv wie dieses Beispiel werden viele Bereiche aufgearbeitet.

Beim Produkt Ananas wäre  ein Hinweis auch auf den hohen Gifteinsatz bei Billig-Ananas wichtig gewesen.

 

Faires Gold?

Zum Produkt „Gold“: Hier kommen meiner Meinung nach die aufgezeigten Fair-Gold-Alternativen (Transfair-Gold) und Fairmined zu positiv weg. Wir zeigten hierzu in der Kampagne Bergbau Peru „Reichtum geht – Armut bleibt“ auf, dass dieses Gold nicht wirklich fair ist. Die Alternative beim Gold ist: Nicht kaufen oder Produkte aus Recycling-Gold kaufen.

Dass es inzwischen auch „faire Särge“ aus Bambus gibt, war eine mir neue Information (S. 113)

Beim Lesen des Kapitels über Steine-Grabsteine erinnerte ich mich daran, wie viel Stress wir in München damit hatten, Grabsteine aus ausbeuterischer Kinderarbeit (spez. aus Indien) aus städtischen Friedhöfen zu verbannen. Das funktioniert bis heute in München nicht wirklich. Die aufgezeigten Siegel taugen nicht alle. Deshalb ist es wohl besser, Steine aus regionalen Steinbrüchen (Granit) zu kaufen.

Zum Bereich Palmöl (S. 235 f.) wird im Buch gut dargestellt, welche Vorbehalte seriöse Organisationen gegen das „Siegel“ für „nachhaltiges Palmöl“ (RSPO) haben. Das Problem für uns Verbraucher*innen ist, dass „fast überall“ dieses billig produzierbare Öl drin ist und wirklich faires Palmöl kaum auf dem Markt zu finden ist.

Gründlich und verständlich wird auch der gesamte Produktionsbereich Kleidung dargestellt (S. 275ff) und beim Thema Tourismus heißt es auch richtig: Vermeiden ist besser als Kompensieren (S. 342). Auch die Bereiche wie „Faire Elektronik“ oder „Faire Geldanlagen“ werden gut behandelt.

Gefreut hätte es mich, wenn wir als Informationsstelle Peru e.V. als Organisation im Register genannt worden wären, weil wir zu diversen Produkten im Zusammenhang mit „unfairem“ bzw. auch „fairem“ Einkauf einiges veröffentlicht haben.

Insgesamt ein faktenreiches Handbuch mit gut verständlichen Informationen und Anregungen.

 

Martina Hahn, Frank Herrmann: Fair einkaufen – aber wie? Das Handbuch für fairen Konsum, Brandes & Apsel Verlag, Frankfurt 2019 (6. erw., akt. u. überarb. Neuauflage), 432 Seiten, 32,90 €

 

Rezension: Heinz Schulze, Vorstand Informationsstelle Peru e.V.