© Norman Cordova/Andina

Ein Blick auf die Präsidentschaftswahlen 2021

Am 11. April wählen die Peruaner*innen einen neuen Präsident*in.

Bisher sind 17 Kandidat*innen im Rennen.

 

Im letzten InfoPeru erschien ein interessanter und gut informierter Beitrag von Andreas Baumgart über die Wahlen mit dem Titel „Verhaltene Prognose für Wahlen 2021“. Was ist seit Dezember auf der peruanischen politischen Bühne in Bezug auf die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen weiter passiert? In diesen Beitrag werfe ich einen Blick auf die aktuelle Lage.

 

Wahlkampf 2021: Corona-Zeiten, neue Wahlgesetze und ein großes bürgerliches Desinteresse

 

Zu Beginn drei Aspekte zum  Kontext, in dem der Wahlkampf 2021 stattfindet: die COVID-19-Pandemie, die leichten Wahlrechtsreformen und das Desinteresse der Bürger*innen an den Wahlen.

 

Wegen der Pandemie ist der aktuelle Wahlkampf selbstverständlich anders als 2016. Da die zweite Welle Peru zurzeit gewaltig betrifft, sind Bürgerrechte durch die Regierung eingeschränkt. Lockdown, Veranstaltungs- und Versammlungsverbot in Lima und anderen Gemeinden, Abstand zwischen Personen und weitere Maßnahmen um das Ansteckungsrisiko zu vermeiden, sind die aktuellen Bedingungen für den Wahlkampf.

 

Das bedeutet für erfahrene und neue Kandidat*innen eine große Herausforderung, weil persönlicher Kontakt ein Muss für die Wahlkampfstrategie ist. Mit dem guten Wahlergebnis der Partei FREPAP  bei den letzten, zusätzlichen Parlamentswahlen 2020 wurde offensichtlich, wie wichtig der Wahlkampf auf öffentlichen Plätzen, z.B.  Märkten ist. Diese politischen Verbreitungskanäle werden weder durch soziale Netzwerke noch durch die traditionellen Medien ersetzt. Dieses Format bedeutet jedoch auch ein Risiko. Tatsächlich meldeten sich Kandidat*innen wegen einer COVID-19-Infektion krank, unter ihnen ein Präsidentschaftskandidat.

 

Ein Reförmchen der Wahlordnung

 

Aber nicht nur wegen COVID-19 sind diese Wahlen anders, sondern auch weil in den letzten Jahren die Wahlordnung geändert wurde. Das war jedoch kein Wendung um 180 Grad, nicht die notwendige große Wahlrechtsreform für die peruanische Demokratie. Trotzdem wirken die Gesetzesänderungen in bestimmten Fällen wie ein Filter, so dass nicht gut organisierte Parteien nicht zugelassen wurden. Infolgedessen und wegen des unter COVID-19-Bedingungen noch bürokratischeren Verfahrens hatten viele Parteien Problemen ihre Listen anzumelden.

 

Das war zum Beispiel der Fall bei zwei traditionellen Parteien: Alianza Popular Revolucionaria Aprista (APRA) und Partido Popular Cristiano (PPC). Sie haben es nicht geschafft eine vollständige Kandidat*innenliste anzumelden. Später zog die APRA sogar ihre Präsidentschaftskandidatin zurück. Dass die APRA nicht mehr im Wahlkampf ist und die PPC geringe Chancen hat, die Fünf-Prozent-Hürde zu nehmen, ist das Ergebnis der Krise, in der sich beide Parteien befinden.

 

Null Bock auf Wahlen

 

Der letzte Aspekt zum Kontext ist das Desinteresse der Bevölkerung an den Wahlen, aber auch allgemein an der peruanischen Demokratie. Das ist keine Überraschung. Seit Jahren berichtet der „Latinobarometro“ über die Zufriedenheit der peruanischen Bevölkerung mit der Demokratie. Nach dieser Quelle waren 2016 nur 16% der Bevölkerung mit der peruanischen Demokratie zufrieden. In 2018 sank die Zufriedenheit sogar noch tiefer, auf 11%.

 

Die Unzufriedenheit mit der Demokratie spiegelt sich natürlich im Interesse der Bevölkerung an den Wahlen wider. Nach einer Umfrage des Instituto de Estudios Peruanos hatten im Januar 42,5% der Bevölkerung noch keine Meinung, wen sie für das Präsident*innenamt wählen werden, und 24,8% meinten, sie würden für keine*n der Kandidat*innen stimmen (spontane Antwort).

 

In diesem Kontext fing im Dezember der Wahlkampf mit einer langen Liste von 23 Parteien mit ebenso vielen Präsidentschaftskandidat*innen an. Zurzeit sind noch 17 Parteien auf der Liste. Sie könnte aber in den nächsten Wochen noch kürzer werden.

 

Präsidentschaftswahl: Niemand liegt eindeutig in Führung

 

Vor fünf Jahren, im Präsidentenwahlkampf 2016, zeigten die Umfragen ein ganz anderes Bild als 2021. Damals lag die Kandidatin Keiko Fujimori mit 33% eindeutig in Führung.  20% hinter Fujimori lagen die zwei nächstbeliebtesten Kandidaten.

 

Präsidentschaftswahlkampf, Umfrage Januar 2016

Quelle: IPSOS, Jahr 16, Berichtnummer 199

 

Im Januar 2021 ist das Bild ganz anders. George Forsyth (Victoria Nacional) liegt in Führung, aber nur mit 17%. Rund 11% hinter Forsyth liegen die restlichen Kandidat*innen: Keiko Fujimori (Fuerza Popular), Julio Guzmán (Partido Morado), Verónika Mendoza (Juntos por el Perú), Daniel Urresti (Podemos Perú), Yohny Lescano (Acción Popular) und Hernando de Soto (Avanza País).

 

Zusätzlich gibt es noch Kandidat*innen und Parteien, die zurzeit geringe Chancen haben, wie der ehemalige Präsident Ollanta Humala (Partido Nacionalista), der politische Chef der Fraktion Alianza Para el Progreso, César Acuña aund Daniel Salaverry (Somos Perú), deren Nummer 1 auf der Kandidat*innenliste der ehemaligen Präsident Martin Vizcarra ist.

 

Präsidentschaftswahlkampf, Umfrage Januar 2021

 

Quelle: IPSOS Januar 2021. Graphik: César Bazán Seminario

 

Wer sich zu Wahl stellt

 

Ein Überblick über vier der Kandidat*innen: George Forsyth ist ein ehemaliger Fußballspieler und ehemaliger Bürgermeister von La Victoria, einem Stadtteil von Lima. Ohne große Erfahrung und ohne feste Partei kandidiert er zum ersten Mal.

 

Keiko Fujimori ist in der politischen Arena bekannt. Sie ist die Tochter des früheren Diktators Alberto Fujimori und gewann fast die Präsidentschaftswahlen 2011 und 2016. Während des letzten Regierungszeitraums hatte die Fujimori-Fraktion einen großen Teil der Verantwortung für die politische Krise in Peru. 2019 und 2020 war Keiko Fujimori in Untersuchungshaft. Diesmal hat sie weniger Chancen als früher.

 

Julio Guzmán (Partei Morado) kandidiert zum zweiten Mal. 2016 hatte er gute Chancen, schied aber wegen eines bürokratischen Fehlers aus. 2020 spielte seine Fraktion eine wichtige Rolle gegen den Putsch, und ein Mitglied seiner Partei, Francisco Sagasti, wurde als Präsident berufen. Die Fehler der aktuellen Morado-Regierung und die Kritik ihrer Gegner*innen wirken sich auf die Beliebtheit von Julio Guzmán aus.

 

Verónika Mendoza ist die einzige linksorientierte Kandidatin von dieser Gruppe. Sie war 2016 die Kandidatin der Frente Amplio und erhielt viele Stimmen. Da ihre politische Gruppierung keine eigene Partei ist, kandidiert sie für die Partei Juntos por el Perú. Deren Kandidat für die Vizepräsidentschaft ist der bekannte Umweltschützer und Bergbaukritiker José de Echave.

 

Noch drei Überlegungen: Bedeutung der Indigenen, fehlende Klarheit im Parlamentswahlkampf, Kandidat*innen für Peruaner*innen in Ausland

 

Ein großer Unterschied zwischen Peru und den Nachbarländern Ecuador und Bolivien ist die Kraft und Bedeutung der Indigenen. Man konnte dies aktuell in Ecuador sehen, wo der indigene Kandidat Yaku Perez bei der Wahl am 7. Februar eine hohe Anzahl der Stimmen bekam. Das ist in Peru ganz anders. Obwohl nach einer Umfrage der Statistikbehörde INEI 25% der Bevölkerung sich selbst Quechua oder Aymara betrachten, spielt der indigene Faktor keine relevante Rolle.

 

In Bezug auf das Parlament ist das Panorama völlig unklar. Das Desinteresse an den Wahlen betrifft den Parlamentswahlkampf noch stärker. Keine Partei hat eine große Mehrheit. Laut Ipsos-Umfrage vom Januar 2021 erhält Acción Popular 9%, Partido Morado 8%, Fuerza Popular 7%, Juntos por el Perú 5%, Alianza para el Progreso 5%, Somos Peru 5%, Frepap 4% und Victoria Nacional 4%.

 

Die Stimmenanteile sind nicht hoch und es gibt ein großes Risiko, dass viele Parteien die Fünf-Prozent-Hürde nicht nehmen. Das würde bedeutet, dass die Parlamentssitze unter Parteien aufgeteilt werden, die alle nur wenige Stimmen bekommen haben. Das wird natürlich der Legitimität des Parlaments schaden.

 

Etwa eine Million Peruaner*innen im Ausland sind wahlberechtigt. Im Unterschied zu anderen Wahlen haben sie diesmal die Chance als „Wahlbezirk 27“ zwei Abgeordnete direkt zu wählen. Das ist eine große Herausforderung. Seit Jahren üben wir Kritik an der Lage in unserem Heimatland und erleben die Frustration, weit weg zu sein und nicht viel gegen die Korruption und Ungleichheit dort tun zu können. Am 11. April 2021 haben wir die Chance, unsere Stimme beizutragen.

Da dieser Beitrag am 11.02.21 geschrieben wurde,  hier noch der aktuelle Stand vom  16.02.21:  

Erstens: laut der am 14.02 verbreiteteten IPSOS-Umfrage hat Yhonny Lescano (Acción Popular) Stimmen gewonnen und ist damit auf den zweiten Platz (10%) vorgerückt. Zweitens: der Wahlkampf läuft schlecht für George Forsyth (Victoria Nacional). Laut IPSOS-Umfrage hat er Stimmen verloren, bleibt aber noch an erster Stelle (11%).  Inzwischen hat der Spezielle Wahlrat beschlossen, Forsyths Kandidatur abzulehnen. Forsyth hat angekündigt, in Berufung zu gehen.

 

César Bazán Seminario

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