Editorial InfoPeru Nr. 55

Liebe Leserin, lieber Leser des InfoPeru,

“Serrano” (Bergler), “Provinciano” (Provinzler), “Campesino” (Bauer) oder das unübersetzbare “Cholo” – all dies sind Begriffe, mit denen Peruaner jemanden bezeichnen, der irgendwie “indianisch” aussieht. Der Begriff “Indio” ist zwar in Peru aufgrund der Kolonialgeschichte zu Recht verpönt – eine neue Sprache macht aber noch keine neue Realität. Zwar nennt man die “Indianer” nicht mehr “indio”, aber behandelt wird der grosse indigene Anteil der Bevölkerung Perus immer noch als 2.- oder sogar 3. Klasse-Menschen.

Noch verwirrender wird die Sache, wenn man das gestiegene Selbstbewusstsein und die wichtige Rolle der Amazonas-Indigenen dazu nimmt: sie waren weniger von der Kolonialgeschichte betroffen, haben ihre Kulturen unverfänglicher bewahrt, stehen aber heute unter grossem Druck wegen der immer wichtiger werden Bedeutung des Amazonas-Regenwaldes.

Zugleich gibt es internationale Abkommen, die die Rechte von Indigenen besonders schützen – allerdings oft nur auf dem Papier, und nicht in der peruanischen Realität, welche ja vor allem Auslandsinvestitionen zum Wirtschaftswachstum des Landes anlocken will.

Um all diese Themen wird es beim nächsten Peru-Seminar der Infostelle Peru vom 27. bis 29. April in Köln gehen. In diesem InfoPeru finden Sie bereits mehrere Hintergrundberichte in Vorbereitung auf dieses Seminar: je ein Interview mit dem Juristen Juan Carlos Ruiz und der Menschenrechtsaktivistin Rocío Silva Santisteban, sowie einen Grundlagenartikel der Ethnologin Flurina Doppler, wer in Peru heute eigentlich “indigen” ist.

Einladen möchte ich Sie auch, mit uns zu überlegen, wie heute Solidaritätsarbeit zwischen Peru und Deutschland aussehen soll. Trudi Schulze beleuchtet in ihrem Artikel 40 Jahre Peru-Solidarität; der Blick auf die Geschichte soll uns Anregungen geben, wie es weiter gehen kann. Bitte benutzen Sie die Kommentarfunktion, um diesen oder auch andere Artikel zu kommentieren.

Währenddessen bleibt die politische Lage in Peru angespannt: im Parlament haben 30 Abgeordnete ein neues Absetzungsverfahren gegen Präsident Kuczynski in Gang gesetzt; im Odebrecht-Skandal zeigt sich immer klarer, dass alle peruanischen Parteien und Politiker Geld vom brasilianischen Baukonzern angenommen haben; und alle warten gespannt auf das Urteil des Interamerikanischen Gerichtshofes über die Recht- oder Unrechtmässigkeit der Begnadigung von Alberto Fujimori.

Hildegard Willer