Liebe Leserin, lieber Leser!
Mit großer Genugtuung schließen wir von der Informationsstelle Peru e.V. uns den 81 peruanischen zivilgesellschaftlichen Organisationen an, die öffentlich den Beschluss von Präsident Humala begrüßt haben, dem Ex-Staatschef Fujimori nicht die von ihm beantragte Begnadigung und somit Haftbefreiung aus gesundheitlichen Gründen zu gewähren. Humala begründete diese Entscheidung u.a. mit dem „absoluten Fehlen von jeglicher Reue“ bzgl. der gravierenden Menschenrechtsverbrechen, Morde, Entführungen und Korruption, denen Fujimori nach einem sauberen und transparenten Prozess für schuldig befunden worden war. Dieser für ganz Lateinamerika beispielhafte Prozess, so die CNDDHH (peruanischer Zusammenschluss der Menschenrechtsorganisationen), war ein vorbildliches Beispiel, das Peru der Welt im Hinblick auf Fortschritte in der „Transitional Justice“ ( der Aufarbeitung von Verbrechen bei Bürgerkriegen und Diktaturen) gegeben hat. Aber die CNDDHH hebt auch hervor, dass diese Entscheidung auch errungen wurde durch die intensive und ausdauernde Arbeit der peruanischen Betroffenenorganisationen und der Menschenrechtsbewegung, die seit mehr als 30 Jahren gegen die Straflosigkeit kämpfen. –
Mit großen Erwartungen hatten wir gehört, dass Perus Regierung das Jahr 2013 zum „Jahr der Investition in die ländliche Entwicklung und die Ernährungssicherheit“ erklärt hatte. Das deklarierte Ziel war, staatliche Dienstleistungen auch in abgelegenen Regionen anzubieten, die Landwirtschaft zu fördern und „die landwirtschaftliche Wertschöpfung anzuregen“. Verschiedene Gremien wie der „Consejo Nacional de Seguridad Alimentaria y Nutricional“ wurden ins Leben gerufen und Diagnosen erstellt zu den Fortschritten der Umsetzung der ENSA (nationale Strategie der Ernährungssicherheit). Aber: Viele Kritiker wie z.B. aus der NGO CEPES sind sich im Klaren, dass dabei die wirklich entscheidenden Faktoren zur Überwindung der gravierenden Ernährungsdefizite kaum angegangen werden und weist hin auf die wachsende Landkonzentration und die Landnutzung für Exportprodukte, Biotreibstoffe und Viehfutterplantagen. Außerdem werden wichtige Probleme der Ernährungslage der peruanischen Bevölkerung nicht angegangen, wie etwa die Unterernährung speziell bei Kindern.
Die große Abhängigkeit und selbst die auferlegten Limitierungen durch die Freihandelsabkommen begrenzen stark den Handlungsspielraum der Regierung. Deshalb bleibt auch das Konzept der „Ernährungssouveränität“, nämlich das Recht der Völker, ihre Ernährungs- und Landwirtschaftspolitik selbst zu definieren und die Kontrolle über die produktiven Ressourcen auszuüben, von dieser unerwähnt!
Dabei müsste im Rahmen einer weiteren vollmundig angekündigten Regierungspolitik, nämlich der Förderung der „Inklusion“ in Peru und der Bildung des eigenen Ministeriums MIDIS (Ministerium für Entwicklung und Inklusion) dafür gerade die Erährungsfrage vor allem bei der ärmsten Bevölkerung ein Brennpunkt der Politik sein. Inklusion, welche in Deutschland meist nur im Rahmen von Eingliederung und Chancengleichheit von behinderten Menschen diskutiert wird, hat einen aber viel breiten Ansatz: Die soziale Exklusion ist multidimensional, hervorgerufen durch Armut, Marginalisierung, Diskriminierung der verletzlichsten Bevölkerungsgruppen, und das sind in Peru die indigenen Gruppen, weite Teile der ländlichen Bevölkerung und andere, auch städtische Minderheiten. Auch Payo Pauch beklagt in seinem lesenswerten Artikel im Nachrichtendienst Servindi ( unter http://servindi.org/actualidad/89345#more-89345 ) die 37% unterernährten Kinder im ländlichen Raum Perus. Inklusion sieht er als Prozess des „empowerments“ und Chancen und Möglichkeiten im Bereich Bildung, Gesundheitsversorgung, Arbeit und Produktion sowie Rechtsgleichheit. Die bisher aufgelegten Sozialprogramme wie Juntos oder Pensión 65 sind zwar ein bescheidener Schritt in die richtige Richtung, aber noch ist Peru weit entfernt von einer gerechten sozialen Inklusion aller seiner Bürger und Bürgerinnen. Wir werden diesen von der Regierung so lauthals angekündigten Prozess weiterhin aufmerksam und kritisch begleiten, und im Rahmen des wohl leider zu erwartenden Inkrafttretens des TLC (Freihandelsabkommen zwischen der EU und Peru / Kolumbien) auch die Ernährungssouveränität Perus einfordern! Denn, wie Fernando Eguren von CEPES sagt: „Die guten Absichten machen noch nicht satt!“
Viel Spaß beim Lesen unseres neuen PeruInfos
wünscht Mechthild Ebeling
(Vorstandsmitglied der Informationsstelle Peru e.V. )